

Die Mauer bot in den letzten Jahren ein traurigen Anblick: Seit Jahren mit wenig anspruchsvollem Graffiti beschmiert, war sie für Besucher, Trauernde und Friedhofsfreunde lange ein unwürdiger, wenig einladender Anblick. Bis das Ev.-Luth. Kirchspiel Dresden Neustadt, Träger des Friedhofes, auf eine geniale Idee kam: Warum nicht Motive des Sandstein-Reliefs „Dresdner Totentanz“ in ein neues, zeitgemäßes Graffitikunstwerk einfließen lassen? Der 1534 von Christoph Walther geschaffene „Dresdner Totentanz“ befand sich von 1731 bis 1975 an der Nordmauer des Inneren Neustädter Friedhofs und zeigt 27 Figuren aller Stände, darunter drei Darstellungen des Todes. Das Relief war 12,5 Meter lang und 1,20 Meter hoch, wurde wegen starker Witterungsschäden aber 1975 abgenommen, später aufwändig restauriert und ist jetzt in der Dreikönigskirche zu sehen. Mit Jens Besser wurde sogar ein erfahrener Dresdner Streetart-Künstler für das Projekt gewonnen, der sich auch schon international einen Namen in Straßen-Graffitikunst machte. Auf Wunsch des Friedhofsvorstandes gestaltete er das Kunstwerk als „Tanz der Lebenden“ mit lebensbejahend tanzenden möglichen Bewohnern des Stadtteils. Grundschüler der benachbarten Schule wurden gebeten, dem Künstler eigene Windradentwürfe zu übergeben, sie sollen an die Kindergräber auf dem Friedhof erinnern. Ein eingereichter Entwurf ist im Werk zu finden. Weitere Bildelemente sind Eichenblätter als ein wiederkehrendes Ewigkeitssymbol auf Friedhöfen sowie Lilien (Zwiebeln) und Hagebutten als Symbole für den Ursprung und die Vergänglichkeit des Lebens. Der Stadtbezirksbeirat Neustadt unterstützte das Vorhaben und beschloss im Juli 2020 die Bereitstellung von Mitteln aus seinem Haushalt für das Jahr 2020 in Höhe von 17.200 Euro. Überfallen und beschmiert Soweit, so gut - die Geschichte wäre an dieser Stelle eigentlich beendet.Die Arbeit des Künstlers kommt bei Anwohnern und Stadtteilbesuchern mehrheitlich sehr positiv an. Doch einige Mitbürger sind offenbar anderer Meinung. Denn illegale Sprayer beschädigten das Kunstwerk von Beginn an. Mitte November wurde Jens Besser während seiner Arbeit sogar von neun schwarzgekleideten Vermummten tätlich angegriffen. Er blieb glücklicherweise unverletzt. „Es kann nicht hoch genug geschätzt werden, dass Herr Besser sich nicht entmutigen ließ und mit seiner Arbeit ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und Intoleranz setzte“, erklären der Friedhofsvorstand und alle anderen am Projekt Beteiligten. Inzwischen ermittelt die Polizei.