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André Schramm

Neusortiert gegen Terror und Extremismus

Die sächsische Polizei organisiert sich neu für den Kampf gegen den Terror und Extremismus. Am 1. Oktober nahm das „Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum“ (PTAZ) seine Arbeit auf.
LKA-Präsident Petric Kleine und seine Kollegen gaben Medienvertretern Einblicke in die Arbeit des PTAZ. Schnellere Informationswege, klare Zuständigkeiten und gebündelte Kompetenz sind die Markenzeichen der neuen Einheit.         Foto: Schramm

LKA-Präsident Petric Kleine und seine Kollegen gaben Medienvertretern Einblicke in die Arbeit des PTAZ. Schnellere Informationswege, klare Zuständigkeiten und gebündelte Kompetenz sind die Markenzeichen der neuen Einheit. Foto: Schramm

  Nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) wurde 2013 das Operative Abwehrzentrum  (OAZ) in Leipzig geschaffen. Bis heute hat man dort rund 1.900 Fälle politisch motivierter Kriminalität bearbeitet, darunter u.a. die Aktivitäten der „Gruppe Freital“ und der „Freien Kameradschaft Dresden“.  Allerdings gab es auch im Landeskriminalamt eine Staatsschutz-Abteilung, die sich  mit ähnlich gelagerten Straftaten befasste. Seit 1. Oktober arbeiten beide Abteilungen nun unter dem Dach des „Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum“ (kurz: PTAZ) zusammen. Dach ist dabei weniger baulich, viel mehr strukturell gemeint.   Viele Gründe „Das PTAZ ist keine Wunderwaffe. Es versetzt uns aber in die Lage, künftig professioneller auf besondere Situationen und Bedrohungslagen zu regieren“, sagt Petric Kleine, Präsident des Landeskriminalamtes. Gründe für die Neustrukturierung gab es offenbar viele. So sei inzwischen die Gefährdungslage höher als früher. Darüber hinaus registriere die Polizei eine Zunahme an rechts und links motivierten Straftaten. „Im letzteren Phänomenbereich steigt insbesondere die Konfrontationsbereitschaft. Es kommt vermehrt zu Auseinandersetzungen“, so Kleine weiter. Auch die Flucht des mutmaßlichen Terroristen Dschaber al-Bakr im Oktober 2016 veranlasste Polizeiführung und das zuständige Staatsministerium, die bestehenden Strukturen neu zu bewerten.  „Defizite resultierten u.a. aus der Verteilung der Kompetenzen auf zwei Dienststellen und langen Informationswegen“, gibt Kleine zu.

Mehr Personal

Insgesamt 229 Beamte arbeiten in der neuen Einheit, darunter auch zwei Islamwissenschaftler(innen). Eine ist Muttersprachlerin.  
Bis 2020 soll die Personaldecke auf 260 Mitarbeiter steigen. Die Beamten würden vornehmlich intern rekrutiert. Zudem habe man vor, die Staatsschutzabteilungen in den Polizeidirektionen selbst personell zu verstärken. Langfristig werden damit etwa 400 Kräfte in Sachsen mit Terror- und Extremismusbekämpfung zu tun haben. Das reicht von (verdeckter) Ermittlungsarbeit über operative Einsätze bis hin zum Personenschutz.

Radikalisierung

Eine immer größere Rolle spielt in dem Zusammenhang die digitale Welt. „Ein Großteil radikalisiert sich inzwischen über das Internet“, weiß der LKA-Präsident. Eine sächsische „Internetpolizei“ werde es seinen Worten zufolge nicht geben. Die Ermittlungen erfolgten immer anlassbezogen. Derzeit geht das Landeskriminalamt von etwas mehr als zehn islamistischen Gefährdern* in Sachsen aus. Etwa nur die Hälfte davon befindet sich gegenwertig tatsächlich im Freistaat und auf freiem Fuß.  

Reichsbürger

Ganz anders die Größenordnung der Reichsbürger in Sachsen. Hier hat das Landeskriminalamt insgesamt 707 Personen (Stand: 1. Januar 2017) auf dem Radar. Davon waren 420 wohnhaft in Sachsen. Von einer strukturell organisierten Bedrohung spricht man an der Neuländer Straße nicht. Allerdings haben alle Reichsbürger, die in der Vergangenheit straffällig geworden sind, einen entsprechenden Marker im System – eine Vorsichtsmaßnahme für Einsatzkräfte bei evtl. künftigen Zugriffen.

Viel zu tun

258 Fälle hat das PTAZ vom OAZ „geerbt“. Die „alte“ Abteilung 5 (Staatsschutz) beim LKA bringt 164 Fälle mit. Propaganda und Körperverletzungsdelikte verblieben hingegen zur Bearbeitung in den Polizeidirektionen. Das PTAZ wolle sich vor allem Fälle von besonderer Bedeutung auf den Tisch ziehen, hieß es. Dafür ist eine schlagkräftige Truppe wichtig. Insbesondere die Observation von Personen oder die Überwachung ihrer Kommunikation bindet viel Personal.
Gefragt nach einem Wunsch, sagt Kleine, dass mehr präventive Maßnahmen im verdeckten Bereich hilfreich wären. Eines stellte er aber klar. Trotz aller Optimierungsmaßnahme könne die neue Behörde eines nicht garantieren – 100-prozentige Sicherheit.

*Der Begriff „Gefährder“ gilt auch im politischen Sinn. Allerdings gibt es hier keinen bundesweit einheitlichen Standard und im Gegensatz zu islamistischen Gefährdern auch keine Abstufung in der Bedrohungsqualität.


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