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André Schramm

Soldaten in Schulen

In Sachsen absolviert die Bundeswehr jedes Jahr rund 600 Einsätze – an Schulen. Heute war einer der sechs Jugendoffiziere in Pirna. Wir auch.
Kapitänleutnant Andy Clemens ist einer von sechs Jugendoffizieren in Sachsen. Er geht an Schulen und spricht über Sicherheitspolitik, den Auftrag der Bundeswehr und seine Erfahrungen bei der Truppe. Foto: Schramm

Kapitänleutnant Andy Clemens ist einer von sechs Jugendoffizieren in Sachsen. Er geht an Schulen und spricht über Sicherheitspolitik, den Auftrag der Bundeswehr und seine Erfahrungen bei der Truppe. Foto: Schramm

 »Nein, das ist keine Flugzeugkapitän-Uniform«, schmunzelt Andy Clemens. Der Jugendoffizier steht an einem Freitag im Juni vor einer zehnten Klasse des Herder-Gymnasiums, während nebenan Kultusministerium und Landeskommando eine Kooperationsvereinbarung auffrischen. Seit 2010 dürfen Soldaten in sächsischen Schulen Vorträge halten, vorausgesetzt die Lehreinrichtungen wollen das. Die Bundeswehr hat für derlei Einsätze Jugendoffiziere in ihren Reihen, Soldaten mit pädagogischer Ausbildung – Leute wie Andy Clemens eben. Eingeladen hat ihn die GRW-Lehrerin, wieder einmal. »Der macht das wirklich klasse. Ich als Lehrerin habe gar nicht den Background über die Bundeswehr und ihre Aufgaben so zu sprechen«, meint Regine Holland. Erfahrung – davon hat der Marine-Soldat reichlich. Er war U-Boot-Fahrer, diente bei den spezialisierten Einsatzkräften, jagte Piraten vor Somalia und fischte Flüchtlinge aus dem Mittelmeer – bis zu 3.500 pro Woche. Haben die Auslandseinsätze Sie verändert, will ein Schüler wissen. »Ich hoffe nicht allzu sehr«, entgegnet der Kapitänleutnant. Sein Blick auf viele Dinge sei aber schon ein anderer als früher. Clemens erzählt von Somalia. Dass die Menschen dort mit Kanister 30 Kilometer zur Tränke laufen und eigentlich gar nicht wissen, ob es noch Wasser gibt. Man erfährt, was »Failed State« in Wirklichkeit heißt, und Verzicht. »Für uns vielleicht, wenn das WLAN streikt. Dort ist das Haus plötzlich weg und leider manchmal auch die ganze Familie«, sagt er. Den Wohlstand und die Sicherheit zu Hause habe er durch die Auslandseinsätze richtig schätzen gelernt. Hatte er mal Angst? »Der Drill hat bei der Bundeswehr Tradition. Man übt Abläufe so lange, bis man sie im Schlaf beherrscht. Im Einsatz funktioniert man dann einfach«, entgegnet Clemens. »Wenn du auf dem angeblichen Fischerboot Panzerfäuste, Granaten und andere Waffen findest, denkst du hinterher schon daran, was hätte passieren können«, gibt er zu. Passiert etwas Unvorhergesehenes, greift natürlich auch beim Militär regelmäßig die deutsche Bürokratie samt Checkliste und Jurist, um angemessen und sauber zu reagieren.   An der Tafel sind inzwischen Fotos von einem seiner letzten Einsätze zu sehen. Auf dem Deck eines Tenders sitzen unzählige Flüchtlinge, im Hintergrund stehen Toi-Häuschen. Gerade pausiert die Rettungsmission im Mittelmeer, u.a. weil Italien die Häfen dicht gemacht hat. Clemens hofft, dass »EUNAVFOR MED« weitergeht. Von 2015 bis 2018 hat das Bündnis 50.000 Menschen aus Seenot gerettet. Manchmal kamen die Retter auch zu spät. Nicht jeder Kamerad komme damit klar, leblose Körper zu bergen, weiß der gebürtige Dresdner. Im Gegensatz zu Hilfsorganisationen, dürfen die Soldaten auch Schlepper festsetzen. Wie findet er das System »Parlamentsarmee«? »Ich halte es für eine sehr demokratische Lösung, dass der Bundestag über die Mandate für Auslandsmissionen entscheidet. Man schickt außerdem die Armee nicht irgendwo hin und überlässt alles dem Selbstlauf, sondern schaut jedes Jahr, ob der Einsatz noch gerechtfertigt ist, die Truppenstärke stimmt usw.«, meint der Offizier. Es geht an diesem Vormittag auch um Bedrohungen, die erst durchs Internet möglich wurden. Hackt die Bundeswehr eigentlich zurück? »Ich bin kein IT-Spezialist, aber ich glaube, das wäre auch ein Angriff und damit per Grundgesetz schon verboten«, sagt er. Die Doppelstunde ist zu Ende. Hat der Kapitänleutnant Nachwuchs rekrutiert oder Werbung für die Truppe gemacht? Nein. Wenn überhaupt, dann für das Unterrichtsformat. Es gibt Applaus. 


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