

Ihre Tierliebe wurde Karen Hobelsberger jüngst zum Verhängnis. Die Wachauerin fand auf ihrem Hof eine kranke Katze, wollte ihr helfen, griff zu, passte einen Moment nicht auf.
In der Lebensgeschichte der zierlich wirkenden Frau mit den kurzen Pippi-Langstrumpf-Zöpfen kommen seit vielen Jahren nicht nur Tiere sondern vor allem Unmengen von Sägespänen vor. Die 1,69 Meter große Frau gehört zu den wenigen Damen, die nicht nur wissen, wie man mit einer Kettensäge umgeht, sondern auch, wie man mit einer solchen aus Holzstämmen Kunstwerke kreiert. Karen Hobelsberger ist Kettensägenkünstlerin, eine von rund 20 Frauen, die in Deutschland dieser Profession nachgehen.
Man trifft sie in diesen Tagen auf ihrem Hof in Wachau, dem Begegnungszentrum Hobelsberger an der S 177. Wohin man auch schaut, überall nur Baumstämme. Alte, kurze, lange, verwachsene. Holzstücke mit märchenhaften Gesichtern, phantasievolle Tiergestalten. Zwischen Scheune und Begegnungsraum, der sich in einer rustikalen Blockhütte befindet, wirken zwei winzige Holzhäuschen wie hingekleckst. Und überall Sägespäne. Auf einer Koppel sind Pferde, dazwischen tummeln sich Gänse und Laufenten. Ein paar Mini-Schweine. Normalerweise ist hier das ohrenbetäubende Kreischen der Kettensäge zu hören. Heute nicht. Nur das Rauschen der vorbeifahrenden Autos ist zu vernehmen. Karen Hobelsberger zeigt auf einen mannshohen Eichenstamm. »Das wird mal eine Märchenbank«, erzählt sie. Das wuchtige Holzstück würde sie gerne bearbeiten, jedoch - sie hält ihre rechte bandagierte Hand hoch - es geht ja nix. Ach, diese Katze.
Dass sie mit der Kettensäge umgehen kann, hat sich schon lange herumgesprochen. Viele ihrer Skulpturen stehen im Rödertal an Wanderwegen und Fitness-Trimmpfaden, vor Arztpraxen und Sportplätzen, an Orten, wo man solche Kunstwerke nicht unbedingt vermutet.
Karen Hobelsberger, Jahrgang 1966, wuchs in Sohland/Spree an der tschechischen Grenze auf. In ländlicher Umgebung. Mit Haustieren. Wohin ihr beruflicher Weg führen soll, ist für sie damals klar: Tierärztin will sie werden. Aber das Leben hält sich leider nicht immer an solche Vorgaben. Bis zur Wende lief es für sie wie geplant: Nach einer Zootechniker-Berufsausbildung absolvierte sie ein Veterinäringenieurstudium, arbeitete in einer Görlitzer Großtieranlage. In der Nachwendezeit änderte sich auch in ihrem Leben so einiges. Ihr Traumberuf rückte in weite Ferne, sie musste Geld verdienen, hatte einen Fahrlehrerjob in Aussicht. Landete aber in der Pharmabranche, wo sie als Außendienstlerin tätig war. Nach 30 Jahren war 2021 damit Schluss, seitdem ist die 56-Jährige freischaffende Künstlerin.
Zum Kettensägenschnitzen kam sie zufällig. Vor 13 Jahren war das. Sie war zum Holzmachen im Wald, sah einen Baumstumpf und versuchte diesem eine pilzähnliche Form zu geben. Nun ja, der Anfang sei schwer gewesen, lacht sie. Aber sie blieb dran. Das Kettensägen wurde zu ihrer Passion. In der Wachauer Schulstraße fand sie ein Grundstück, wo sie Platz für ihre Tiere, fürs Arbeiten hat. Hier schuf sie auch ein Begegnungszentrum. Ein Anfang, sie hat noch einiges vor: Streichelzoo, Sommercafé, Workshops, Ausstellungsfläche für ihre Werke. Sie erzählt, dass sie beim Anblick eines Stammes intuitiv wisse, was aus diesem entstehen könne. »Nachts habe ich so viele Ideen, das lässt mich oft nicht schlafen«, erzählt die Wachauerin. Frühmorgens müsse sie sofort auf den Platz, um den Ideen eine Form zu geben. Malen mit der Säge, nennt sie das. Skizzen mache sie sich meist nie: »Habe alles im Kopf.« Hilfreich sei ihr 3D-Blick. Den haben nicht viele in der Kettensägenzunft, erklärt die temperamentvolle Frau, die ausgebremst wirkt. Sie schaut auf ihre lädierte Hand. Die Katze hatte sich in dieser verbissen, vier Zähne holten die Chirurgen aus der Wunde. Die Schmerzen seien enorm gewesen, so Karen Hobelsberger. Blutvergiftung. Ostern musste sie unters Messer, wurde zweimal operiert. »Habe großes Glück gehabt.« Im Krankenhaus sei von Amputation die Rede gewesen.
Sie steht vor einem Holzstapel, darauf liegt eine Kettensäge. Das sei Zorro, grinst sie. So heißt diese Säge, mit der sie am liebsten arbeitet. Mit Zorro mache ihr das Skulptieren besonders viel Spaß. Für Außenstehende wirkt es wie leistungssportliche Knochenarbeit, wenn frau mit einer fast 20 Kilogramm schweren Kettensäge bis zu acht Stunden an Stämmen herumsägt. »Macht mir nichts aus«, grinst sie.
Jetzt, Anfang Mai, will sie wieder lossägen. Sie hat ja so vieles vor. Auf ihrem Grundstück möchte sie demnächst verkaufsoffene Besuchernachmittage veranstalten, am 8. und 9. Juli steht das Sommerfest an, das Kettensägen-Festival. Bleibt noch eine Frage: Wird sie künftig Katzen meiden? Sie lacht. Eher nicht. Tiere gehören einfach mit zu ihrem Leben.