Stefan Staindl

Magie der Weihnachtslieder

Elsterwerda. Jedes Jahr verzaubern sie die Menschen aufs Neue - Weihnachtslieder. Kantor Ronny Hendel aus dem Pfarrbereich Elsterwerda spricht über dieses Wunder.

Kantor Ronny Hendel spricht über den Zauber der Weihnachtslieder.

Kantor Ronny Hendel spricht über den Zauber der Weihnachtslieder.

Bild: Pixabay/FF

Wenn Sie an Weihnachtslieder denken: Welches Lied fällt Ihnen da sofort ein?

»Ich steh an deiner Krippen hier«, weil ich darüber vor Kurzem einen Text für unseren Gemeindebrief »Denkste dran…« geschrieben habe, da es eines meiner Lieblingslieder ist.

Alljährlich werden am Heiligen Abend in den Kirchen und in den Häusern mit großer Hingabe Weihnachtslieder angestimmt und aus tiefstem Herzen gesungen. Worin liegt der Zauber von Weihnachtsliedern?

Der Zauber entsteht allein schon durch die außergewöhnliche Atmosphäre der Advents- und Weihnachtszeit, die durch die entsprechend geschmückten Wohnstuben, Kirchen, Dörfer und Städte entsteht. Als Alternative zu Freiluftaktivitäten ist Singen oder wenigstens das Anhören von Weihnachtsliedern selbstverständlich in familiären Kreisen und in den Kirchengruppen soundso. Viele Menschen ohne konfessionelle Bindung sehen die Weihnachtslieder als wichtiges Kulturgut, die einfach in dieser Zeit dazugehören, was selbst Singmuffel dazu bringt diese Lieder anzustimmen. Da spielen dann sicher die positiven Kindheitserfahrungen und -erinnerungen einen sehr wichtigen Part. Und das führt automatisch zu einer inneren Einstellung der Menschen Singen zu wollen. In keiner anderen Kirchenjahreszeit, wie Ostern oder Pfingsten ist das ja so ausgeprägt wie in der Advents- und Weihnachtszeit. Auch zu den anderen Zeiten wird natürlich gern und viel gesungen, aber da gibt es für Menschen ohne Kirchenbindung kaum Berührungspunkte zu Liedern, die eigentlich Kirchenlieder sind.

Insgesamt gibt es einen größeren Fundus an Weihnachtsliedern, als zu den anderen (Kirchen-)Jahreszeiten, wobei viele der Weihnachtslieder keinen religiösen Schwerpunkt haben, sondern sich allgemein mit Winter und weihnachtlicher Atmosphäre beschäftigen oder wo die christliche Thematik sehr unaufdringlich erscheint, wie in »Leise rieselt der Schnee« oder »Süßer die Glocken nie klingen«. Sobald das Stichwort »Engel« auftaucht, gibt es einen unproblematischen Anknüpfungspunkt für fast Jeden.

Was zieht die Menschen mehr in den Bann: Die Melodie oder der Text eines Weihnachtsliedes?

Das ist sehr individuell. Ich vermute, dass es häufiger die Melodie ist, da dadurch die Gefühlsebene angeregt wird.

Inwieweit spielt bei dem Thema »Weihnachtslied-Magie« das gemeinsame Singen mit und unter Menschen eine Rolle?

Die Erfahrung, dass allgemein Singen Gemeinschaft fördert, ist ein weiterer wichtiger Zusatz zu den bereits beschriebenen Gedanken.

Das bekannteste Weihnachtslied ist »Stille Nacht, heilige Nacht«. Warum hat es solch eine Berühmtheit erlangt?

Das lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Was genau den Reiz des Liedes für die Menschen besonders in seiner Entstehungszeit ausmacht, der ja für die weite Verbreitung verantwortlich ist, wird nirgends beschrieben. Rein musikalisch gesehen ist es vielleicht der Verlauf der Melodie, die im heute gewohnt langsamen Tempo eine große Ruhe ausstrahlt und für viele Menschen das Bild der »Stillen Nacht« hervorruft, was die weit ausschwingenden Tonfolgen gegen Ende umso emotionaler wirken lässt. Gern hätte ich gehört, wie das Original damals 1818 tatsächlich geklungen hat, bei dem das Lied nur zweistimmig und mit Gitarre begleitet wurde. Das Tempo war wahrscheinlich schneller als wir es im Ohr haben, wodurch der quasi hymnische Charakter mehr volksliedhaft wird. Und dieses österreichisch-volksliedhafte hat wohl auch einen Anteil an der Beliebtheit des Liedes. Zudem spielt die Entstehungslegende eine Rolle: die Orgel fiel just an Weihnachten aus und Pfarrer und Kantor überlegten, wie sie die Messe musikalisch gestalten und den Menschen eine besondere Freude machen könnten. Da holte Joseph Franz Mohr einen Text hervor, der schon zwei Jahre in seiner Schublade lag und bat Franz Xaver Gruber um eine Vertonung. Das könnte so oder so ähnlich gewesen sein. Aber damals waren die Texte der katholischen Messen streng lateinisch und eine Gitarre als Begleitinstrument galt als unangemessen und war ausgeschlossen. Vermutlich haben die beiden Männer das Lied einfach nach der Messe gesungen. Aber was wäre die Weihnachtszeit ohne Märchen und Legenden?

Weihnachtslieder, so möchte man meinen, sind bei den Gläubigen gleich. Doch es gibt Unterschiede - etwa zwischen den Protestanten und den Katholiken. Können Sie uns einen kleinen Einblick geben?

Tatsächlich ist es so, dass sich gerade bei den Advents- und Weihnachtsliedern in beiden Gesangbüchern sehr viele gleiche Lieder finden lassen. Seit den 1960ern gibt es Annäherungsschritte der beiden großen Kirchen. Und auf generellem musikalischem Gebiet sind die ökumenischen Bestrebungen sehr weit vorangekommen und haben eine Vereinheitlichung von katholischem und protestantischem Liedgut bewirkt. Unterschiede bestehen inhaltlich hauptsächlich im Verständnis des Abendmahls und in der Marienfrömmigkeit, die im protestantischen Bereich weit weniger ausgeprägt ist.

Wenn Sie selbst ein Weihnachtslied komponieren müssten: Was ist für Sie das Geheimnis eines guten Weihnachtsliedes?

Da bräuchte ich zunächst einen Text, der in mir die Musik anregt. Diese braucht hauptsächlich eine einprägsame Melodie, die entweder besinnlich oder fröhlich klingt, eventuell auch kombiniert. Ein bisschen klanglicher Zuckerguss darf auch gern dabei, ohne einen Zuckerschock zu verursachen.

Welches Weihnachtslied ist Ihr persönliches Lieblingslied?

Ich habe kein bestimmtes Lieblingslied. Dieses Jahr sind es das bereits das erwähnte »Ich steh an deiner Krippen hier« und »Vom Himmel hoch, da komm ich her«. Beide drücken inhaltlich sehr pointiert aus, was Weihnachten aus christlicher Sicht ausmacht: zum einen in »Vom Himmel hoch« hat Martin Luther die biblische Weihnachtsbotschaft in Strophenform gebracht: Gott wird Mensch und die sich daraus ergebenden Folgen. Luther hat damit, wie so oft, die Weihnachtsbotschaft pädagogisch aufbereitet. Bei »Ich steh an deiner Krippen hier« ist der Text von Paul Gerhardt und beim Singen stehe ich als Sänger an der Krippe und kann dem spirituellen Gehalt der Worte sehr genau nachspüren, den Gerhardt mir gleichsam in den Mund legt. Dieses »An-der -Krippe-stehen« beeindruckt mich immer wieder.

Im Volksmund werden ab dem Advent weihnachtliche Weisen angestimmt. Dabei beginnt Weihnachten erst am 25. Dezember - dauert dafür aber 40 Tage und endet erst mit Mariä Lichtmess am 2. Februar. Im Gesangsbuch gibt es eine klare Aufteilung zwischen Advents- und Weihnachtsliedern. Worin unterscheiden sich beide Liedgruppen?

Während die Weihnachtslieder von der Geburt Jesu und dem daraus resultierenden Heilsgeschehen erzählen, haben die Adventslieder als inhaltlichen Schwerpunkt das Warten und die Vorbereitung auf das Kommen des Messias. Zum einen knüpft die Adventszeit, mit der ja das jeweilige neue Kirchenjahr beginnt, damit an das Ende des alten Kirchenjahres an, da das Warten auch auf die endzeitliche Ankunft gerichtet ist. Zum anderen ist es dann auch das Warten auf die Geburt Jesu. Ursprünglich ist die Adventszeit eine Fastenzeit, wie die sieben Wochen vor Ostern. Somit wäre Weihnachten nicht der End- und Höhepunkt der Weihnachtszeit, sondern der Beginn der Freudenzeit bis 2. Februar.

Ihr letztes Wort...?

Fröhliche Weihnacht überall!


Meistgelesen