Die Backwaren des Ottendorfer Bäckers Marlon Gnauck sind exotisch und ungewöhnlich. Dafür nimmt er auch weite Wege mit dem Fahrrad in Kauf.
Wenn der Ottendorfer Bäcker Marlon Gnauck das Bedürfnis hat, Kollegen über die Schulter zu schauen, beschreitet er gelegentlich unkonventionelle Wege. Anruf genügt. Dann setzt er sich aufs Rad und macht sich auf den Weg, um anderntags in einer fremden Backstube zu stehen.
Auf solch einer Backtour legte er in diesem Frühjahr rund 300 Kilometer zurück. Radelte nach Magdeburg, um bei einem Zunftkollegen, nun ja, ein wenig zu hospitieren. Bei solchen Aktionen schlägt der 39-Jährige mehrere Fliegen mit einer Kappe. Zum einen reist er umweltschonend, zum anderen bekommt er wertvolle Anregungen. »Ausbrüche aus dem Alltag« seien das. Daraus beziehe er frischen Schwung für seine Arbeit.
Seit 23 Jahren arbeitet der gebürtige Ottendorfer als Bäcker. Ein anderer Job, nein, nicht vorstellbar für ihn: »Dieses Handwerk liegt mir im Blut.« Gnauck hebt sich von vielen Zunftkollegen ab. Denn »ich backe und arbeite anders«. Er zeigt auf das Totenkopf-Emblem in seiner Backstube. Darunter gekreuzte Baguettes. Seine Berufskleidung hat er ebenfalls mit diesem Logo verziert. Ja, er sei vielleicht ein »Revoluzzer der Backstube« findet er.
Auch, weil er ungewöhnliche Brote herstellt. Bei ihm gibt es quietschgelbe oder lilafarbene Brote. Erstere werden aus Kurkuma hergestellt, bei letzteren sorgt Schmetterlingsblütentee fürs lilafarbene Aussehen. Dabei greift er auf die Zutaten zurück, die die Natur bietet. Für den 39-Jährigen ist das tägliche Brot eine Art Luxus, den man sich jeden Tag gönnen sollte. Beliebt ist etwa schwarzes Baguette mit süßen Cranberrys. Oder afrikanisches Brot mit Datteln und Hagebutten.
Bäcker hat genug von Zusatzstoffen
Vor mehr als zehn Jahren stellte er seine Rezeptur um. »Ich wollte nicht mehr mit Backmischungen arbeiten, in denen die Zutaten aus Lebensmittelzusatzstoffen bestehen.« Also experimentierte er in seiner Backstube. Backmischungen sind seither bei ihm out, der Kundschaft wird viel Gesundheit geboten. Zum Backen lässt sich der Ottendorfer viel Zeit. »Das ist meine Hauptzutat«, grinst er. Fürs Brot, überhaupt fürs Backen, müsse man sich genügend Zeit nehmen. Die Kundschaft schmeckt und schätzt es. Einblicke in sein Bäckerdasein respektive wie er seine Erzeugnisse produziert, vermittelt er in seinen Backseminaren. Bei denen auch Promis vorbeischauen. Bundestagsabgeordneter Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) war mal Gast in seiner Backstube.
Sein raffiniertes Backwerk, sein Kundenservice haben sich in der Region herumgesprochen. Kein Wunder, dass die Gnaucksche Bäckerei, die es seit 1919 gibt, im vergangenen Jahr bei einer Umfrage des österreichischen Wein- und Gourmetmagazins Falstaff zu den drei beliebtesten Bäckereien Sachsens gekürt wurde. Der vor allem im Dresdner Raum so geschätzte Bäcker wird von Menschen aufgesucht, die, wie er stolz erklärt, oft bis zu 40 Kilometer zurücklegen, um bei ihm einzukaufen.
Die Bäckerei Gnauck ist nicht nur wegen der exotischen Brotkreationen bekannt. So wurde der Ottendorfer Betrieb auch mit dem Sächsischen Umweltpreis in der Kategorie »Umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen« ausgezeichnet. Weil er mit einer Bäckerei aus dem Gödaer Ortsteil Spittwitz für die Herstellung von Brotsorten auf zwei längst vergessene Getreidesorten umgestiegen ist.Sein nächster Fortbildungs-Ausflug soll nach Berlin gehen. Um zu schauen, welche Backtraditionen dort gepflegt werden. Wie er in die Bundeshauptstadt kommt? Selbstverständlich mit dem Rad.