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Unterbringung von Flüchtlingen: Kreis sucht nach Lösungen

Görlitz. Ein neues Unterbringungskonzept soll dafür sorgen, dass Asylbewerber im Landkreis Görlitz fairer verteilt und untergebracht werden. Statt ständig temporär neue Plätze schaffen zu müssen, will man dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten.

Blick in ein Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Landkreis Görlitz.

Blick in ein Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Landkreis Görlitz.

Bild: Landratsamt Görlitz

Der Kreis will bei der Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr nur reagieren, sondern agieren und hat dazu ein Unterbringungskonzept entwickelt, dass es am 18. Oktober auch durch den Kreistag schaffte. »Es ist ein Thema, dass uns hier im Kreis und in allen Kommunen sehr fordert«, sagt Landrat Dr. Stephan Meyer. Deswegen sei er auch ungehalten, dass sich auf Bundesebene alles so hinziehe. »Es gibt auch nach wie vor keine Antwort auf den Brief, den ich der Bundesinnenministerin geschrieben habe.« Es gebe auch keine Signale. Offenbar sei bei Frau Faeser Nichtkommunizieren die Strategie, so Meyer.

 

Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat sich im Oktober mit Forderungen an den Bund gewandt. Im Vorfeld habe sich Ministerpräsident Michael Kretschmer mit den Landkreisen abgestimmt, um deren Sichtweisen einbringen zu können, berichtet der Landrat. Dabei ging es beispielsweise um mehr Tempo bei den Asylverfahren. »Wenn ich weiß, dass keine Bleibeperspektive besteht, muss ein Verfahren schneller zu Ende kommen können«, so Meyer. Er halte es auch für zwingend notwendig, Sozialleistungen europaweit anzugleichen.

 

So ist der Stand

 

Derzeit leben im Landkreis rund 1800 Asylbewerber (Stand: September 2023). Die Kreisverwaltung rechnet damit, dass die Zahl bis Jahresende auf 2000 steigt. Die Menschen kommen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, aber auch aus der Türkei, Venezuela und anderen Staaten. Nicht mit eingerechnet sind hier Menschen aus der Ukraine, die wegen des Krieges aus ihrer Heimat geflohen sind. Aktuell leben rund 3000 Ukrainer im Landkreis.

 

Untergebracht sind Asylbewerber sowohl dezentral in Wohnungen als auch in Gemeinschaftsunterkünften. Das Verhältnis liegt bei 50/50 und der Kreis will das auch so beibehalten und weiterhin vor allem Familien in Wohnungen unterbringen. Gemeinschaftsunterkünfte gibt es derzeit drei in Zittau, zwei in Löbau, eine in Niesky, eine in Friedersdorf (Neusalza-Spremberg) und eine in Boxberg. Auf dem Flugplatz in Görlitz wird im November eine Unterkunft eröffnet.

 

Nicht in Turnhallen

 

Man rechnet damit, dass zukünftig bis zu 2500 Asylbewerber untergebracht werden müssen. Bei dieser Zahl, die einem Prozent der Bevölkerung des Kreises entspricht, liegt aus Sicht der Kreisverwaltung auch das handhabbare Maximum. Dafür auf längere Zeit verfügbare Plätze zu schaffen, dürfte schwer werden, wie die aktuelle Situation zeigt. Derzeit ist der Kreis händeringend auf der Suche nach neuen, kurzfristig verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten, um die ihm bis zum Jahresende zugewiesenen Asylbewerber unterbringen zu können. Dafür zieht man Immobilien in Rosenthal (Hirschfelde) und Ebersbach-Neugersdorf in Betracht, stößt aber auch zunehmend auf Widerstand. »Wir sind gesetzlich zur Unterbringung verpflichtet, finden aber in den Kommunen nicht mehr überall die Bereitschaft, uns dahingehend zu unterstützen«, so Landrat Meyer.

 

Eines will die Verwaltung dringend vermeiden: Turnhallen als Notunterkünfte. Dies sei das allerletzte Mittel. Auch deshalb wurde das Konzept erstellt, um eben in Zukunft nicht immer ad hoc nach Unterbringungsmöglichkeiten suchen zu müssen. Es sollen auf Sicht dauerhafte Lösungen her. Ziel ist dabei auch, die Gemeinschaftsunterkünfte, die aktuell sehr im Süden konzentriert sind, fairer zu verteilen. Die Unterkünfte in Boxberg und auf dem Flugplatz in Görlitz sind nur temporäre Lösungen für zwei Jahre. Auch eine Unterkunft in Rosenthal oder Ebersbach wäre eine Übergangsvariante für ebenfalls zwei Jahre. Um ausgeglichen über das Kreisgebiet verteilte Lösungen zu finden, kommt also einiges an Arbeit auf den Kreis zu.

 

Ein Heim pro Planungsraum

 

Die Kreisverwaltung rechnet in den kommenden Jahren damit, bis zu 2500 Asylbewerber unterbringen zu müssen. Die Weltlage lässt aktuell einfach nicht den Schluss zu, dass die Fluchtbewegungen signifikant nachlassen werden. Durch das anvisierte Unterbringungsverhältnis von 50/50 (zentral in Heimen und dezentral in Wohnungen) plant man in dem neuen Unterbringungskonzept also mit rund 1250 benötigten Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften. Für die hat man auch eine Größe definiert. Sie sollen zwischen 150 und 250 Plätzen bieten, was die Heime wirtschaftlich betreibbar, gleichzeitig aber auch beherrschbar mache. Großunterkünfte mit 400 oder mehr Plätzen will man nicht.

 

Wo aber sollen diese Plätze vorgehalten werden? Zum einen sollen natürlich bestehende Heime bleiben, wenn auch nicht alle. In Boxberg bleibt es bei der Befristung auf zwei Jahre. Die Unterkunft sei für langfristige Nutzung ungeeignet, erklärt der zuständige Beigeordnete Thomas Gampe. Das gilt auch für das neue Heim am Görlitzer Flugplatz. Niesky erfüllt zwar nicht ganz die Vorgaben in Sachen Kapazität (nur knapp 100 Plätze), der Kreis will aber an der Einrichtung festhalten. Die beiden Einrichtungen in Löbau sollen ebenso bleiben wie die in Friedersdorf, auch wenn die mit 60 Plätzen ähnlich wie Niesky die im Konzept festgelegten Kriterien nicht erfüllt. »Anfänglich gab es auch in Friedersdorf Proteste, mittlerweile hat die Einrichtung aber einen sehr guten Ruf und ist sehr gut geführt«, sagt Thomas Gampe. In Zittau gibt es derzeit drei Einrichtungen, eine davon soll perspektivisch aufgegeben werden, sobald es eine Alternative gibt. Das macht summa summarum 860 Plätze, die dauerhaft zur Verfügung stehen. Es müssten also rund 400 neu geschaffen werden.

 

Neue Unterkünfte in Görlitz und im Norden

 

Dabei richtet der Kreis zwecks der bereits erwähnten fairen Verteilung den Blick auf die fünf Planungsräume im Landkreis: Weißwasser, Niesky, Stadt Görlitz, Löbau und Zittau. Der Planungsraum Görlitz bezieht sich dabei wirklich nur auf das Stadtgebiet, die anderen umfassen die genannte Stadt und das Umland. Auch hier nimmt die Verwaltung die schon bei der Gesamtzahl herangezogene Ein-Prozent-Marke als Grundlage. Je Planungsraum sollen maximal so viele Flüchtlinge zentral und dezentral untergebracht werden, wie ein Prozent der Bevölkerung in diesem Gebiet ausmacht.

 

Pro Gebiet soll es aber mindestens eine zentrale Einrichtung geben. Löbau, Zittau und Niesky erfüllen das schon, Weißwasser und Görlitz nicht (da die Unterkünfte in Boxberg und Görlitz befristet sind).

 

Wo neue Unterkünfte in den Planungsräumen konkret entstehen könnten, steht aktuell in den Sternen. Denn derzeit ist das Konzept nicht mehr als genau das: Ein Konzept, ein Plan für eine zukünftige Ausrichtung. Die Kreisverwaltung will im November mit allen Bürgermeistern der Planungsräume erste Gespräche führen.

 

Was sich der Kreis in dem Konzept auch auf die Fahnen geschrieben hat, ist eine frühere und bessere Kommunikation in der Thematik sowohl in Richtung der betroffenen Gemeinden, Bürgermeister und Stadt- bzw. Gemeinderäte, aber auch mit den Einwohnern.Und zwar, bevor es entsprechende Entscheidungen gibt. »Uns ist bewusst, dass das Thema insgesamt sehr kritisch gesehen wird. Durchaus zu Recht. Es ist durch Nichthandeln sehr viel politisches Porzellan zerschlagen worden. Genau deshalb haben wir uns Gedanken gemacht, um diese Pflichtaufgabe in Zukunft besser organisieren zu können«, sagt Thomas Gampe.


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