Silke Richter

Lebendiger Austausch um den Tod

Hoyerswerda. Sterben ist immer noch ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft. Rituale und Trauerarbeit waren jetzt Themen in der Stadtbibliothek.
Chefarzt Frank Dietrich war zur Veranstaltung »Ethik und Literatur« in der Stadtbibliothek zu Gast.

Chefarzt Frank Dietrich war zur Veranstaltung »Ethik und Literatur« in der Stadtbibliothek zu Gast.

Bild: Silke Richter

Ist Sterben schön? Eine Frage, die sich wohl kaum richtig beantworten lässt. Die Antworten darauf müssen aber nicht immer negativ behaftet sein. Eine Veranstaltung rund um dieses Thema in der Brigitte-Reimann-Stadtbibliothek zeigte, dass es sich durchaus lohnen kann, darüber zu philosophieren, mehr zu erfahren und sich selbst auch Gedanken um die eigene Vorsorge zu machen.

Unter dem Motto »Ethik und Literatur« stand die etwas provokant gewählte Überschrift »Die Radieschen von unten – ist sterben etwas Schönes?« auf dem Programm. Im Rahmen der »Offenen Werkstatt für Demokratie« unter Leitung von Julia Kieschnick war der Chefarzt des Lausitzer Seenland Klinikums und Vorsitzender der Ethikkommission, Frank Dietrich, zu Gast. Christian Völker-Kieschnick moderierte die Veranstaltung, zu der über 30 Besucher gekommen waren. Die aufgestellten Sitzplätze reichten gerade so.

Es war eine Kombination aus vorgetragenen, herzerfrischenden Passagen, die in dem Buch »Die Radieschen von unten« mit Kindermund beschrieben waren und herrlich unkompliziert, manchmal auch sehr lustig über das Sterben, den Tod, die vermeintliche Unsterblichkeit und das pure Leben berichteten. Christian Völker-Kieschnick berichtete zudem über seine eigenen Erfahrungswerte. Der Familienvater hat im Alter von 13 Jahren seinen Vater verloren. »Der Friedhof war damals für mich kein Ort zum Trauern. Das kam erst später«, berichtete der Hoyerswerdaer.

Für Chefarzt Frank Dietrich waren die Urnen-Gemeinschaftsgräber auf dem Waldfriedhof in Kühnicht eine Premiere: »Als ich nach Hoyerswerda gekommen war, habe ich solche Anlagen zum ersten Mal gesehen. Ich kannte das nicht«, berichtete der Pathologe. Die so genannte »Grüne Wiese«, auf der Verstorbene anonym und ohne Namen beigesetzt werden, findet Frank Dierich »schwierig«. Für den Datenschutz sei das aber gut, warf Christian Völker-Kieschnick humorvoll ein und hatte ein lachendes Publikum auf seiner Seite.

Es ginge aber auch sehr modern. So sei heutzutage die Anbringung von QR-Codes auf Grabsteinen möglich, die nach Aktivierung direkt zur Internetseite oder auf das Profil in sozialen Medien führen. Und schon stand das nächste Thema »Digitales Erbe« im Mittelpunkt.

Einige Besucher schilderten ihre eigenen Erfahrungen. So beschrieb eine Frau, dass sie gern auch die letzten aufgesetzten Sätze ihrer verstorbenen Mutter hätte wissen wollen, um den Abschied von ihr so gestalten zu können, wie sie es sich zu Lebzeiten gewünscht hatte. Das darüber Reden bis in letzter Konsequenz gehört aber auch heute immer noch zu den Tabuthemen. »Wichtig ist auch, was ich möchte, was hinterlasse ich und was mute ich meinen Angehörigen zu«, erklärte Chefarzt Frank Dietrich und berichtete am Beispiel eines Friedwaldes, sich eine Beisetzung dort genau zu überlegen. Sei doch nicht absehbar, in welchem Gesundheitszustand sich die Angehörigen befinden, um unversehrt an das Grab zu gelangen.

Umrahmt wurde die Veranstaltung mit musikalischen Beiträgen von Gerhard Gundermann, die von Christian Völker-Kieschnick vorgetragen wurden. In dem Lied »Einmal« heißt es: »Einmal bleiben morgens meine Schuhe leer…« Ein Satz, der mit seiner Vergänglichkeit auf jeden zutrifft. Unabänderlich.

 

 

Nächstes Dialog-Café im November

  • 13. November, 17 Uhr: Stadtbibliothek Hoyerswerda, Eintritt frei

Bibliotheksmitarbeiterin Anne Nitschke erzählt von ihrem Werdegang, ihren Büchern und ihrer Geschichte.


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