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Birgit Branczeisz

Sachsen will mehr Cannabis liefern

Naunhof. Einziger deutscher Hersteller von Medizin-Cannabis steht in den Startlöchern für mehr.

Sachsens Cannabis-Blüten sind auf dem Weg nach Frankfurt am Main. Diesen Montag und Dienstag haben die Gärtner der größten Indoor-Plantage in Naunhof bei Radeburg Blüten gepflückt. Medizin-Cannabis. Das Wort »Gärtner« irritiert ein wenig, denn mit gärtnern hat das, was im einst größten und modernsten Schlachthof Europas passiert, wenig zu tun. Es sieht eher nach Laborarbeit im Hochsicherheitstrakt aus. Genau das ist es auch.

Pressesprecher Franz Großmann lacht. Der junge Mann führt durch Gänge und Schleusen. Er zeigt auf eine Panzertür. »Das ist die dieselbe Tür wie für die Goldreserven in Deutschland, aber hier geht`s um eine Pflanze«, grinst er. Mit Overall, Mundschutz, Handschuhen und Haarnetz stehen wir nun vorm Tagesgitter der Anlage - Knastlook. Die Wände bestehen aus 24 cm dickem Stahlbeton. Da wo einst Rinder- und Schweinehälfte von der Decke hingen, sind die Wände 56 cm stark. Vibrationssensoren melden, falls jemand auf die Idee kommt, einen Tunnel zu graben.

Gärtnern im Bunker – in gleisendem Licht von Natrondampflampen und im exakten Tag- Nachtrhythmus, mit riesigen Tanks und Mitarbeitern, die ph-Werte kontrollieren und Nährlösungen mixen. Am Tropf hängen 600 Cannabispflanzen pro Raum. Jede einzeln in einen Steinwolle-Würfel gesetzt. Ganz clean. »Wir gaukeln den weiblichen Pflanzen was vor, sage ich immer« lacht Franz. Denn die wollen sich fortpflanzen und bilden Harz aus, damit die Samen kleben bleiben. Nur, in diesem Harz befindet sich auch das rauschhaltige THC. Weil aber keine Samen durch die Luft fliegen, bilden die Cannabis-Damen immer mehr Wirkstoff aus. Aber schließlich holt sich der Mensch die satt gefüllten Blüten.

 

Wer soll das denn überprüfen?

Demecan züchtet die Sorten Bubba Kush, (21% THC) und Orange Velvet (17% THC). Letztere haben ein kräftiges Zitrus-Orangen-Aroma. Wichtiger als der Duft ist die schmerzlindernde, muskelentspannende Wirkung. Schmerzpatienten, seien es Nerven-oder Tumorleiden, ADHS-Patienten oder Spastikern helfen sie, ersetzen die Chemie. Anders als da gibt aber nicht die EINE Tablette – jeder Mensch reagiert auf Wirkstoffe individuell. Das muss der Arzt mit dem Patienten testen.

Wird Demecan mit einer Legalisierung von Cannabis richtig loslegen und auch in den Freizeitmarkt einsteigen? Geschäftsführer Dr. Philipp Goebel zuckt mit den Schultern: »Aktuell produzieren wir für die Cannabisagentur des Bundes wie vorgegeben 1 Tonne Cannabis. In unserer Anlage könnten wir sofort 2 Tonnen herstellen und wir haben freie Flächen für 4 Tonnen. Das heißt, wir haben Infrastruktur, die wir nicht nutzen dürfen.« Stattdessen importiert Demecan Blüten aus Kanada, Südafrika, Dänemark zum Verarbeiten.

Zwei Drittel des Umsatzes kamen 2022 aus Importware. »Ein Antrag für mehr Anbau läuft – wir gehen davon aus, dass er abgelehnt wird“, so Goebel. Auch wenn in Naunhof ausschließlich Medizin-Cannabis für den Staat hergestellt wird – Demecan bereitet sich auf neue Wege vor. Denn Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant zunächst »Social-Clubs« als Leaglisierungstest. Anbauvereine, die strengst beauflagt und mit Präventionsbeauftragten Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben können.

Abgeben - 250 Meter entfernt von Schulen, Kitas, Sportplätzen, Jugendclubs, in vorgeschriebenen Mengen, zu den richtigen Zeiten und an die Leute im richtigen Alter. Und das sollen die "Social Clubs" auch noch alles selbst dokumentieren. Wer das kontrollieren soll, von der Qualität der angebauten Cannabis-Blüten ganz zu schweigen, da hat Dr. Goebel so seine Zweifel.

In Naunhof könnte er den »Clubs« immerhin Räume und vor allem Know-how anbieten – wenn der Gesetzgeber denn will. Über 420 Tonnen Cannabis werden in Deutschland privat vom Schwarzmarkt konsumiert, medizinisch gerade mal 12 Tonnen. Das zeigt, wie riesig der Unterschied zum illegalen Markt ist und die groß die Interessen dahinter sind.

Das Anliegen, dem Schwarzmarkt diese Macht zu entziehen, findet Dr. Philipp Goebel grundsätzlich richtig. Allerdings begibt sich der Staat als Dealer auch in die Pflicht für sein Tun und damit in die Kosten. Denn harmlos ist das Ganze nicht. Wer unter 21 anfängt zu kiffen, hat später häufiger Psychosen, da ist sich die Wissenschaft einig. Aber vor allem Jugendliche würden zugreifen. Vieles ist wie so oft nicht durchdacht. Wie ist das z.B. mit Autofahren, wenn Cannabis derart unterschiedlich wirkt? Sind wir auf die praktischen Folgen vorbereitet? „Da muss die Politik Antworten finden“, sagt Goebel.

 

Weitere Infos unter: www.demecan.de

 


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