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Tony Keil

Kulturerbestätten: Nur etwas für Touristen?

Region. Wie denken die Menschen vor Ort über das regionale Kulturerbe und die großen Unesco-Stätten? Dieser Frage geht Sozialwissenschaftlerin Gesine Schuster in ihrer Promotion nach. Deswegen flattert Bald besondere Post in viele Briefkästen der Region.

„Ich bin im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und habe immer wieder erlebt, wie große Kulturerbestätten und andere Kulturinstitutionen punktuell viel Aufmerksamkeit und auch Förderung bekommen haben, aber oft Schwierigkeiten hatten, die Menschen in der Region wirklich mit ihren Projekten und Ideen zu erreichen“, sagt Gesine Schuster. Die Sozialwissenschaftlerin forscht aktuell in Italien zur Frage, wie Menschen vor Ort die Angebote der Kulturerbestätten wahrnehmen und wie sie diese nutzen. In Italien arbeitet Schuster, weil dort die Kulturerbeforschung als eigener Wissenschaftszweig schon deutlich länger etabliert ist und ihr das dortige Institut (die IMT School for Advanced Studies Lucca) ein besonders interdisziplinäres Arbeitsumfeld bietet.

 

Trotzdem richtet sich ihr Blick nach Deutschland. Vier Unesco-Welterbestätten hat sie für ihre Forschung ausgewählt, eine davon ist der Muskauer Park. Deswegen wird in vielen Briefkästen der Region bald ein besonderer Brief landen. Ein wichtiger Teil der Forschung ist eine postalische Bevölkerungsumfrage. Die Teilnahme ist natürlich vollkommen freiwillig. Trotzdem ist jede einzelne Antwort sehr wichtig. Denn nur, wenn alle teilnehmen, also beispielweise auch Menschen, die bisher noch nie etwas von der entsprechenden Kulturerbestätte gehört haben, kann man am Ende sicher sein, dass die vielen verschiedenen Meinungen und Ansichten in der Bevölkerung auch wirklich alle gehört wurden. „Das Ziel der Forschung ist es, besser zu verstehen, wie die Menschen vor Ort die untersuchten Kulturerbestätten wahrnehmen, welche Wünsche, Sorgen oder Kritikpunkte sie haben, um damit am Ende die kulturelle Arbeit und die Teilhabe in den untersuchten Regionen, aber auch in ländlichen Regionen allgemein zu verbessern“, sagt die Wissenschaftlerin.

 

Was wird gefragt?

 

Die Umfrage misst zum einen, wie gut die Menschen vor Ort die Stätte kennen und wie sie deren Angebote nutzen. „Gleichzeitig gibt es aber auch einen Fragenblock, der danach fragt, wie die Menschen die Wirkung der Stätte in der Region wahrnehmen, also welche Rolle sie beispielsweise ihrer Meinung nach für die regionale Identität spielt“, erklärt Gesine Schuster. Sehen die Menschen eher einen wirtschaftlichen Nutzen oder eher einen wirtschaftlichen Schaden? Fördert die Stätte den Austausch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen oder auch nicht? Derartigen fragen wird nachgegangen. Am Schluss werden sozio-demografische Daten erhoben, also etwa zum Geschlecht, zum Alter und zur Ausbildung. „Das sind Daten, bei denen sich die Leute manchmal fragen, ob die wirklich nötig sind. Sie sind aber in der Sozialforschung tatsächlich essenziell wichtig, weil nur so die Aussagen der Teilnehmenden wirklich einen Wert haben“, so die Sozialwissenschaftlerin. Denn damit kann sie erkennen, welche Unterschiede es in der Bevölkerung gibt, ob zum Beispiel junge Leute die Stätte positiver oder negativer einschätzen als ältere Menschen oder ob die Bewertung der Stätte zum Beispiel mit dem Einkommen oder mit der Herkunft zusammenhängt.

 

Wie läuft die Umfrage ab?

 

Die Teilnahme an der Umfrage passiert vollkommen anonym. Aus dem Adressregister der Deutschen Post wurden zufällig insgesamt 5000 Adressen in den vier Regionen ausgewählt. „Diese Adressen sind mir nicht bekannt“, erklärt Schuster. „Das Anschreiben wird durch einen Lettershop versandt, wodurch der Brief leider etwas wie Werbung aussehen könnte.“ In dem Brief werden das Thema und der Ablauf kurz erklärt und um Teilnahme gebeten. Die Teilnahme findet online statt. Der Brief wird einen Link und einen QR-Code enthalten. Versandt werden die Briefe voraussichtlich ab Anfang Februar.


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