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Pflege muss einfach einfacher werden

2. Messe zum Thema in Dresden erfolgreich / Bedürfnis nach Beratung wird immer größer.

Am ersten Septemberwochenende fand die 2. Dresdner Pflegemesse statt. Eines wurde ganz offensichtlich – der riesige Informationsbedarf der Betroffenen, die sich von Sozialgesetzbüchern erschlagen fühlen. Die Oberlausitzer Veranstaltungs- und Werbeagentur (OVWA) und der WochenKurier Lokalverlag hatten zur 2. Dresdner Pflegemesse geladen. Mit einem Ausstellerkreis von mehr als 90 Firmen und Einrichtungen und zahlreichen Vorträgen erlebten die Besucher ein abwechslungsreiches Wochenende. „Wir hatten ca. 1.500 Besucher, die sehr interessiert am Thema Pflege waren und es gab an den Ständen viele intensive Gespräche. Die Aussteller sind überwiegend sehr zufrieden und wir haben die ersten Zusagen für die Messe 2018", sagte WochenKurier-Verlagsleiterin Sina Häse nach der Messe. Neben Pflegediensten, Seniorenresidenzen und Aus- sowie Weiterbildungseinrichtungen präsentierten sich auch zahlreiche Unternehmen mit innovativen Konzepten rund ums Thema. So hatte die Cultus gGmbH gemeinsam mit der HTW Dresden die Pflege-Roboter-Dame „Anna Constantia" vorgestellt. Die Maschine befindet sich noch im Entwicklungsstadium, könnte künftig aber Pflegepersonal entlasten und für therapeutische Zwecke eingesetzt werden.

Reden mit Augen

Das Dresdner Unternehmen „Interactive Minds" stellte das Sensorsystem „Eyetracking" vor, dass es Patienten ermöglicht, Anwendungen auf dem Rechner mit den Augen zu steuern und so mit der Umwelt zu kommunizieren. Insbesondere Locked-In-Patienten, also Menschen, die bei vollem Bewusstsein, aber körperlich und sprachlich gelähmt sind, wird so die Teilhabe am Leben wieder ermöglicht. In der Podiumsdiskussion wurden gleich mehrere Probleme deutlich: So machte eine Besucherin auf die schlechte Situation der pflegenden Angehörigen aufmerksam. Sie selbst pflege seit 22 Jahren ihren schwerstbehinderten Sohn und hat dafür ihren Job an den Nagel gehängt.

Stundenlohn: 5 Euro

Dass sie dafür mit einem Stundenlohn von 5,35 Euro abgespeist werde sei nicht gerecht. Zudem müsse sie sich nun mit dem Jobcenter herumärgern, der sie und ihren Sohn in eine kleinere Wohnung stecken möchte. Unüberhörbar war der mehrheitliche Wunsch nach zentralen Beratungsstellen und zwar über alle Leistungserbringer hinweg. „Der Informationsbedarf bei älteren Menschen und deren Angehörigen ist einfach riesig", sagte Susanne Hentschel, Bereichsleiterin Soziale Dienste beim Johanniter Regionalverband Dresden. Einen Großteil der Beratungsarbeit federten die Mitarbeiter der sozialen Träger inzwischen selbst ab. Sachsen verfolgt das Konzept der vernetzten Pflege und hat und die Angelegenheit den Pflegekoordinatoren und den Kommunen übertragen. Sie sollen künftig die Beratung vor Ort organisieren. Ob die „Kann-Bestimmung" jedoch umgesetzt wird, steht in den Sternen. „Die Gemeinden haben dringlichere Probleme. Der Gesetzgeber muss hier einheitliche Standards schaffen", sagte die Linken-Politikerin Birgit Wöllert (MdB). Das Image der Pflegeberufe war ebenso Thema. „Über die Dienste, die ihre Arbeit ordentlich machen – und das ist der Großteil – wird nicht gesprochen", sagte Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU- Fraktion im Deutschen Bundestag. So wurde von einem Fall aus Löbau berichtet, wo der Tag für die Mitarbeiterinnen regelmäßig 6 Uhr beginnt und 19.30 Uhr endet. Im Pflegealltag gibt es aber auch ganz praktische Probleme, wie z.B. der Parkplatz für den mobilen Pflegedienst beim Kunden. Den gibt es meistens nicht. Ärger mit dem Ordnungsamt oder anderen Autofahrern ist vorprogrammiert. Ingo Ratzenberger, Inhaber des Dresdner „Pflegedienstes Schwester Agnes", fragte provokativ, ob es denn immer das Auto sein müsse? André Schramm


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