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Carola Pönisch

Preise rauf und plötzlich Ruhetag

Was der Mindestlohn für das Gastronomie- und Hotelgewerbe bedeutet und warum Steuereinnahmen sinken werden

Die SRH Hochschule Berlin am Campus Dresden hat mit der Dehoga Sachsen eine Studie zu Auswirkungen des Mindestlohns auf das sächsische Gastgewerbe durchgeführt. Die Aussagen zeigen, mit welchen Problemen die Branche jetzt zu kämpfen hat. Ihr Lieblingsrestaurant ums Eck hat plötzlich Ruhetag?   Ihr Lieblingsmenü kostet jetzt mehr? Ihr angestammtes Bier ist auch ein paar Cent teurer? Dann führen Sie doch mal ein Gespräch mit dem Chef des Hauses. Sie sollten sich aber nicht wundern, wenn das ein längerer Monolog wird. Denn all das hat zu tun mit dem Thema Mindestlohn – und das raubt vielen Gastronomen derzeit den Schlaf. Für die Studie wurden  zwischen April und Juli 1.000 Betriebe schriftlich und 500 telefonisch kontaktiert, 262 nahmen letztendlich daran teil und ließen sich in die Karten schauen. Befragt wurden große Kettenhotels ebenso wie Systemgastronomie und familiengeführte Häuser. Fazit: Auswirkungen hat die Einführung des Mindestlohnes auf sie alle, jedoch in unterschiedlichem Maß. Was durch die Bank weg alle beklagen, ist nicht die Anhebung des Verdienstes auf 8,50 Euro je Arbeitsstunde an sich. Das wurde per Gesetz verordnet. Punkt. Umgelegt werden die Personalmehrkosten (im Schnitt sind das monatlich je Betrieb zehn bis 20 Prozent bei den Befragten) zum Teil auf Speisen und Getränke – auch das dürfte niemanden verwundern. Auch nicht, dass die Betriebe weniger Gewinn einfahren und natürlich demzufolge weniger Geld ans Finanzamt und in Form der Gewerbesteuer an die jeweilige Kommune abführen. Klartext redet hier Bernhard Rothenberger, Betreiber von Auerbachs Keller. Der befindet sich zwar in Leipzig, doch was Rothenberger an Zahlen und Fakten auf den Tisch legt, steht exemplarisch für alle Lokale und Hotels in Dresden, Meißen, der Sächsischen Schweiz oder der Oberlausitz. Weil er nicht nur den Mindestlohn angehoben, sondern die Löhne aller anderen Mitarbeiter prozentual angeglichen hat (man nennt das Abstandsausgleich und es ist angeraten, da gutes Personal in der Gastronomie mittlerweile heiß begehrt ist), sind die Lohnkosten in seinem Lokal um 61 Prozent gestiegen. Mit dem Ergebnis, dass Ende dieses Jahres der Gewinn von 350.000 auf 170.000 Euro sinken und sich die Körperschaftssteuer auf 85.000 Euro halbieren wird. Arbeitszeit: Starre Regelung   Die größte Herausforderung in Zusammenhang mit dem Mindestlohn ist die damit verbundene Dokumentation zur Erfassung der Arbeitszeit. Dreiviertel aller Betriebe klagen darüber, die kleinen  Lokale und Hotels deutlich mehr als die großen Häuser, obwohl auch die nachweisen können, dass sich der Aufwand stark erhöht hat. Das wiederum hängt damit zusammen, dass es mit dem Mindestlohn auch neue Arbeitszeit-Regelungen gibt. Und die sind starrer als  je zuvor. Wie das in der Praxis aussieht, erklärt Rothenberger: „Wenn mein Küchenchef heute den Dienstplan für alle 120 Mitarbeiter schreibt, braucht er acht Stunden, früher waren es zwei. Er muss beachten, dass jeder Angestellte 15 Sonntage im Jahr frei hat, nach genau neun Stunden Arbeitszeit der Dienst endet,  in diesen neun Stunden aber genau in der Hälfte eine 45minütige Pause eingelegt und dass in der Arbeitszeit auch noch alle gesetzlichen Belehrungen durchzuführen sind. Und die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ist auch noch eizuhalten.“ Dass ein Mitarbeiter wie früher üblich in der Gastronomie freiwillig zwölf Stunden arbeitet und dafür nach drei oder vier Tagen ein „Frei“ einlegt oder seine Mittagspause in kundenarme Zeiten verlagert – nicht mehr machbar. „Vor der Einführung des Mindestlohns war der Gast unser Maßstab, wann man Pause macht. Heute ist es kaum zu schaffen, den Gast zu betreuen und gleichzeitig alle Regeln einzuhalten.“ Zu viele Schulungen für zu viele Kollegen Ebenfalls viel Zeit müssen Betreiber gastronomischer Einrichtungen in die Schulungen ihrer Mitarbeiter investieren - selbstverständlich während der Arbeitszeit.  „Jedem Koch muss sogar regelmäßig erklärt werden, wie gefährlich Messer sein können und spätestens, wenn man einem Buchhalter die Gefahr von CO2-Maschinen erklären muss, mit denen er normalerweise nichts zu tun hat, stimmt etwas nicht“, erregt sich der Auerbachs Keller-Chef. Vor allem Lokale in Ausflugsgebieten stöhnen unter diesen unflexiblen Regelungen. Liegt eine Feier an, die früher bis gegen vier Uhr an, so muss den Gästen heute gegen ein Uhr „Gute Nacht“ gesagt werden, wenn Küchen- und Servicecrew vormittags mit ihrer Arbeitszeit begonnen haben. "Wenn meine Mitarbeiterin in die Pause geschickt werden muss oder ihre Arbeitszeit endet, aber noch Gäste da sind, dann stelle ich mich ins Lokal und bediene weiter", berichtet Christine Strohbach-Knaller von der Ziegelscheune in Krippen. "Ich habe seit Einführung des Mindestlohnes eine 60- bis 80-Stunden-Woche und weiß nicht, wie lange ich das gesundheitlich aushalte. Immerhin habe ich eine Ausnahmegenehmigung, damit meine Mitarbeiter auch mal 12-Stunden-Schichten einlegen können, wir liegen schließlich am Elbradweg und müssen im Sommer unser Geld für den Winter verdienen. „Wir werden Ruhetage einführen, um alles unter einen Hut zu bringen“, ergänzt Gabriele Dörner vom Hotel Zum Ross in Diesbar-Seußlitz. In Auerbachs Keller gibt‘s jetzt abends wieder Küchenschluss nach 21.30 Uhr und am 20. April einen "Bürokratietag" wegen Schulung. Foto: Fotolia


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