Sascha Hache

Ermunterung zu aktiver Teilhabe an der Demokratie

Bundespräsident Joachim Gauck hat am vergangenen Freitag in Begleitung des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich Bautzen besucht. Während der sechsstündigen Stippvisite stand u.a. ein Diskussionsforum mit Bürgern der Region auf dem Programm.
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Miteinander reden und seinem Gegenüber zuhören – dies praktizierten Bundespräsident Joachim Gauck (links) und Christian Haase (rechts) als Lehrstück für gelebte Demokratie. Foto: Stadtverwaltung

Miteinander reden und seinem Gegenüber zuhören – dies praktizierten Bundespräsident Joachim Gauck (links) und Christian Haase (rechts) als Lehrstück für gelebte Demokratie. Foto: Stadtverwaltung

Bundespräsident Joachim Gauck: „Bombardieren Sie Ihre Abgeordneten mit Fragen und Hinweisen“

Zum Beginn seines Besuchs trug er sich in das Goldene Buch der Stadt Bautzen ein. Danach informierte er sich bei einem Treffen mit Bürgermeistern aus der Region darüber, wie die Flucht vieler Menschen nach Deutschland die Debatte in den Kommunen prägt. Zum symbolischen „High Noon“ kam es dann Punkt 12 im Sorbischen National-Ensemble. Der Bundespräsident hatte rund 150 Bürger der Region unter dem Motto „Demokratie geht auch mich etwas an“ eingeladen. Einer davon war Dr. Christian Haase, der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) „Asylbewerberheim Greenpark“. Diese hatte sich Ende 2014 gegründet, als bekannt wurde, dass an der Flinzstraße für bis zu 300 Asylbewerber ein Heim entstehen soll. Kritisch-konstruktiv begleitet die BI das Zusammenleben mit der ihrer Meinung nach überdimensionierten Einrichtung vor der „Haustür“ – oder wie es Christian Haase nennt: „Aus einer Protestbewegung wurde ein Kooperationsverband“. „Demokratie heißt, mit allen Menschen zu reden, auch wenn sie entgegengesetzter Meinung sind“, drückte der Rentner im Unruhestand seine Grundhaltung vor der Diskussion aus – und rannte damit beim Bundespräsidenten offene Türen ein. Der Träger des höchsten Amtes der Bundesrepublik warb um mehr aktive Teilhabe an der Demokratie: „Bombardieren Sie Ihre Abgeordneten mit Fragen und Hinweisen“. Nannte dann aber auch Störungen in der Kommunikation zwischen Wählenden und Gewählten als eines der Hauptprobleme der heutigen Zeit. „Deshalb sind vor den meisten Problemen schon Ängste da. Zur Problemlösung benötigen wir aber Begegnung und demokratischen Streit“, so der 76-Jährige Mecklenburger. Stellte im gleichen Atemzug aber klar, dass zu einer Diskussionskultur nicht gehöre, zu hetzen, andere Menschen körperlich zu attackieren und Brandsätze zu werfen – dies sei nicht zu akzeptieren. Ähnlich äußerte sich Roland Ermer, der Präsident des Sächsischen Handwerkstages: „Ich erwarte von der Politik mehr Ehrlichkeit in der Kommunikation – von Anfang bis Ende. Es gibt außerdem keine gute linke oder schlechte rechte Gewalt. Gewalt ist immer zu verurteilen“. Der Bernsdorfer Bäckermeister gehörte neben Haase und Gauck sowie der MDR-Journalistin Uta Deckow und Torsten Wiegel, dem Geschäftsführer des soziokulturellen Zentrums „Steinhaus“, zum Podium, das – vor der Fragerunde mit den anderen Gästen – eine rund 75-minütige Diskussionsrunde zur Demokratie und ihrem Verständnis in der Gesellschaft  absolvieren durfte. Nach insgesamt zwei Stunden Diskussion zeigte sich dann auch der Bundespräsident zufrieden. „Ich habe heute einige wichtige Erfahrungen gemacht und danke für die Möglichkeit dieser Begegnung mit Menschen, die sich mit großer Entschlossenheit für ihre Demokratie einsetzen. Wir müssen mehr Situationen schaffen, bei denen konträre Meinungen aufeinandertreffen können“, mahnt Joachim Gauck mehr Dialog an. Und macht Christian Haase ein Kompliment: „Wir haben vielleicht konträre Meinungen, aber ich habe mich auf ihn eingelassen, weil er Lösungen entwickelt und zuhören kann“.      


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