C. M. Schwab/kun

»Wir sind an Grenzen gestoßen, aber wir werden sie erweitern«

Guben/Cottbus. Zwei Jahre liefen die Vorbereitungen, am Donnerstag (26. Oktober) war es so weit. Es startete der erste Demonstrationsflug einer Drohne mit medizinischen Proben von Guben nach Cottbus. Überwunden wurde eine Distanz von 40 Kilometern. Der Flug einer zivilen Drohne über diese Langstrecke stellt deutschlandweit eine Premiere dar. Die Lausitz spielt somit ein weiteres Mal eine Vorreiterrolle.
Beate-Victoria Ermisch, Projektleiterin beim Naemi Wilke-Stift Guben, startete den Testflug mit medizinischen Proben von Guben nach Cottbus. Der Verlauf war erfolgreich.

Beate-Victoria Ermisch, Projektleiterin beim Naemi Wilke-Stift Guben, startete den Testflug mit medizinischen Proben von Guben nach Cottbus. Der Verlauf war erfolgreich.

Bild: Jörg Tudyka

2021 begann die Entwicklung dieses Projekts, »CureFly« genannt, im Auftrag des Naemi Wilke-Stifts, dem Gubener Krankenhaus. Dort werden die täglich anfallenden medizinischen Laborproben mehrmals am Tag per PKW rund 40 Kilometer nach Cottbus zum MVZ Labor Cottbus gefahren. Das kostet Zeit, Geld und bindet Personal, das immer schwerer zu finden ist. Die mögliche Lösung: Der Transport per Drohne.

Doch was sich einfach anhört, ist nicht so leicht getan. Bislang gibt es mit Drohnen über eine solche Distanz keinerlei Erfahrungen. Die Drohnen müssen zudem sicher und zuverlässig sein. Erst recht, wenn es um so sensibles Material wie Laborproben geht. Da sind diverse Vorschriften, u.a. auch zum Datenschutz, zu beachten. Zudem gilt es, die strengen Vorgaben des Luftfahrtbundesamts, was zum Beispiel Flugrouten betrifft, zu beachten.

 

Konsortium Guben - Wildau - München

Das Wilke-Stift holte sich deshalb fachkundige Unterstützung. Mit der Titus Research GmbH Wildau fand sich ein Institut, das sich mit autonomen, also unbemannten Fahrzeugsystemen beschäftigt. Mit der Münchener Phoenix Wings GmbH kam ein Unternehmen hinzu, das in der Lage war, eine angemessen starke Fracht-Drohne zu entwickeln. Das konnten regionale Drohnenentwickler, so Beate-Victoria Ermisch, Projektleiterin des Wilke-Stifts, leider nicht anbieten.

Das Testgerät verfügt über eine Spannweite von drei Metern, kann bis zu 15 Kilogramm Ladung aufnehmen und verfügt über ein Akkusystem, welches entsprechend ausdauernd die geforderte Strecke überwinden kann. Erfolgreich wurden Projektgelder beim Bundesamt für Verkehr und Logistik beantragt und bewilligt. Der Testflug verlief ohne Beanstandungen. Da die Hürden, über bewohnte Gebiete zu fliegen, jedoch sehr hoch sind, wurde aus Sicherheitsgründen am Stadtrand von Guben gestartet und in Kahren, am Stadtrand von Cottbus, gelandet.

 

Deutschland ist innovativ, aber langsam

Überhaupt sei Deutschland zwar sehr innovativ, so Prof. Uwe Meinberg von Titus Research, aber was Genehmigungen betrifft sehr langsam. Der Gesamtprozess zur Ermöglichung unbemannter Drohnenflüge hätte zehn Jahre gedauert.

Doch davon lässt sich das Projektteam nicht entmutigen. Beate-Victoria Ermisch geht davon aus, dass nach weiteren Tests und Planungen der Regelbetrieb von Haus zu Haus in den nächsten zwei bis drei Jahren möglich werden wird: »Wir sind jetzt an Grenzen gestoßen, aber wir werden die Grenzen erweitern.« Denn mit dem Fördermittelbescheid sei ein deutliches Signal verbunden gewesen: Probiert es aus! Dann könne der nächste Schritt erfolgen.

 

Unterstützung von allen Seiten

Die Projektleiterin verweist dabei auch auf die Unterstützung, die ihr regional von allen Seiten gegeben wurde. Nicht zuletzt der Bürgermeister von Guben, die CIT GmbH, Wirtschaftsförderung des Landkreises, machten Wege frei, wo nötig. Aber auch alle Landbesitzer, inklusive die LEAG mit ihren Tagebauen, genehmigten einen Flugkorridor über ihre Areale. Denn auch das ist Bestandteil der Gesetzgebung.

 

Wirtschaftlicher Regelbetrieb nur gemeinsam

Was die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung dieser Alternative zu herkömmlichen Transporten von medizinischen Proben betrifft, ist dem Initiator Naemi Wilke-Stift bewusst, dass das nur gemeinsam mit anderen Bedarfsträgern funktionieren kann. Denn neben dem Wilke-Stift müssen auch diverse Arzt-Praxen Proben in das Cottbuser Groß-Labor transportieren. »Wirtschaftlich wird die Drohnen-Variante sicher nur gemeinsam«, meint Projektleiterin Ermisch. Doch das sind die Geburtswehen jeglicher Innovation. In Guben scheinen die Chancen dabei größer als anderswo. Schließlich sei es auch sinnvoll, grenzüberschreitend zu denken, so Andreas Mogwitz, Verwaltungsdirektor des Wilke-Stifts. Zu Zeiten der Corona-Epidemie hätte das schon notgedrungen funktioniert, jetzt könne man planvoller rangehen.

 

Pioniergeist der Lausitz

Gut zu wissen, dass dieses Pilotprojekt nicht nur auf die medizinische Branche begrenzt ist. »Das Drohnentaxi wird, ausgereift, Möglichkeiten für diverse Unternehmen am Standort und darüber hinaus eröffnen«, ist sich Gubens Bürgermeister Fred Mahro sicher.

Das kann Tobias Schwieg nur bestätigen. Denn schließlich treibt der Geschäftsführer der Flugplatzgesellschaft Cottbus-Neuhausen mbH seit Jahren die Erprobung des praktischen Einsatzes von Drohnen für die regionale Wirtschaft voran. Dazu gehören u.a. eine Drohnenschule und die Entwicklung des bundesweit noch nicht existenten, aber dringend notwendigen Berufsbildes Mechatroniker für unbemannte Luftfahrt.

Mit dem Testflug einer Fracht-Drohne über eine Langstrecke vereinigt sich ein weiteres Mal der Pioniergeist einer Region im Umbruch - der Lausitz.


Meistgelesen