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Johanniter feiern Jubiläum

Der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) e.V. kann in Südbrandenburg am 30. Juni 2020 auf sein 30-jähriges Jubiläum blicken. WochenKurier im Gespräch mit dem JUH-Regionalvorstand Matthias Rudolf, Hans Arndt und Andreas Berger-Winkler.
Der Regionalvorstand des Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Südbrandenburg besteht aus Matthias Rudolf (li.), Hans Arndt (Mitte) und Andreas Berger-Winkler (re.). Foto: Izabela Debska-Rosemeier

Der Regionalvorstand des Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Südbrandenburg besteht aus Matthias Rudolf (li.), Hans Arndt (Mitte) und Andreas Berger-Winkler (re.). Foto: Izabela Debska-Rosemeier

Herzlichen Glückwunsch! Der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) e.V. kann 2020 in Südbrandenburg auf sein 30-jähriges Jubiläum blicken. Mit welchen Gefühlen betrachten Sie dieses Jubiläum? Matthias Rudolf: Wir sind stolz, beeindruckt, positiv nachdenklich und dankbar! Aus welcher Motivation heraus sind damals die Johanniter in Cottbus aktiv geworden? Hans Arndt: Im Frühjahr 1990 setzte sich der überall offensichtliche Niedergang der DDR immer schneller fort und es kam ein Wiedervereinigungsprozess der beiden deutschen Staaten in Gang. In dieser Umbruchsphase gab es eine kleine Gruppe von Mitarbeitern der SMH - so hießen Rettungsdienst und Notdienst damals -, die von innen heraus eine Vielfalt von Anbietern auch auf ihrem Arbeitsfeld herbeiwünschten und diesen Prozess selber in die Hand nahmen. Sehr mutig und vorausschauend damals! Und dann passten die Johanniter eben besonders gut zu uns. Wer war einst an der regionalen JUH-Gründung vor 30 Jahren beteiligt und wer hat dabei geholfen? Hans Arndt: Die kleine Gruppe bestand aus zunächst zehn Mitgliedern: Georg Dietrich Möller, Peter Dannenberg, Uwe Blumhagen, Lothar Seefried, Peter Schlodder, Adalbert Buske, Dieter Grandke, Arne Hammer und Ingbert Noack und Wilfried Schulze. Wenig später kamen zwei leitende Mitarbeiter aus dem Rhein-Berg-Kreis als „Aufbauhelfer Ost“ dazu und ich wurde auch mit ins Vertrauen gezogen. Die Geschichte der Johanniter in Südbrandenburg begann in einer kleinen Dachkammer in der Cottbuser Thiemstraße mit einem ehrenamtlichen Behindertenfahrdienst. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die ersten Wochen nach dem Start? Welche Probleme gab es? Hatten Sie überhaupt ein Telefon? Hans Arndt: Ja, so ist es. Ich erinnere mich sehr gut an diese Dachkammer. Natürlich gab es reichlich Probleme, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Ein Telefon war nur der Anfang einer großen Mängelliste. Vor allem aber erinnere ich mich an die ungeheure Motivation der rein ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung und eine neue Verbundenheit im Team, wie es vorher nicht war. Was waren in den Anfangsjahren die ersten Schwerpunkte in der Arbeit der Johanniter? Hans Arndt: Zunächst haben wir da angepackt, wo ein Hilfsangebot noch gänzlich fehlte. Das war der Behindertenfahrdienst. Heute selbstverständlich, damals völlig neu. Fahrzeuge mit brauchbarer Ausrüstung kamen aus Nordrhein-Westphalen, das Know how wurde gleich mit importiert und innerhalb weniger Wochen funktionierte der Dienstplan. Die Verantwortlichen der Stadt Cottbus halfen uns unkompliziert, wo es ging und die Rollstuhlfahrer aus Stadt und Landkreis Cottbus nahmen unser Angebot schnell an. Jetzt waren wir erstmal überhaupt da. Der Einstieg in weitere soziale Dienste und den Rettungsdienst hatten wir einige Monate später, zwar auch hier unter noch jahrelang provisorischen Bedingungen, aber mit hoher Motivation. Die Gründung des einstigen Kreisverbandes Cottbus der Johanniter fand vor drei Jahrzehnten in der Oberkirche Cottbus statt. Ein passender Ort, denn die JUH ist eine evangelische Hilfsorganisation und gehört zum Johanniterorden. Inwieweit spielt bei den Südbrandenburger Johannitern der christliche Aspekt heute noch eine Rolle? Matthias Rudolf: Die christlichen Werte, wie beispielsweise Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Toleranz sind die entscheidenden Eigenschaften. Allerdings sollte das bei jedem Menschen eine Rolle spielen – egal ob Christ oder nicht! Menschen in schwierigen Situationen zu helfen ohne zu bewerten, wie der Mensch da hineingeraten ist, das ist doch das elementar Wichtige in einer Gesellschaft und im Leben. Nach 30 Jahren ist der kleine Verband aus Cottbus zum Regionalverband Südbrandenburg mit 300 ehrenamtlichen und 600 hauptamtlichen Mitarbeitern gewachsen. Worauf sind Sie heute am meisten stolz? Andreas Berger-Winkler: Natürlich auf das jüngste „Kind“, das Kinderhaus Pusteblume. Aber auch auf völlig neue Angebote seit 2019 wie die erste Johanniter-Ergotherapiepraxis in Brandenburg. Dazu das konstante und permanent wachsende Engagement unser ehrenamtlichen Mitarbeiter in den verschiedensten Bereichen. Matthias Rudolf: Das wir in den vergangenen 30 Jahren sechs Dienststellen gegründet und ausgebaut haben, insbesondere auch in den Leistungsgebieten Fahrdienst, Hausnotruf, Kindertagesstätten, Kinderkrankenpflege, ist auch sehr beachtlich. Somit haben wir auch viele Arbeitsplätze geschaffen. Insgesamt müssen wir aber wirklich sagen, dass wir auf die Eröffnung und den Ausbau aller unserer zirka 40 Leistungsgebiete sehr stolz sind! Wie würden Sie den typischen Johanniter beschreiben? Aus welchem Holz ist er geschnitzt? Matthias Rudolf: Der typische Johanniter bewertet und beurteilt nicht, weshalb und wie Menschen in eine Notsituation oder sozial schwierige Lage geraten sind, sondern er hilft diesen Menschen gerne, mit innerer Überzeugung und herzlichem und guten Willen. Damit tut er nicht nur den hilfsbedürftigen Menschen etwas Gutes, sondern auch sich selber und trägt damit auch zu einer den Nächsten unterstützenden Gesellschaft bei. Der typische Johanniter ist freundlich, hat Durchhaltevermögen und lässt sich von schwierigen Situationen nicht unterkriegen, braucht aber auch seine Auszeiten und Erholungsphasen. Welchen Herausforderungen müssen sich heute die Johanniter in Südbrandenburg stellen? Andreas Berger-Winkler: Auch die Johanniter müssen sich Ausschreibungen und Vergaben stellen. Leider spielt Qualität und zum Beispiel faire Entgelte für die Mitarbeiter dabei nicht immer die Rolle, sondern nur der günstigste Preis. Dies kann und darf nicht weiter das Maß der Dinge bei der Leistungerbringung am und mit Menschen sein. Matthias Rudolf: Unsere sozialen Dienste, die wir für die Menschen anbieten, unterliegen dem freien Wettbewerb. Das ist insgesamt gesehen auch normal und gut so. So haben wir immer den Anspruch, uns weiter in Qualität und Kreativität zu entwickeln. Leider wird das manchmal durch die Kostenträger für uns nachteilig ausgenutzt. Aber damit muss man leider irgendwie klarkommen. Grundsätzlich haben wir aber meist ein sehr gutes und faires Verhältnis zu unseren vielen Partnern, zu denen natürlich auch die Kostenträger gehören. Sehr ärgerlich und nicht nachvollziehbar sind immer solche Kostenverhandlungen, in denen der Kostenträger alle sachlichen Argumente von uns nachvollziehen kann und dennoch eine andere Entscheidung trifft. Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie, um diese Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen? Andreas Berger-Winkler: Ein Umdenken, Verständnis und Akzeptanz bei Kostenträgern und in der Politik. Matthias Rudolf: Es ist wichtig, dass die Politik und die Kostenträger unser „Tarifwerk“, nach dem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlt werden, vollumfänglich für jedes Leistungsgebiet anerkennen und auch kostendeckend finanzieren. Leider werden hier immer noch Unterschiede in der Finanzierung gemacht. Das können und wollen wir nicht verstehen und akzeptieren. Welche Strahlkraft beziehungsweise welches Ansehen besitzen heute die Johanniter in Südbrandenburg? Was sind Ihre Erfahrungen? Andreas Berger-Winkler: Von Senftenberg bis Schönefeld und Elsterwerda bis Guben sind wir inzwischen akzeptiert und bekannt. Im Prinzip kannten die Johanniter 1990 keiner. Heute ist das anders. Als Träger von Kitas bis hin zum Rettungsdienst nimmt uns Jung und Alt in der Öffentlichkeit wahr. Familienangehörige von Mitarbeitern engagieren sich, Firmen und Vereine unterstützen unsere vielen sozialen Projekte. Ein schöneres Zeichen von Akzeptanz, Vertrauen, Wertschätzung und Anerkennung gibt es doch nicht. Matthias Rudolf: Unser Ziel ist, dass jeder die Johanniter zumindest kennt und weiß, was „die so machen“. Wir sind da auf einem guten Weg, der nach 30 Jahren sicher noch nicht beendet ist. Der Respekt gegenüber Rettern wie den Johannitern scheint abzunehmen. Immer öfter müssen sich Retter mit Beschimpfungen, Gaffern und teilweise auch Gewalt gegen sich selbst auseinandersetzen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Welche Erfahrungen haben die Johanniter in Südbrandenburg gemacht? Andreas Berger-Winkler: Ja es stimmt, dass verbale und tätliche Angriffe zunehmen und der Job gefährlicher wird. Die Grenzen fallen zunehmend, sodass immer öfter die Polizei dazu geholt wird. Im Falle eines drohenden oder konkreten Angriffs darf die Einsatzkraft die Hilfeleistung unterlassen, bis diese Gefahr gebannt ist. Die Einsatzkraft darf sich im konkreten Angriff mit dem mildesten, effektiven Mittel wehren, um sich selbst oder andere zu schützen. In Südbrandenburg gehört dies Gott sei dank noch zu den Ausnahmen. Dennoch bieten wir im Bereich Prävention und Deeskalation entsprechende Angebote für unsere Mitarbeiter im Rettungsdienst an. Weiterhin werden entsprechende Angebote vorgehalten, Einsatzkräften nach psychisch traumatisierenden Einsätzen zu helfen. Mit dem Kinderhaus »Pusteblume« in Burg (Spreewald) ist kurz vor dem Jubiläum ein Herzenswunsch der Johanniter in Erfüllung gegangen. Welchen Stellenwert nimmt die »Pusteblume« im Regionalverband Südbrandenburg ein? Matthias Rudolf: Einen absolut hohen Stellenwert. Im Jahr 2007 haben wir mit der ambulanten Kinderhospizarbeit begonnen, im Jahr 2008 die ambulante Kinderkrankenpflege gegründet. Aus diesen beiden Leistungsgebieten und dem Engagement sowie der Fachkenntnis der entsprechenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und unseres Projektleiters ist über die vergangenen Jahre das Projekt „Kinderhaus Pusteblume“ realisiert worden. Immer noch ein bisschen „unglaublich“ – toll, faszinierend und einmalig. Welche weiteren Projekte haben sich die Johanniter hier vor Ort auf die Fahne geschrieben? Matthias Rudolf: Na ja – wir haben in den vergangenen Jahren so viele neue Projekte und Leistungsgebiete auf den Weg gebracht. In den kommenden Jahren gilt es, diese zu stabilisieren und individuell weiter zu entwickeln. Schon das ist eine große Herausforderung für uns. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitswesen ist. Welche Erkenntnisse haben Sie für die Johanniter aus der Corona-Pandemie mitgenommen? Andreas Berger-Winkler: Die Ausbreitung des Coronavirus stellte auch die Johanniter vor große Herausforderungen. Wir nehmen die potenziellen Gefahren von COVID-19 sehr ernst, haben die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet und unsere Mitarbeitenden umfangreich über Hygiene- und Schutzmaßnahmen informiert und geschult. Ein regionaler Krisenstab hat seine Arbeit aufgenommen und die Maßnahmen für den Regionalverband Südbrandenburg koordiniert und geleitet. Wir freuen uns, dass vor der Corona-Pandemie festgelegte und abgestimmte Regularien und Mechanismen gegriffen und funktioniert haben und wir unter unseren Mitarbeitern nicht einen einzigen Corona-Fall hatten. Matthias Rudolf: Es gibt aber auch die andere Seite, die man nicht vergessen darf. Viele unserer Leistungen konnten nicht durchgeführt werden, insbesondere auch der Fahrdienst für ältere und kranke Menschen sowie Menschen mit Behinderungen. Viele soziale und medizinische Einrichtungen unserer Partner mussten geschlossen werden – somit waren wir mit unserem Fahrdienst auch direkt betroffen. Es war und ist auch für uns ein „finanzieller Drahtseilakt“. Leider hat die Bundesregierung bisher beispielsweise für Fahrdienste, und da sind wir ja nicht die einzig Betroffenen, keine geeigneten finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen. Am 31. Oktober dieses Jahres ist es soweit: Der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) nimmt in Schönefeld seinen Betrieb auf. Die Rettungswache am BER sichern die Johanniter ab. Inwieweit fiebern Sie die Eröffnung des BER entgegen Andreas Berger-Winkler: Natürlich sehr. Es ist auch für die Mitarbeiter etwas Besonderes auf dieser neuen und sehr modernen Rettungswache den Dienst zu verrichten. Wir wurden ja gerade bei der Eröffnung sehr belächelt, warum es dort eine Rettungswache gibt. Dazu kommen dann noch die besonderen einzuhaltenden Einsatzabläufe auf einem Flughafen mit internationalen Fluggästen und in Zusammenarbeit mit der Flughafenfeuerwehr. Zurück zum JUH-Jubiläum: Wann, wie und mit wem werden die Südbrandenburger Johanniter das 30-jährige Jubiläum feiern?
Izabela Debska-Rosemeier aus der Kommunikationsabteilung der JUH: Am 30. Juni hatten wir eine große offizielle Feier mit Vertretern des Ordens, der Wirtschaft und Politik in der Oberkirche, dem Ort der Gründung des Regionalverbandes, geplant. Aufgrund der Pandemie sind wir gezwungen, von diesem Festakt abzusehen. Dennoch möchten wir unseren Geburtstag nicht einfach stillschweigend hinnehmen. Dreißig Jahre sind ein Grund, stolz zu sein und dies auch zu zeigen. Mit Unterstützung des Stadtmuseums Cottbus führen wir eine offene Gesprächsrundenreihe durch. Bereits im Februar fand das erste Treffen zum Thema „Geschichte des Johanniter-Ordens“ statt. Nachdem die Termine im März und Mai ausfallen mussten, wollen wir Interessierte am 29. Juli wieder in die Räumlichkeiten des Stadtmuseums einladen. In der Podiumsdiskussion werden Mitarbeiter der ersten Stunde aber auch Kolleginnen und Kollegen teilnehmen, die mit ihrer Arbeit neue Wege für die Zukunft des Regionalverbandes Südbrandenburg festlegen. Am 4. November wird abschließend eine Ausstellung im Stadtmuseum eröffnet. Im Augenblick entsteht eine Filmreportage, die am 30. Juni online abrufbar sein wird. Wir sind auch stolz, unsere Geschichte in der Reihe „Cottbuser Blätter“ veröffentlichen zu dürfen. Diese Publikation wird ebenfalls ab dem 30. Juni verfügbar sein. (Vielen Dank, Stefan Staindl)

30 Jahre, 30 Tage, 3 Projekte

Spendenaktion für ehrenamtliche Arbeit
Aus Liebe zum Leben wollen die Südbrandenburger Johanniter auch in den nächsten 30 Jahren Menschen in allen Lebenslagen helfen. Und dafür bitten sie um Unterstützung. Unter dem Motto „30 Jahre – 30 Tage – 3 Projekte“ kann bis zum 31. Juli 2020 das Spendenziel von 3.030 Euro für die Johanniter-Nachwuchsarbeit und drei ehrenamtliche Projekte in Südbrandenburg unterstützt werden. Gemeinsam soll die Johanniter-Jugend, der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst sowie die Rettungshundestaffel unterstützt werden, um Kinderaugen zum Leuchten zu bringen, die Ausbildung ehrenamtlicher Sanitäter zu ermöglichen und um Großveranstaltungen in der Region abzusichern. Spendenkonto Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
IBAN: DE96 3506 0190 1084 6510 16
Verwendungszweck:
a) Johanniter-Jugend
b) Ambulanter Kinderhospizdienst
c) Rettungshundestaffel


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