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Tony Keil

»Jeder ist eingeladen, seine Ideen einzubringen«

Der Strukturwandel kann nur gelingen, wenn er gesellschaftlich akzeptiert wird und sich möglichst viele Menschen einbringen. So sieht's Dr. Johannes L.Sauerwein

Dr. Johannes L. Sauerwein

Dr. Johannes L. Sauerwein

Bild: Tony Keil

Dr. Johannes L. Sauerwein wurde in Limburg geboren, studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der SRH Hochschule Heidelberg und promovierte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 2015 widmet er sich als Ökonom sozialen Fragestellungen in Transformationsprozessen. Seit April 2019 berät er Unternehmer und Regionen als wissenschaftlicher Mitarbeiter des lfUS-lnstitutes für Unternehmenssanierung in Restrukturierungs- und Sanierungsfragen. Diese Tätigkeit hat er seit Sommer 2019 als Grantiro-Consultant in den Bereichen »Geschäftsmodelle in der Krise« komplementiert.

Letzteres zog ihn nach Görlitz. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Görlitzer Grantiro-Niederlassung. Die Idee von Grantiro ist es, einen Prozess wie den Strukturwandel wie ein Unternehmen zu denken. Das Geschäft mit der Kohle läuft nicht mehr, also müssen neue Geschäftsfelder her. Um die zu finden, setzt man auf die Ideen der Bürger. »Bottom-up« nennt man das im Wirtschafts-Sprech. Es bedeutet auf ein Unternehmen bezogen, dass nicht die Chefetage vorgibt, wo es langgeht, sondern die Mitarbeiter ihre Ideen und Vorstellungen einbringen.

»Meine Überzeugung ist, dass neue sozial-ökologische Megatrends und Technologien auch unbedingt Chancen für die Transformation des Landkreises und damit auch für die Menschen hier verheißen«, sagt Sauerwein. Um diese Chancen zu nutzen, müsse man den Landkreis unternehmerisch denken. Wie können vorhandene industrielle Kompetenz, das Know-how und das Engagement der Menschen, die Einzigartigkeit des Dreiländer-Ecks und insbesondere auch die fast schon einzigartige Ballung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen so (neu) kombiniert werden, dass ein Fortschritt für alle entsteht? Was er unter »unternehmerisch« versteht? »Alle Bürger und Ideen einbinden, keine Chancen übersehen, heute schon Antworten auf die Fragen von morgen geben und die Freude am Gestalten«, sagt Sauerwein.

Dazu ist er mit Grantiro auf der Suche nach den Kreativen im Landkreis Görlitz, den Menschen mit besonderer Sozialkompetenz, mit besonderen Hobbies und besonderem Engagement. »Und meine Erfahrung aus Innovationsprozessen in der Vergangenheit hat mich gelehrt: Kreativität steht nicht in Zusammenhang mit Ausbildung, Bildungsgrad und Arbeitsposition – kreatives Denkvermögen ist wild verteilt«, so Sauerwein.

Praktisches Beispiel: Mit Grantiro wurde die Kampagne #standorterhalten gestartet. Im Waggonbau Görlitz sollen 400 Stellen abgebaut werden. Gemeinsam mit Mitarbeitern, Bürgern und Unterstützern entwickelt die Kampagne neue Idee für ein zukünftiges Geschäftsmodell. Aufbauen auf den Kompetenzen des Waggonbaus (u.a. jahrzehntelange Erfahrung, prototypisch Dinge einfach machen, kein langer Engineering-Vorlauf, Herzblut) sind bereits ca. 150 Ideen entstanden, die die Zukunft des Standortes in Görlitz verändern sollen. »Wir laden jeden Bürger ein, sich für die Zukunft des Standortes auszusprechen und seine Ideen einzubringen«, so Sauerwein.

Was es aus seiner Sicht braucht, um den Strukturwandel erfolgreich zu gestalten? Die Erfahrungen und Ideen der betroffenen Menschen. Und Respekt vor deren Lebensleistungen. Nur so könne Vertrauen erzeugt werden. Neben der wirtschaftlichen Machbarkeit ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine notwendige Bedingung.

Mehr Infos unter www.strukturentwicklung.sachsen.de 


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