Letzte Steigerin Europas ist nun im Ruhestand
Am Neujahrstag 2023 fuhr Monika Hanke (63) zum letzten Mal zur Arbeit in die Leag-Brikettfabrik Mitte in Schwarze Pumpe. Es war eine ruhige Schicht, die Fabrik war über den Jahreswechsel außer Betrieb. In den zurückliegenden mehr als 46 Jahren war das in den Brikettfabriken nicht immer der Fall. Monika Hanke hatte so manches erlebt in ihrem langen Berufsleben, schönes, aber auch weniger schönes. In zwei Gesellschaftsordnungen durchgängig an einem Arbeitsplatz tätig zu sein, bedeutete eine große Herausforderung. Schließlich war sie stets in der Produktion beschäftigt, 32 Jahre als Schichtsteigerin bis zum Schluss. Monika Hanke war die letzte Steigerin in Europa.
Geboren wurde Monika Hanke in Spremberg, wuchs im Stadtteil Slamen-Ziegelei auf, im elterlichen Wohnhaus wohnt sie bis heute. Nach dem Abschluss der POS begann sie 1976 die Lehre zum "Maschinist für Brikettierung" im Gaskombinat und nahm nach der Ausbildung die Arbeit im Trockendienst der Brikettfabrik Mitte auf. Bereits ein Jahr später saß sie schon in der Schaltwarte und kurz darauf kam der Katastrophenwinter 1978/79. "Das war für mich die erste große berufliche Herausforderung. Nur vier Trockner liefen, es reichte gerade mal für den Warmhaltebetrieb, damit die Fabrik nicht einfror", erinnert sie sich. 1987 übernahm Monika Hanke für einige Jahre den Tagesdienst. Da hieß es im Sommer Getreide trocknen im Trockner 1, für diese zusätzliche Aufgabe war der Tagesdienst zuständig. "Heute kann sich das gar keiner mehr vorstellen. Viel manuelle Arbeit Tag und Nacht, die NVA war mit Soldaten und LKW im Einsatz. Aber das in großen Mengen getrocknete Getreide war von hoher Qualität für die Lagerung". 1988 bekam Monika Hanke den Meisterbrief und ab 1991 war sie dann Schichtsteiger. Zu dieser Zeit gab es noch eine zweite Schichtsteigerin und beide hatten abwechselnd die Aufgabe, die "hohen" Gäste von Rheinbraun, die nun in Scharen kamen, durch die Brikettfabrik zu führen. Das hatte sich Espag-Chef Dieter Schwirten ausgedacht. Seine Freunde aus Köln und Aachen staunten dann wie die Bauklötzer: Eine Frau ist hier Steigerin? Bei Rheinbraun war das undenkbar. Monika Hanke lacht darüber noch heute. Mit der Stilllegung der Fabriken West und Ost änderte sich, beginnend in der ersten Hälfte der 1990er Jahre das Gesamtprofil des einstigen Bereiches Brikettfabriken.
Neue Anlagen kamen schrittweise dazu: Zwei Staubmahlanlagen, die Erzeugung von Wirbelschichtkohle, die Bündelung, eine neue Verladung. Die Restanlagen wie der Rohkohlebunker und die Aufbereitung West und sogar die Wasserwirtschaft gehörten schließlich dazu. Mit dem Betrieb "Veredlung" entstand eine Struktur, die von der Verantwortung her im Schichtbetrieb ein einzelner natürlich nicht mehr übersehen konnte. Da bedurfte es in allen Anlagenteilen zuverlässiger Kolleginnen und Kollegen. Das spielte sich ein, doch dem gingen finstere Zeiten voraus. Dazu gehörte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre die Personalauswahl. Wer darf bleiben, wer wird ausgegründet, wer wird gar nicht mehr gebraucht? Monika Hanke sagt, das war das schwärzeste Kapitel in ihrer Berufslaufbahn. "Diese Drecksarbeit wurde auf uns vor Ort abgeschoben. Allein saßen wir damit da". Mit Vattenfall zog dann nach und nach wieder Ruhe ein. Monika Hanke leitete immer die Schicht B.
Seit 2003 lässt sie es sich nicht nehmen, ihre Kolleginnen und Kollegen, auch die ehemaligen, einmal im Sommer zu einem Treffen einzuladen. Seit etlichen Jahren finden diese nun schon auf ihrem Grundstück in Slamen-Ziegelei statt, so auch in diesem Jahr Anfang Juli. "Das ist mein persönliches Dankeschön an alle, die mit ihrer Arbeit rund um die Uhr für einen zuverlässigen Betrieb der Brikettierungsanlagen sorgten. Viele sind schon zehn Jahre und mehr Rentner, aber ich lade sie immer wieder ein. Zum einen weiß ich, ohne diese Zusammenarbeit wäre es nicht gegangen, zum anderen haben viele mit über 40 Jahren Bergbau ein ebenso langes Berufsleben wie ich. Früher gab es den Bergmannstag, da wurde solchen Bergleuten für ihre schwere Arbeit Ehre und Anerkennung zuteil. Davon sind wir im täglichen Klimagefasel von heute so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Doch die Brikettfabrik wird noch lange laufen. Sie versorgt als letzte ganz Europa mit Briketts und Braunkohlestaub. Dafür sorgen zunehmend junge Leute, sogar in Führungspositionen. Auch die habe ich eingeladen. Der Nachwuchs soll wissen, dass er auch ein Dankeschön verdient. Zumindest in meinen Augen". 60 Brikettierer von damals und heute waren in diesem Jahr der Einladung gefolgt. Wir fragten einmal in die Runde, wie sie die Zusammenarbeit mit Monika Hanke in Erinnerung haben. Heidrun Buse (Schaltwärterin) und Wilfried Jost (Meister) sagten: "Es war eine schöne Zeit. Viele Jahre haben wir zusammengearbeitet. Der Zusammenhalt hat uns geformt und die Anlagen sind zuverlässig gelaufen". Das sah so auch Rainer Grosa (Elektriker Schichtbetrieb): "Ich war mit Monika Hanke über 40 Jahre beruflich verbunden. Das war eine kollegiale Zusammenarbeit, wie sie heute viele gar nicht mehr kennen". Hans-Jürgen Minnecker, selbst 44 Jahre in den Brikettfabriken tätig, davon die letzten 15 Jahre als zweiter Steiger an der Seite von Monika Hanke, bestätigt diese Einschätzungen: "Es war eine Zusammenarbeit ohne Probleme.
Vor allem: Monika Hanke verstand es, ein gutes Verhältnis zu allen Mitarbeitern in der Schicht zu pflegen. Das sorgte für ein ausgewogenes Betriebsklima und zeigt sich heute hier beim Zusammensein". Gerd Sieling, langjähriger Leiter des Betriebes Veredlung, war natürlich auch nach Slamen-Ziegelei gekommen. "Was soll ich noch sagen? Meine ehemaligen Kollegen haben schon alles gesagt. Ich kann nur noch anfügen, liebe Monika, vielen Dank für all dieses gute jahrzehntelange vertrauensvolle Miteinander". Und wie groß das Vertrauen unter- und miteinander bis heute ist, zeigt die Tatsache, dass noch immer sich alle mit "du" anreden. Wie das schon immer bei den Bergleuten war.
Monika Hanke wird nun in die Bergbaugeschichtsbücher Europas als letzte Steigerin eingehen. Darauf darf die Sprembergerin stolz sein.

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