André Schramm

Mohrenhaus: "Das hieß schon immer so"

Seit Wochen wird im Internet darüber gestritten, ob das Mohrenhaus in Radebeul nicht lieber einen anderen Namen bekommen sollte. Zwei Petitionen sammeln Stimmen, jeweils für und gegen eine Umbenennung der heutigen Kindertagesstätte. Das letzte Wort hat voraussichtlich der Stadtrat.
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Das Mohrenhaus. In der Villa befindet sich u.a. eine Kindertagesstätte. Foto: Archiv

Das Mohrenhaus. In der Villa befindet sich u.a. eine Kindertagesstätte. Foto: Archiv

 Es beginnt mit einer Mail an die Stadträte. Die Schülergruppe »RIKA« wünscht einen gesunden Start ins neues Jahr und kommt ziemlich schnell zum Punkt. »Wir sind Schülerinnen und Schüler aus Radebeul und Umgebung und fordern die Umbenennung der Mohrenstraße. Die Straße liegt in Kötzschenbroda in unmittelbarer Entfernung zur gleichnamigen Kindertagesstätte. Wir fordern die Umbenennung, da wir den Begriff Mohr als nicht mehr zeitgemäß und rassistisch empfinden«, schrei-ben sie. Weiter heißt es, dass die Umbenennung der Straße und des Hauses nicht der einzige Schritt in der Bekämpfung von Rassismus bleiben solle. Die Gruppe sieht darin vielmehr einen Anfang, um über deutschen Kolonialismus und generellen Rassismus aufzuklären.

Die Initiatoren

RIKA steht für »Rassismus ist keine Alternative«. Dahinter stehen etwa ein Dutzend Schüler aus Radebeul und umliegenden Städten. Die Gruppe, so teilt sie uns auf Nachfrage mit, sei im Herbst 2020 gegründet worden. Die Forderung nach einer Umbenennung sei das erste Thema, mit dem man sich beschäftige. Auslöser war ein Workshop zu Rassismus im Stadtbild. Offenbar hat man in dem Zusammenhang auch mit Betroffenen aus der Region gesprochen.   

Gegen Umbenennung

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die »Elterngruppe Mohrenhaus« aus Radebeul startete eine Onlinepetition gegen eine Umbenennung. Die Bezeichnung des Hauses hatte nie irgendeinen rassistischen Hintergrund, hieß es in der Begründung. Was folgte, waren mehr als 800 Kommentare. Der Großteil davon gegen einen neuen Namen. Viele Nutzer verwiesen darauf, dass die Bezeichnung historisch gewachsen und Teil der Stadtgeschichte sei. Andere fragten plakativ, wo das hinführt: Schwarzbrot-Verbot demnächst beim Bäcker? »Diese neue Überempfindlichkeit, teilweise schon Hysterie bzgl. vermeintlich abzuschaffender Bezeichnungen und Wörter, verheißt nichts Gutes. Wird dadurch unsere Welt besser? Wahrscheinlich nicht. Höchstens ärmer in der Sprache, kleinkarierter, technokratischer und ideologischer«, schrieb beispielsweise ein Herr Richter aus Radebeul. Auch das Stadtoberhaupt klinkte sich in die Debatte ein. »Wir müssen mit unserer Geschichte leben und können und dürfen sie nicht nach Belieben versuchen zu korrigieren. Wir Menschen sind und bleiben nun einmal unvollkommen und so auch unsere Geschichte mit all ihren Facetten«, schrieb Bert Wendsche – als Privatperson, wie das Rathaus auf Nachfrage mitteilte. Ähnlich CDU-Fraktions-Chef Ulrich Reusch: »Historische Bezeichnungen zu tilgen, das ist moderne Bilderstürmerei und kein Beitrag zu einer kritischen Auseinandersetzung.« Am Ende machten sich mehr als 2.000 Menschen mit ihrer Unterschrift dafür stark, dass alles so bleibt wie es ist. Rund 1.100 Unterzeichner gaben an, in Radebeul zu wohnen. Bis heute ist nicht genau klar, woher die denkmalgeschützte Villa ihren Namen hat. Erzählt wird die Legende, wonach der Bewuchs der ehemaligen Weinberge an dieser Stelle wie Mohrenköpfe aussah, zumindest aus der Ferne.

Für einen neuen Namen

»Schwarze Menschen, die in Deutschland in Völkerschauen ausgestellt wurden, nannte man Mohren. Diese Menschen wurden wie Zirkustiere dazu genötigt, Handlungen zu vollführen oder Schmuck und Kleidung zu tragen, die sie möglichst wild und »exotisch« wirken ließ. Der Begriff ist also direkt verknüpft mit der Entmenschlichung und Demütigung schwarzer Menschen«, argumentiert die RIKA-Gruppe und ist damit nicht allein. Mehr als 1.000 Menschen haben inzwischen eine Petition für die Umbenennung unterzeichnet. Sie führen überwiegend an, dass »Mohr« rassistisch und nicht mehr zeitgemäß sei. »Wäre es nicht an der Zeit die Kinder der KiTa in den Mittelpunkt zu stellen anstelle der Tradition?«, fragen die Initiatoren der Petition. Unterstützung kommt von der Fraktion Bürgerforum/Grüne. Sie hat einen Antrag eingebracht, wonach im Stadtrat über das Anliegen der Schüler(innen) beraten werden soll – ganz ergebnisoffen. Zudem will die Fraktion auch die Gründe in Erfahrung bringen, wie die Mohrenstraße im Jahr 1915 zu ihrem (vorläufig) endgültigen Namen kam. Dafür haben die Jugendlichen schon einen Ersatz gefunden: Familie-Roelke-Straße. Erinnert werden soll damit an die gleichnamige jüdische Familie, die in Radebeul lebte und den Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Für ihren Vorstoß mussten die Jugendlichen bis heute viel Kritik einstecken. Sie wünschen sich einen sachlicheren Umgang mit dem Thema, und Unterstützung durch die Stadt.


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