

Meistens steigt der Physiklehrer im Ruhestand montags die 35 Stufen zum Uhrwerk hinauf, schnappt sich die Kurbel, steckt sie auf das Gegenstück im Uhrwerk und dreht jeweils einzeln die beiden Gewichte rund zehn Meter in die Höhe - eines für das Uhrwerk und das zweite schwere Eisenstück für das Schlagwerk. »Das ist für mich immer ein Fitnesstest«, sagt Schrade und schmunzelt.
»Falls ich an einem Montag einmal verhindert sein sollte, dann bleibt mir noch ein Tag, bis die Uhr stehen bleibt«, erzählt er und fügt an, dass er im Urlaubsfall natürlich vertreten wird.
Während der vergangenen Umstellung von Sommer- auf Normalzeit ist Thomas Schrade nicht in tiefer Nacht den Turm hinaufgestiegen: »Ich habe am Sonntag um 8 Uhr das Holzpendel angehalten und nach einer Stunde wieder angeschoben und schon war die Zeitumstellung vollzogen.«
Thomas Schrade wohnt direkt gegenüber der Kirche im ehemaligen Pfarrhaus. »Mein Großvater Wilhelm Bauer war der letzte Pfarrer, der in dem Haus wohnte. Er war von 1912 bis 1968 in Wormlage tätig und hat sich dafür eingesetzt, dass wir einen Kirchturm und eine Uhr bekommen. 1914 konnte beides eingeweiht werden«, erzählt Schrade. Er sei begeistert von der alten Technik, die 1914 von der Turmuhrenfabrik J. F. Weule aus Bockenem (Niedersachsen) eingebaut wurde: »Faszinierend, dass die Uhr nach so vielen Jahrzehnten noch funktioniert. An den Zahnrädern gibt es keinen Abrieb. Ich gehe davon aus, dass sie noch 100 Jahre laufen kann.«
Wie Thomas Schrade informiert, lief die Uhr bis in die 70er-Jahre hinein. Dann habe sie einige Jahre stillgestanden. »Sie war defekt. Ende der 70er-Jahre hat sie mein Schwager repariert. Heute kommt einmal im Jahr eine Fachfirma, die sie prüft.« Nur einmal im Monat muss Thomas Schrade, wie er verrät, die Uhrzeit korrigieren: »Die Abweichung beträgt etwa zwei Minuten. Allerdings muss man bedenken, dass unsere Uhr bewusst eine Minute nach geht, damit der Hammer, der zu halben und zur vollen Stunden schlägt, nicht dem Glockenruf zum Gottesdienst in die Quere kommt.«