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Apotheken wehren sich gegen Zukunftsklau

Zittau. Bei einem Protesttag am 14. Juni bleiben die meisten Apotheken geschlossen. Mit der Aktion will man die Politik auf die Probleme aufmerksam machen, mit denen die Apothekerschaft aktuell zu kämpfen hat.
Das aktuell größte Problem: Lieferengpässe bei Medikamenten.

Das aktuell größte Problem: Lieferengpässe bei Medikamenten.

Bild: Pixabay

Am 7. Juni ist wieder Tag der Apotheken. Der rückt in diesem Jahr aber eher in den Hintergrund, viel wichtiger ist der 14. Juni. Da wollen die Apotheken mit einem Protesttag auf die vielen Probleme aufmerksam machen und so endlich aufs Radar der Politik kommen. Der Plan: Die Apotheken schließen an dem Tag. Die Kunden werden in Notfällen natürlich nicht hängengelassen. Sie bekommen ihre Medikamente aus der jeweiligen Notdienst-Apotheke. »Gegen Zukunftsklau« heißt die Aktion.

 

Das dringlichste Problem sind die seit langem anhaltenden Lieferengpässe. »Bei ganz normalem Penicillin habe ich aktuell Glück, wenn ich aller ein bis zwei Wochen mal eine Schachtel bekomme«, sagt Apothekerin Sigrid Augustin von der Zittauer Carolus-Apotheke. Die Liste der Artikel, die sie täglich zu bestellen versucht, aber nicht bekommt, hat inzwischen mehrere hundert Einträge. »Wenn ich etwas nicht bekomme, rufe ich zunächst andere Apotheken in der Umgebung an und frage, ob die mir diesbezüglich aushelfen können«, so Augustin. Klappt auch das nicht, wird der Arzt angerufen. Dann muss, wenn möglich, auf ein anderes Präparat ausgewichen werden. Alles zusätzlicher Aufwand, den die Apotheken nicht honoriert bekommen.

 

Das bestätigt auch Apothekerin Gudrun Scholze von der Pluspunkt-Apotheke in Görlitz. 200 Artikel waren für sie im Mai nicht zu bekommen. Dann heißt es auch für sie, Alternativen suchen und mit Ärzten telefonieren. Das sorgt nicht nur beim Kunden für viel Frust und Unverständnis. »Ich muss jede Rezeptänderung vom Arzt abzeichen lassen. Das ist für uns und natürlich auch für die Arztpraxen zusätzlicher Arbeits- und Kostenaufwand«, so Scholze. Gefordert wird hier mehr Handlungsspielraum. Sigrid Augustin nennt ein Beispiel: Ein Arzt verschreibt zehn Tabletten von Medikament XY. In der Apotheke ist aber nur eine Packung mit 12 Tabletten vorhanden. Also darf das Ganze nicht herausgegeben werden, weil die vom Arzt verschriebene Menge überschritten werden würde.

 

Honorar bisher nicht angepasst

 

Ein weiteres Problem ist das Honorar, ein Festbetrag, den die Apotheken pro abgegebenem verschreibungspflichtigem Medikament von den Krankenkassen erhalten. Das Honorar wurde seit 2004 nicht an die steigenden Kosten angepasst. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fordert eine adäquate Erhöhung. »Außerdem sollte es nicht wie jetzt ein starrer Zuschuss sein, sondern sich flexibel an die Preisentwicklungen anpassen«, findet Sigrid Augustin. Denn: In den vergangenen Jahren stiegen nicht nur die Betriebskosten, sondern auch die Lohnkosten (Tariferhöhung). Die Einnahmen sanken dagegen.

 

Eine weitere Belastung sind Retaxationsverfahren. Dabei verweigert die Krankenkasse die Erstattung für ein ausgegebenes Medikament, weil zuvor ein Fehler aufgetreten ist. Zwei Beispiele: Ein Arzt stellt ein Rezept aus, vergisst aber zu unterschreiben und die Apotheke übersieht es. Oder es fehlt die Kennzeichnung bei einer Überschreitung der vorgegebenen Höchstmenge. Solche Fehler führen zur Retaxation. Heißt: Die Apotheke bleibt teilweise oder komplett auf den Kosten für das Medikament sitzen. Die ABDA fordert, dass hier sachlicher gehandelt wird und die Retaxationsverfahren reduziert werden. Vor allem vollständige Verweigerung der Bezahlung des Preises des abgegebenen Arzneimittels sollen verboten werden. "Wir kontrollieren jedes Rezept doppelt, damit solche Fehler nicht passieren", sagt Gudrun Scholze. Schließlich sollen alle Mitarbeiter nachts ruhig schlafen können. Und trotzdem kommt es vor, dass mal etwas übersehen wird. Das Problem: Es gibt keinen Spielraum, keine Möglichkeit, "das Rezept zu heilen", wie es Gudrun Scholze formuliert.

 

Überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel - es ließen sich noch mehr Probleme benennen. Gerade deswegen will man mit dem Protesttag in die Offensive gehen. "Das in Deutschland bereits vorherrschende Apothekensterben ist noch nicht im Landkreis angekommen. Wenn es so weitergeht, wird das aber nicht mehr lange dauern", sagt Sigrid Augustin. Die Probleme summieren sich, deswegen müsse man jetzt etwas tun. "Unser Anliegen ist, bei der Politik endlich Gehör zu finden."


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