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Birgit Branczeisz

Was passiert im Wachauer Schloss?

Wachau. Es ist dem berühmten Schloss Rammenau ebenbürtig - eine Dresdner Firma versucht Schloss Wachau für die Nachwelt zu retten.

Das passiert im Leben nicht oft. Vor 30 Jahren arbeitete Eiko Großmann als Zimmermann im Dachstuhl des Wachauer Schloss an der ersten Sanierung mit. Heute begleitet er als Bauingenieur und einer der Geschäftsführer der Walther Projektmanagement GmbH aus Dresden die zweite und hofft, zu Ende zu bringen, was damals angefangen wurde: die Sanierung eines der kunsthistorisch wertvollsten barocken Ensembles seiner Art in Sachsen, das Schloss Rammenau in nichts nachsteht. So sieht es jedenfalls der Chef der sächsischen Landesdenkmalpflege Dr. Ulrich Rosner.

Die Walther Projektmanagement GmbH und Investor Claus Neth sanieren sich seit Jahren durch alle Epochen - in Bannewitz die ehemalige Hutfabrik, das Rittergut Großhartau, die Sektkellerei Bussard in Radebeul, das Kulturhaus Großröhrsdorf und die frühere Mädchenschule - und nun das Wachauer Schloss.

In Wachau haben Adlige, Kaufleute, Sowjets, SED-Genossen und Glücksritter ihre Spuren hinterlassen. Aber sie haben die längste Zeit hier gewohnt: die Vertriebenen aus dem Osten, von denen einige von 1945 bis nach der Wende wohnen blieben. Sie haben durch bloßes Dasein dafür gesorgt, dass das Schloss nicht restlos geplündert wurde oder verfiel. Das Standesamt und der Kindergarten zogen mit ein, sogar ein Konsum, abgetrennt durch kunstvolle schmiedeeiserne Gitter aus dem 19. Jahrhundert.

...Die Kinder der Familien rennen durch endlos lange Gänge. Im Foyer riecht es nach Farbe - gerade sind die Wappen im Treppenaufgang gestrichen worden. Heimlich stöbern die Jungs in jeder Ecke und klettern im dreistöckigen Dachgebälk herum. Durch die marode Decke können sie bis in den Weißen Saal runter schauen - mit seinen riesigen Wandgemälden, Kronleuchtern und Büsten. Was für ein Prunk im kargen Alltag! Erwischen lassen dürfen sie sich freilich nicht, das hätte vielleicht Theater gegeben...

Noch immer gehört der Weiße Saal zu den Kostenbarkeiten, so wie das Maurische Zimmer, das Marmorzimmer, Jagd- und Musikzimmer oder die Holländische Küche mit echten Delfter Kacheln. All das klingt wie aus einer anderen Zeit und genau das ist es: aus vielen Epochen. Vier historische Kachelöfen und zwei Kamine hat Hendrik Schütze aus Großenhain mit seinen Leuten abgebaut, jede Kachel nummeriert und eingelagert. Seine Firma "Roter Hahn" kümmert sich seit Monaten um die Öfen. Wenn die historischen Zimmer saniert sind, werden sie wieder aufgebaut.

Trotz aller Akribie, gibt manches Rätsel auf. So bleibt es schwierig, den Kachelfundus zu datieren. Sachverständiger Schütze schätzt die Öfen aus der Zeit von 1850 bis 1920. Nur ein Ofen scheint aus der Barockzeit zu stammen - vielleicht wie die unzähligen Kacheln, die in Foyer liegen. Arbeiter hatten etwa 100 Quadratmeter davon im Schlosskeller entdeckt und geborgen. Nicht alles was sie fanden, war schön - wie Hausschwamm. "Wir konnten bemalte Wände aber nicht herausnehmen, um unten an morsche Balken zu kommen. Also wurden die Wände verstrebt und mit Bolzen gesichert, damit die Wand in der Luft hängt - so konnten wir die Balken durch Stahlträger ersetzen und das Bild ging nicht kaputt", erklärt Eiko Großmann.

Im Schloss entstehen 10 Eigentumswohnungen und drei Büros - alles unter Erhalt des historischen Interieurs. Das ist nicht unumstrittenen. Gerade der Festsaal oder Weiße Saal sorgt durchaus für Diskussionen, auch bei der Landesdenkmalpflege. Investor Claus Neth, dem die Gemeinde das Schloss verkauft hatte, will hier ein Großraumbüro ermöglichen. "Das ist sicher ein problematischer Aspekt des Nutzungskonzeptes, denn gerade für den Hauptsaal wäre eine öffentliche oder kulturelle Nutzung wünschenswert. Es ist aber wichtig, dass der Raum nicht geteilt wird und die gesamte historische Ausstattung erhalten bleibt", antwortet Dr. Ulrich Rosner auf  Nachfrage.

Tatsächlich soll der historische Tanzboden durch ein Podest überbaut werden, in dem auch Bodentanks für ELT und Netzwerk eingebracht werden. Auch die Beheizung des Saales soll über das Podest erfolgen und somit Großteile des historischen Parketts schützen. Ein kleiner Teil bleibt sichtbar. Zum Tag des offenen Denkmals soll die Besichtigung der historischen Räume möglich sein.

Ob die Gemeinde damit glücklich ist, wurden ihr doch zwei kulturelle Veranstaltungen im Jahr im Kaufvertrag zugesichert, bleibt abzuwarten. Zumindest bliebe so die historische Einrichtung erhalten, ebenso das Parkett. Das scheint der Kompromiss. Ebenso wie in der Holländischen Küche, wo die Delfter Kacheln mit einer Wand abgehangen werden. Dr. Rosner erklärt: "Bei Wohnnutzung müssen manche Elemente aus konservatorischen Gründen abgedeckt oder verkoffert werden, während dies bei den als Büro genutzten Räumen in der Regel nicht notwendig ist. Manche Verkleidungen resultieren auch aus Anforderungen des Schall-, Wärme- und Brandschutzes."

Welche Auflagen gab es überhaupt? Welche Kompromisse waren unumgänglich? Die Fassaden, die barocke Raumstruktur sowie die Wand- und Deckengestaltungen des 18. und 19. Jahrhunderts müssen erhalten werden. Das wertvolle originale Dachtragwerk bleibt unausgebaut, es gibt auch keine Balkone an den Fassaden. Der umfangreiche Bestand an Wandmalereien, Stuckdecken, Holzeinbauten und Öfen wird restauratorisch gesichert. Aufgrund der neuen Nutzung müssen allerdings auch zahlreiche Funde abgedeckt werden, um sie langfristig zu schützen. Besondere Sorgfalt gilt dabei den fünf Haupträumen im 1. Obergeschoss, wo nur ausgewiesene Restauratoren wie Knut Thiel tätig sind. Das zeigt, wie schwierig der Kompromiss zwischen Erhalten und Nutzen ist. Die künftigen Schlossherren scheinen begeistert. Alle Wohnungen und Büros sind laut Großmann vergeben. Einige an Einzelne, andere wieder an Investoren. Ob sie das Schloss samt Schloss-Insel als Anteilseigner erhalten können? Das wird man in 20 oder 30 Jahren sehen.

Michaela Wirtz, einst Schlosserbin und Enkelin des letzten Schlossbesitzers, Dr. Hans Kühne, ist entsetzt über diese Kompromisse. Die Holländische Küche ist für sie ein Jahrhundertdenkmal und der Weiße Saal sei doch kein Großraumbüro. Vor sechs Jahren hatte die heute 81-Jährige einige Gemälde und Erinnerungsstücke zurückbekommen - nach 70 Jahren. Der Antrag der Familie wurde 30 Jahre bearbeitet. Alles was zum Weißen Saal gehörte, hatte sie der Gemeinde gestiftet. Mehr noch noch: 1995 kaufte Michaela Wirtz das Rittergut zurück, ließ für "teuer Geld" den LPG-Nachlass beräumen, u.a. eine Tankstelle. "Wir hatten Pläne, Gastronomie, ein Café, ein Seminarhotel", erzählt sie am Telefon. Doch die Nachfrage war zu gering. Nun sollen auch aus dem Rittergut exklusive Wohnungen werden. Doch vorher ziehen die neuen "Schloss-Herren" in Wachau ein.  

 


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