Am 16. November befand sich in der Nähe der Spremberger Schwimmhalle ein Mann in einer hilflosen Lage. Während andere Passanten wegschauten bot Lena Blinzler ihre Hilfe an.
Kalter Novemberwind fegt an jenem Montagnachmittag über die Straßen. Lena Blinzler ist auf dem Weg in einen Supermarkt. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtet die 21-Jährige, wie in der Nähe der Schwimmhalle ein Mann an einer Laterne plötzlich umkippt. Als die junge Frau sich nähert, erkennt sie einen in sich gekauerten Herren mittleren Alters. Neben ihm stehen zwei Schnapsflaschen. Er weint und schluchzt, versucht sich mitzuteilen, als Lena Blinzler ihn behutsam fragt, was denn passiert sei. Es gelingt ihm nicht. Er nuschelt, trinkt etwas Schnaps, weint, schluchzt und erzählt, dass er alles verloren habe. Immer wieder.
Die 21-Jährige versucht den Mann aufzurichten und ihn zu einer nahe gelegenen Bank zu begleiten. Der Mann will nur noch sterben. Er sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben, sagt er zu Lena Blinzler mit verschwommenem Blick und tränenerstickter Stimme.
Die junge Frau versucht dem hilflosen Mann gut zu zureden und ihn zu beruhigen. Das hilft. Der Mann scheint sich gefangen zu haben. Lena Blinzler verabschiedet sich. Doch das schlechte Gewissen läuft ihr nach. Nach etwa fünf Metern entschließt sie sich zurückzukehren. Sie telefoniert mit ihrer Mutter, um sich Rat zu holen. Wenig später kauft Lena Blinzler Mineralwasser, bringt es dem Mann und nimmt ihm die Schnapsflaschen weg. Er lässt alles wortlos geschehen. Er kann die Selterflasche mit seinen zittrigen Händen kaum halten. Was er aber klar und deutlich formulieren kann: »Danke, dass du da bist.« In seiner Stimme schwingt nicht nur Dankbarkeit, sondern auch Erleichterung mit.
Lena Blinzler verständigt die Polizei und bittet um Hilfe. Innerhalb weniger Minuten sind die Beamten vor Ort und nehmen sich dem hilfsbedürftigen Mann an. Sie schicken Lena Blinzler nach Hause.
Kein Verständnis für achtlose Passanten
Für sie ist der Fall damit eigentlich erledigt. Sie weiß, dass der Mann jetzt in guten Händen ist und ihm geholfen wird. Vom Balkon in ihrer Wohnung kann sie beobachten, wie ein Rettungshubschrauber den Mann abholt. Sein weiteres Schicksal lässt sie dennoch nicht los. Bis dato hat sie nichts mehr über jenen Mann erfahren können.
Was die 21-Jährige auch sehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass keiner der vorbeieilenden Passanten und Autofahrer auch nur einen winzigen Versuch übernommen hätte, dem Mann helfen zu wollen. Auch nicht in jenen Situationen, in denen er an der Laterne umkippte, wenig später von der Bank runterrutschte und Lena Blinzler schlichtweg mit der Situation überfordert war. Zu dieser Tageszeit herrschte am Ort des Geschehens reger Verkehr. Doch mehr als ein paar verstohlene Blicke blieben von Passanten und Autofahrern nicht übrig. Vielleicht dachten einige Menschen: Wieder nur ein Trinker! Ihre Beweggründe bleiben ein Geheimnis. Dennoch ist dieses Verhalten des Wegschauens für Lena Blinzler völlig unverständlich. »Das war kein Mensch, der Freude am Leben und am Alkohol hatte. Ihm ging es offensichtlich sehr schlecht. Da kann man doch nicht einfach vorbeigehen und so tun als ob nichts passiert ist. Da muss man doch helfen«, meint die 21-Jährige, die sich nicht weiter ausmalen möchte, was sich der Mann im schlimmsten Fall ohne Hilfe angetan hätte. Für ihr Handeln braucht sie keine Anerkennung. Das ist für Lena Blinzler selbstverständlich.
Wenn auch Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, erhalten Sie Hilfe bei der Telefonseelsorge Oberlausitz: kostenfrei, anonym und rund um die Uhr unter 0800/ 1110111 oder 0800/ 1110222