

»Alles wird gut« ist auf einem Schild am Eingang der Anlage zu lesen, darunter einige Verhaltenshinweise für große und kleine Besucher. Bei Parkleiterin Annette Zimmermann ist derzeit nicht alles gut. Auf einer Sitzung des Fördermittelgebers, dem Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wurde im Mai beschlossen, dass der Park ab 2019 kein Geld mehr bekommt. Schon für 2018 war die beantragte Fördersumme von 16.000 auf 7.500 Euro heruntergesetzt worden. Offiziell heißt es, »die eingereichten Förderanträge überschreiten die zur Verfügung stehenden Mittel des Kulturraumes«. In der Folge sei der Ausschluss vereinzelter Einrichtungen und Projekte notwendig. Wie der Negativbescheid hier oben ankam, kann man sich denken. Hier oben – das begann 1906.
»Wissenschaft und Erholung«
Es muss die Zeit gewesen sein, als das Interesse am Fremden Konjunktur hatte. Die Fauna ferner Länder und abgelegener Regionen gleich daheim um die Ecke – das hatte was. »Science and pleasure« – so beschrieben die englischen Urväter die beiden wesentlichen Ziele dieser grünen Oasen. Und die sprießen um die Jahrhundertwende bei uns nur so aus dem Erdboden: 1893 im Großen Garten (Dresden), 1902 in Bad Schandau und eben 1906 in Schellerhau. »Dieser Standort war mit Bedacht gewählt. Die klimatischen Bedingungen hier oben sind ideal für alpine Arten«, sagt Zimmermann während sie auf alte kurillische Lärche zeigt, gepflanzt vom Gründer der Anlage höchstpersönlich – Gustav Adolf Poscharsky. Heute sind hier auf 1,5 Hektar insgesamt 16 verschiedene Pflanzenquartiere zu erleben. Neben heimischen Arten auch Pflanzen, die sonst nur in Nordamerika und Asien zu sehen sind. Einen Klangpfad gibt es auch.
»Wissenschaft und Erholung – das Prinzip hat bis heute Bestand«, erzählt die Gartenleiterin weiter. Manchmal überlegten Besucher, ob sie reingehen oder nicht. »Danach sind sie oftmals anderthalb oder zwei Stunden in der Anlage verschwunden und schwärmen, wenn sie am Ausgang sind. Der Garten macht was mit den Gästen«, sagt sie. Bis zu 13.500 Besucher wandeln in guten Jahren (zwischen Mai und Oktober) über die schmalen Pfade, ein Großteil davon macht Urlaub in der Region. Auch Schulklassen, angehende Garten- und Landschaftsbauer und Menschen mit Behinderung kommen gern in den einzigen botanischen Garten im Osterzgebirge.
Um Arten, die auf der Roten Liste stehen, kümmert man sich ebenfalls. Der Sächsische Fransen-Enzian ist so ein Beispiel. Am letzten bekannten sächsischen Standort (Vogtland) gilt er inzwischen als verschollen. Nicht so in Schellerhau. Beim Karpaten-Enzian läuft ein einzigartiges Ansiedlungsprojekt am Geisingberg, dem nördlichsten Standort überhaupt. Für derlei Artenschutzmaßnahmen gibt es zwar EU-Fördergelder, aber die sind immer projektgebunden.
»Nur mit Eintrittsgeldern geht nicht«
Vieles in Schellerhau wird schon mit wenig Geld erledigt oder sogar ehrenamtlich. Schaufel und Harke fallen selten pünktlich zum Feierabend. Für Frau Zimmermann und ihr fünfköpfiges Team ist die ausbleibende Förderung problematisch. Das Gros der Kosten sind Personalkosten. »Ich kenne bundesweit keinen botanischen Garten, der sich nur mit Eintrittsgeldern über Wasser hält«, sagt die Gartenleiterin.
Die Anlage in Schellerhau aus der Förderung zu nehmen geht auf einen entsprechenden Beschluss des Kulturkonvents im Mai 2018 zurück. Zuvor hatte sich der zuständige Beirat mit dem Antrag befasst. »Das ist natürlich schmerzlich für das engagierte Team in Schellerhau. Die Finanzierung des botanischen Gartens ist aber eine kommunale Aufgabe«, sagte Kerstin Thöns, Sprecherin des Landkreises Meißen, dem Sitz des Kulturraumbüros. Zudem wecke die finanzielle Förderung der Anlage in Schellerhau auch anderswo, z.B. in Tharandt, Begehrlichkeiten. 6,3 Millionen Euro waren zuletzt in dem »Kultur-Topf« für die beiden Landkreise. Theater, Orchester, Kunstausstellungen, Museen und vieles mehr beziehen daraus Gelder. Der Freistaat hatte bereits angekündigt, das Budget erhöhen zu wollen. Bisher ist es bei der Ankündigung geblieben. Kann der Grundstückseigentümer, die Stadt Altenberg, einspringen?
Kürzungen schon anderswo
Die Stadt Altenberg hat bislang Zuschüsse vom Kulturraum für die Einrichtungen »Schloss Lauenstein«, die Bergbaumuseen in Altenberg und Zinnwald sowie den »Botanischen Garten Schellerhau« erhalten. »Für das Schloss Lauenstein mussten wir bereits dramatische Kürzungen von 25 Prozent gegenüber dem Wirtschaftsjahr 2017 hinnehmen. Für die Bergbauschauanlage betrug die Kürzung 15 Prozent«, sagt Bürgermeister Thomas Kirsten. Als bekannt wurde, dass die Anlage in Schellerhau ab 2019 aus der Förderung herausfällt, bat man um Nachförderung, allerdings ohne Erfolg.
"Ohne Zuschüsse wird's schwierig"
»Wir stehen zu hundert Prozent hinter dieser Einrichtung und werden alles dafür tun, den botanischen Garten zu erhalten. Dennoch wird es schwer werden ohne Zuschüsse«, so Kirsten weiter. Das Szenario einer Schließung wurde auch schon diskutiert. Was man vermisse seien Taten auf Ankündigungen des Ministerpräsidenten. »Immer wieder artikuliert er sich in der Form, dass der ländliche Raum gestärkt werden soll, aber wenn in einer Touristenhochburg, wie dem Kurort Altenberg, mit dem Ortsteil beispielsweise Schellerhau, touristische Infrastruktur wegbricht, dann werden damit Arbeitsplätze gefährdet, weil die Attraktivität durch weniger Angebote leidet«, meint Kirsten.
In einem Schreiben an den Vorsitzenden des Kulturkonventes Arndt Steinbach (Landrat von Meißen) machte sich Altenbergs Stadtoberhaupt bereits im Januar Luft. Dort heißt es:
»Wenn der Freistaat für eine Milliardenbürgschaft für leichtfertige Entscheidungen zahlen muss und kein finanzieller Spielraum für freiwillige Leistungen vorhanden ist, dann ist das Verständnis in der Bürgerschaft sehr gering, wenn Einrichtungen schließen müssen, weil die Finanzierung nicht gesichert werden kann.«
Inzwischen haben mehr als 4.000 Menschen die Petition zum Erhalt der Anlage unterzeichnet. Die Übergabe an den Petitionsausschuss soll im August erfolgen. Wird dann alles gut? „So schnell geben Gärtner nicht auf“, meint Annette Zimmermann. Am 26. August, 10 bis 17 Uhr, findet das Kräuterfest statt – hoffentlich nicht das letzte.