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Verena Farrar

Paula on Tour: El Fin del Mundo - Das Ende der Welt

Zeithain/Chile/Argentinien. Familie Wagner aus Zeithain wagt einen "Abstecher" nach Chile - Gute Tat inbegriffen...

In großen Schritten fahren wir immer weiter gen Süden. In Rio Gallegos machen wir einen kurzen Halt. Die Stadt ist heute wichtigstes Versorgungszentrum für die umliegenden Schaf-Estanzias und Minen. Im Falklandkrieg war hier der wichtigste Marinestützpunkt. Wir besuchen ein Museum in einem alten, sehr gut erhaltenen Kolonialgebäude. Ein Sammelsurium von alten Möbeln, Fotos, Musikinstrumenten und Töpfen. Unscheinbar dazwischen finden wir ein in altdeutscher Schrift verfasstes Buch zur „Selbst-Schneiderei“. Wie mag das denn hier her gekommen sein….
 
Kurz werfen wir noch einen Blick auf das riesige Mausoleum von Nestor Kirchner, des im Oktober 2010 verstorbenen Präsidenten. Hier in seiner Heimatstadt war er von 1987-1991 Bürgermeister. 1991 wurde er Gouverneur der Provinz Santa Cruz. Dort leistete er sehr gute Arbeit, bis er im Mai 2003 zum Präsidenten vereidigt wurde. Er wird im ganzen Land noch heute extrem verehrt.
 
Gegen Mittag fahren wir relativ entspannt an die Grenze. Wir konnten noch nicht in Erfahrung bringen, ob wir einen PCR Test, einen Antigen Test oder sonstige Unterlagen benötigen. Die Schlange an der Abfertigung ist extrem lang und irgendwie geht auch nichts vorwärts. Kurz vor uns stehen zwei Reisende aus der französisch sprechenden Schweiz und wir können uns etwas austauschen. Es ist Anfangs nicht ersichtlich, warum sich nichts bewegt….aber dann, natürlich, es ist Siesta. Egal was hier für Massen stehen, die Siesta ist heilig. Zwei Stunden werden dafür benötigt, auch dann dauert es noch weitere fünf!!!! Stunden bis wir dran sind. Die eigentliche Abfertigung ist in wenigen Minuten erledigt. O.K. dann mal weiter zur Einreise nach Chile. Komischer weise haben sich die Massen verteilt und hier geht alles relativ schnell von statten. Nur unser Feuerholz wird uns bei der Lebensmittelkontrolle abgenommen. Alles andere hatten wir relativ gut versteckt. Wegen der Bekämpfung der Fruchtfliege verstehen sie hier keinen Spaß und wir haben schon von anderen gehört, dass sie den Kindern die Buntstifte weggenommen haben.
 
Wir dürfen Chile nur im Transit bereisen, das heißt für uns, dass wir innerhalb von 24 Stunden das Land wieder verlassen haben müssen. Kein Problem, die Strecke ist nur etwa 250 Kilometer lang. Wir fahren noch ein Stück und stellen uns direkt an der Magellanstraße auf die Klippen. Ein gigantischer Platz angesichts der Historie um diesen Fleck Erde. Leider hält unsere Euphorie nicht allzu lange an. Der patagonische Wind macht den schönen Platz zu einem schlecht gewähltem und die Nacht zu einer Schlaflosen. Mehrfach stehe ich auf und kontrolliere, ob wir nicht doch rückwärts in Richtung Klippen rollen. Die Kabine schwankt und schaukelt, als wären wir schon im Wasser. Selbst Frank, der mit kaum etwas aus der Ruhe zu bringen ist, schaut immer wieder verstohlen aus dem Fenster. Heute gibt er alles, der gefürchtete Sturm.
 
Wir sind recht früh am Morgen auf den Beinen und nach einem schnellen Frühstück innerhalb kürzester Zeit startklar. In der Ferne sehe ich etwas wackeln und nach einiger Zeit ist zu erkennen, dass ein Mensch in unsere Richtung läuft. „So ein Quatsch, wir sind mitten im Nichts, wo soll hier einer herkommen“, ist Frank sein Kommentar. Ich sage jetzt mal nichts dazu….und nach einer kleinen Weile passiert uns ein ziemlich alter Mann mit einem abgewetzten Rucksack. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir ihn mitnehmen, schließlich sind es bis zur Straße noch sechs Kilometer. Ich gehe nach hinten in die Kabine und er steigt kopfschüttelnd ein. Wahrscheinlich hat ihn noch nie jemand mitgenommen. Stocksteif sitzt er völlig ehrfürchtig und zahnlos grinsend auf dem Beifahrerplatz. Mit Händen und Füßen erfahren wir, dass er zum Arzt muss und da der in unserer Richtung ist, nehmen wir ihn nicht nur bis zur Bushaltestelle an der Hauptstraße mit, sondern auch noch die restlichen zwanzig Kilometer. So kann er sich das Geld für den Bus sparen und ist viel eher am Ziel. Er winkt uns nach, bis wir ihn und er uns nicht mehr sehen kann. Für ihn ist der Tag gelaufen und wir haben für heute unsere gute Tat vollbracht.
 
Die Fähre über die Magellanstrasse und die Grenzformalitäten zur Ausreise aus Chile und Wiedereinreise in Argentinien sind ohne Hürden und in kurzer Zeit erledigt. Auch unsere französischen Leidensgenossen treffen wir hier wieder. In Rio Grande füllen wir noch einmal unsere Vorräte auf und dann beginnt der Endspurt. Erst geht es durch trostlose Einöde, aber zwei Autostunden vor unserem großen Ziel verändert sich die Landschaft merklich. Es wird grüner, es wird bergiger, es wird einfach landschaftlich schön. Und dann kommt der große Moment, wir durchfahren das Stadttor von Ushuaia. Wir sind am „Ende der Welt“ angekommen, in der südlichsten Stadt. Hallelulia, was für eine Anfahrt, wir haben es geschafft. Doch keinen außer uns interessiert das wirklich. Keine Fanfaren, kein roter Teppich. Nur wir strahlen wie die "Honigkuchenpferde" von einem Ohr zum anderen.
 
Nach den obligatorischen Fotos fahren wir direkt in den Hafen und schon von Weitem sehen wir viele Reisende hier stehen. Darunter auch einen übergroßen Scania-LKW, von einem Argentinier. Den hatten wir unterwegs schon getroffen und so stellen wir uns direkt daneben. Wir quasseln mal links, mal rechts und stellen fest, dass wir die einzigen Europäer hier sind. Heute erkunden wir noch einige Querstraßen der Stadt und dann genießen wir die Stimmung am Hafen. Es ist ziemlich kalt, aber dick eingepackt sitzen wir draußen bei einem Bier. Uns gegenüber liegen die Kreuzfahrtschiffe, rechts, links und hinter uns erheben sich die Berge. Was für eine Kulisse, und wir mittendrin.
 
Der Jahreswechsel 21/22 ging ziemlich ruhig von statten, aber dennoch irgendwie mit einem Gänsehautgefühl. Knallerei ist hier völlig verboten, wegen der Tiere. Aber Punkt zwölf dröhnen die Hörner der Kreuzfahrtschiffe tief dröhnend durch die Bucht und mehrere Signalraketen steigen in den Nachthimmel. Lautes Klatschen und Jubelrufe begleitet das Ganze. Wir stehen mit Miguel und Maria, der Scania Besatzung ehrfürchtig am Wasser. Was für ein Moment.
 
Übrigens, die Bücher zu den vorangegangenen Touren erhalten sie im Shop unter: www.paula-on-tour.de
 
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