

Große Gefühle in ergreifende Musik umzusetzen - dafür sind die Opern von Guiseppe Verdi bekannt und berühmt. Da bildet auch sein lyrisches Drama „Otello", das er 1887 nach William Shakespeares literarischer Vorlage „Othello, der Moor von Venedig“ schrieb, keine Ausnahme. Im Gegenteil. Nach einer fast 16-jährigen Schaffenspause gelang ihm mit dieser Oper, in der es um Liebe, Eifersucht, Intrigen und Mord geht, erneut ein großer Wurf. Gelang dieser auch der Semperoper, die das Meisterwerk Verdis in Kooperation mit den Osterfestspielen Salzburg in einer Neuinszenierung von Vincent Boussard auf die Bühne brachte? Was die Musik betrifft, ganz bestimmt. Dafür sorgten schon die Staatskapelle Dresden und ihr Dirigent Christian Thielemann, der Staatsopernchor und die hervorragenden Sänger. Kraftvolle Chöre, eindrucksvolle Melodien und zarte Arien gingen den Zuhörern unter die Haut. Besonders der stimmgewaltige amerikanische Heldentenor Stephen Gould begeisterte das Premierenpublikum in der Titelrolle. Viele Opernfans werden ihn schon als Wagners „Siegfried“ erlebt haben. Doch auch sein Kontrahent, der Bösewicht Jago, der mit dem Bariton Andrzej Dobber besetzt war, erhielt verdientermaßen viel Beifall. Ebenso wie die Sopranistin Dorothea Röschmann, die die Desdemona sehr zart sang und spielte. Dagegen blieben die Figuren des Cassio (Antonio Poli), dem angeblichen Nebenbuhler Otellos, sowie Rodrigos (Robin Yujoong Kim), der Desdemona heimlich liebt, etwas blass. Aber das lag an der Regie, die den einzelnen Figuren kaum Möglichkeiten gab, sich zu profilieren. Dramaturg Stefan Ulrich bezeichnet die Figur des Otello als Außenseiter. Als ehemaliger Sklave hat er sich zum siegreichen Heerführer emporgearbeitet, bleibt aber in der venezianischen Gesellschaft ein Fremder. Und das nicht nur wegen seiner Hautfarbe. Wohl deshalb ist er in dieser Inszenierung auch nicht schwarz geschminkt. Seine Heirat mit Desdemona, die aus einer angesehenen Familie stammt, gibt ihm ein gewisses Ansehen. Als er den Intrigen Jagos auf den Leim geht, rast er nicht nur aus Eifersucht, sondern auch, weil er seine soziale Stellung für verloren glaubt. Das Inszenierungsteam, das wieder einige Buh-Rufe erhielt, sieht Verdis Oper in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche zwischen der alten und neuen Welt. Während die meisten Menschen damals stark religiös gebunden waren, verkörpert Jago, der sich keinem Gott zur Rechenschaft verpflichtet fühlt, den neuen Menschen. Heißt das letztlich, dass Gottlosigkeit zu hemmungsloser Bösartigkeit führt und Glauben Moralität bedeutet? - Am Ende sterben nicht nur Desdemona und Otello, sondern auch die schwarze Engelsfigur, die den Glauben symbolisiert. Natürlich gibt Verdis Oper viel Raum für eine zeitgemäße Interpretation. Aber am Ende ist es doch die herrliche Musik, die die Zeiten überdauert. (gs) Weitere Aufführungen von „Otello“ am 1. und 5. März sowie am 11., 13. und 28. Mai.