

Thema war die Industrie- und Sozialpolitik Deutschlands, unter dem besonderen Blickwinkel des anstehenden Strukturwandels. Zum Thema äußerten sich der Kanzlerkandidat der SPD und Bundesfinanzminister Olaf Scholz sowie IG BCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis in Redebeiträgen, aber auch in einer Podiumsdiskussion. An dieser nahmen auch Bezirksleiterin Ute Liebsch und Tom Karl, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Kraftwerk Jänschwalde, teil.
Der Konferenz waren 220 Teilnehmer, unter ihnen Gäste aus dem Mitteldeutschen Revier, gefolgt. Kanzlerkandidat Scholz erklärte, dass die getroffenen Vereinbarungen zum Strukturwandel im Kompromiss um den Kohleausstieg bis 2038 für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmner der Region wichtig für die Lausitz sind und auch nach der kommenden Bundestagswahl eingehalten
werden.
Als Olaf Scholz vor der Stadthalle Cottbus eintraf, wurde er umgehend mit den Kernproblemen der Lausitz konfrontiert. Beispielhaft zeigten Azubis vom Kraftwerk Jänschwalde Flagge. Denn die Zukunft des traditionsreichen Braunkohle-Kraftwerks scheint symptomatisch für die Perspektive der Lausitz und aller derjenigen, die hier leben und arbeiten. Schlagwörter wie »Jugend«, »Chancen« und »Jobs«, Slogans wie »Wir sind hier – was ist mit uns?«, »Unsere Kohle für unsere Zukunft« oder »APG ist gut. Aber was macht der Rest?« waren zu lesen und legten den Finger in die Wunden.
Aber auch für ein klimaneutrales Innovationskraftwerk machten sie sich stark. Während der Konferenz dann offerierte Olaf Scholz, dass er sich der Herausforderungen, vor denen Deutschland in den nächsten Jahren steht, bewusst ist und betonte: »Wer kennt die besser als ihr hier vor Ort«. Scholz, der übrigens keinen Hehl daraus machte, sich als zukünftiger Kanzler zu positionieren, unterstrich: »Es gilt die Zusagen, den Kohleausstieg und die Folgeperspektive betreffend, einzuhalten. Der Strukturwandel braucht viel Geld und darf nicht abstrakt bleiben, die Perspektive muss sichtbar sein.« Als gute Beispiele nannte er den Ausbau des Deutsche-Bahn-Werkes mit 2.000 neuen Arbeitsplätzen, ein gemeinsames, zukunftsfähiges Ausbildungsprofil von Deutsche Bahn und LEAG den Aufbau einer Universitätsmedizin am Carl Thiem-Klinikum Cottbus, verschiedene Wasserstoff-Projekte und touristische Entwicklungen im Lausitzer Seenland.
Aber, so der Kanzlerkandidat, ihm sei bewusst, dass nicht alle dabei entstehenden neuen Arbeitsplätze auch passend für Arbeitnehmerinnen und arbeitnehmer aus dem Bergbau sein werden. »Deshalb müssen wir verstärkt an die Tradition der Region anknüpfen.« Wenn es also zukünftig um Innovationen auf dem Energiesektor geht, müssten die dort stattfinden, wo es bereits lange Traditionen auf diesem Gebiet gibt – wie zum Beispiel in der Lausitz. Dann seien auch die Beschäftigungsmöglichkeiten für ehemalige Berg- und Energiearbeiter weiterhin gut.
IG BCE-Chef Michael Vassiliadis ergänzte: »Die Region übernimmt dabei Verantwortung.« Er verwies darauf, dass Klimaneutralität schon immer ein Thema für die IG BCE gewesen sei. Nicht das »Ob?«, sondern das »Wie?« jedoch sei entscheidend und die Frage: »Wer trägt die Last?« Michael Vassiliadis saß gemeinsam mit Vertretern Lausitzer Kommunen in der Kohlekomission. Deren Arbeit trug schließlich dazu bei, dass im August 2020 das Strukturstärkungsgesetz verabschiedet wurde, welches den Weg zum Kohleausstieg und danach gestalten soll. »Das geht nur gemeinsam, bundesweit und nur sozial gerecht. Etwas, das schon immer zur Aufgabe der Arbeiterbewegung gehörte.« Der Gewerkschaftsvorsitzende stellte klar: »Wir stehen vor einer gigantischen Transformation, die nicht nur der Markt alleine regulieren kann.«
Der Politik nun müsse es darum gehen, zu planen und zu investieren, und nicht nur darum, was abzuschalten ist. Davon betroffen zeigte sich auch Tom Karl, JAV Vorsitzender im Jänschwalder Kraftwerk: »Was nützt eine gute Ausbildung bei der LEAG, wenn anschließend der Job dazu fehlt?«
Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat Scholz indes wiegelte alle Skepsis ab und beantwortete auch die kritischen Fragen von Gewerkschaftern aus dem Publikum mit optimistischen Versprechen zur Finanzierung des Strukturwandels. »Das Geld ist da und wird auch dafür ausgegeben, egal wie sich sonst die Dinge entwickeln. … Wir werden es schon hinbekommen, dass hier genügend investiert wird.«
Das klang gut. Einige Konferenzteilnehmer jedoch machten deutlich, dass sie ihm dabei nicht folgen wollten. Moderator Ralf Jußen, selbst IG-Mitglied, fand dazu das passende Schlusswort: »Die Gewerkschaft wird Ihnen weiter im Nacken sitzen, Herr Scholz, ob als Minister oder Kanzler.«