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Wenn „Meister" Zahnweh haben . . .

Dank eines Zahnarztes wurde „Parsifal“ nicht nach Amerika verschenkt

Eine ungewöhnliche wie interessante und kuriose zahnmedizinische Sonder- ausstellung wird in den Wagner-Stätten Graupa gezeigt. Zahnschmerzen und Angst vorm Zahnarzt hat wohl jeder Mal. Aber warum macht ausgerechnet ein Musikermuseum wie die Richard-Wagner- Stätten Graupa eine zahnmedizinische Sonderausstellung, dazu noch unter dem drastischen Titel „Dem Meister ins Maul geschaut? - Ein „schräges" Thema? Durchaus nicht; denn für „Meister", die auf ihre Stimme angewiesen sind oder ein Blasinstrument spielen, ist die Zahnmedizin besonders wichtig. Bei Sprechern und Sängern führen Zahnlücken oder Zahnfehlstellungen zu zischenden Nebengeräuschen und Artikulationsschwierigkeiten. Einem Klarinettisten gelingt es ohne obere Schneidezähne kaum, seinem Instrument einen Ton zu entlocken. Auch Posaunist, Hornist, Tubist und Trompeter benötigen eine gute Zahnstellung. Die Ausstellung stellt zahntechnische Möglichkeiten vor, die Fehlstellungen der Zähne ausgleichen und Zahnlücken überbrücken. So sieht man in einigen Vitrinen Musikergebisse mit aufsteckbaren Blashilfen. Auch zahnmedizinisches Instrumentarium des 19. Jahrhunderts wird gezeigt. Die Leihgaben stammen aus dem Dentalhistorischen Museum Zschadraß, dem Spohr-Museum Kassel sowie aus Privatbesitz. Besonders interessant ist das Verhältnis Richard Wagners zu seinem Zahnarzt, dem aus Amerika stammenden Dr. Newell Sill Jenkins, der zwischen 1866 und 1909 in Dresden praktizierte. Er war ein Meister seines Faches und beschäftigte sich intensiv mit keramischem Zahnersatz. Es gelang ihm, die Zusammensetzung der Porzellanmasse für Zahnkronen und –brücken entscheidend zu verbessern. Das nach ihm benannte Porzellan-Email wurde in einer Manufaktur hergestellt, die er selbst gründete. Auch eine eigene Zahnpasta unter dem Namen „Kolynos“ entwickelte er. Auch die ist in Graupa zu sehen. Kein Wunder, dass dieser Dr. Jankins nicht nur die Mitglieder europäischer Fürstenhäuser behandelte, sondern auch „Promis“ wie Richard Wagner. Der Briefwechsel zwischen ihnen belegt, dass beide mehr als ein Arzt-Patienten-Verhältnis verband. So redete der Freund und Ratgeber der Familie Richard Wagner aus, nach Amerika auszuwandern. Der Komponist hatte tatsächlich die Idee, dass eine Stiftung eine Million Dollar für ihn sammeln sollte, um ihn Europa „abzukaufen“. Als Gegenleistung wollte er der USA seinen „Parsifal“ bringen. Dass dieser nicht in Übersee, sondern in Bayreuth uraufgeführt wurde, verdankt die europäische Musikwelt der Überredungskunst eines Zahnarztes.   (gs)          Die Sonderausstellung ist noch bis zum 14. August in den Richard-Wagner-Stätten Graupa zu sehen. Die. bis Fr. 11 bis 17 Uhr, Sa./So. u. feiertags 10 bis 18 Uhr.


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