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Rendezvous mit einem Kometen: Rosetta hat jetzt Sendepause

Rosetta? Da klingelt doch was! Zehn Jahre nahm die Raumsonde Anlauf in unserem Sonnensystem, um am Ende einen Roboter auf einem Kometen abzusetzen – über 500 Millionen Kilometer von unserer Haustür entfernt. Der langjährige Chef der Mission sprach nun vor Dresdner Gymnasiasten und gab Einblicke hinter die Grenzen des Vorstellbaren.
Dr. Gerhard Schwehm war wissenschaftlicher Leiter der Rosetta-Mission bis Anfang 2014 und besuchte kürzlich das Hans-Erlwein-Gymnasium. Foto: Schramm

Dr. Gerhard Schwehm war wissenschaftlicher Leiter der Rosetta-Mission bis Anfang 2014 und besuchte kürzlich das Hans-Erlwein-Gymnasium. Foto: Schramm

Dinge, die lange Zeit sich selbst überlassen bleiben, entwickeln irgendwann eine Unregelmäßigkeit, die entweder im Chaos oder in ihrer Zerstörung enden. Insbesondere Weltraumwissenschaftlern ist diese Weisheit allgegenwärtig, wenn sie Sonden auf die Reise schicken. Vielleicht ist es gerade das, was die Rosetta-Mission, die 2014 ihren Höhepunkt feierte, so einzigartig macht. Zehn Jahre flog die Raumsonde im Schlummermodus durch´s All, holte Schwung bis sie aufgeweckt wurde, um den kleinen Roboter Philae auszuklinken, der sieben Stunden später auf dem Kometen 67P (Tschurjumow-Gerassimenko, kurz: Tschuri) landete – nur zehn Meter neben der errechneten Stelle. Der Europäischen Weltraumagentur ESA war damit eine Sensation gelungen, weltweit wurde darüber berichtet. Das hatte zuvor noch niemand geschafft. Perspektiven wechseln Fast auf den Tag genau zwei Jahre später steht der wissenschaftliche Leiter Dr. Gerhard Schwehm vor Schülern des Hans-Erlwein-Gymnasiums. „Grenzen erfahren“ heißt das diesjährige Motto des Toleranz - und Thementages. Seit 13 Jahren bietet dieser Tag den Schülern Gelegenheit, die Perspektiven zu wechseln, sich in Workshops auszuprobieren oder sich intensiv einem Thema zu widmen. Vom Planetenforscher bis zum Sonnenphysiker Dr. Schwehm gilt als Urvater der Mission, war schon 1985 in die Planungen involviert. Doch wie wird eine Mission überhaupt ausgesucht? „Am Anfang gibt es unter den Wissenschaftlern viele Ideen, darunter auch Träumereien“, erklärt Dr. Schwehm. Danach werde über Studien untersucht, welche Projekte machbar, vor allem aber bezahlbar seien. „Der Erkenntnisgewinn einer Mission spielt natürlich eine wesentliche Rolle. Jeder aus unserer wissenschaftlichen Familie will davon profitieren – vom Planetenforscher bis zum Sonnenphysiker“, erzählt der Experte weiter. Am Ende blieben in der Regel nur zwei bis drei Missionsideen übrig, kategorisiert von ihrem Umfang wie in der Bekleidungsindustrie (zum Beispiel M oder L).  Dass jeder Beteiligte aber auch ein ureigenes persönliches Interesse hegt, erwähnt Schwehm auch. Den Erfolg noch selbst erleben können „Es geht darum, den Erfolg der Mission noch selbst erleben zu können.“ Mit der Landung auf einem Kometen erhofften sich die Wissenschaftler seinerzeit Rückschlüsse auf die frühen Tage unseres Planeten ziehen zu können. Ursprünglich sollte die Reise auf den Kometen 46P/Wirtanen gehen. Durch den missglückten Start einer Ariane Trägerrakete war das Zeitfenster für Wirtanen nicht mehr zu halten. „Wir hätten rund fünf Jahre warten müssen. Du willst natürlich nicht, dass das gesamte Equipment auf dem Erdboden ungenutzt altert“, sagt Dr. Schwehm. Die Alternative hieß Rosetta. Wasser auf die Erde 2004 wurde die Sonde von Französisch-Guayana endlich ins All geschossen, die Software im Laufe der Jahre hinterher. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Daten und Erkenntnissen über die Zusammensetzung des Kometen. Organischen Verbindungen, molekularer Sauerstoff (O2) und die Aminosäure Glycin wurden u.a. nachgewiesen. Dass Kometen allerdings Wasser auf die Erde brachten, ist nach der Mission höchst unwahrscheinlich. Letzte Bilder Während die NASA beispielsweise gesetzlich dazu verpflichtet ist, Daten umgehend der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, lassen sich die Europäer Zeit – ein Jahr, manchmal auch länger. Es werde sehr genau überlegt, wie, wann und in welcher Reihenfolge man die Öffentlichkeit informiert, sagt Schwehm. Am 30. September 2016 wurde die Rosetta Mission beendet, weil die Energie langsam zur Neige ging. Die Sonde folgte Philae auf den Kometen und hat nun Sendepause – für immer. Die Auswertung ihrer Daten dürfte noch Jahre in Anspruch nehmen. Die letzten Bilder kann man unter „Navcam Rosetta“ googeln. (André Schramm)


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