jw

Ein postumes Geburtstagsgeschenk

Schwarzheide. Wer war der Mann, den alle Sokrates nannten, der aber in Wahrheit Sokratis hieß?

Eine Prämisse, die sich wie ein roter Faden durch die autobiografische Erzählung über das Leben des Ehrenbürgers der Chemiestadt Schwarzheide zieht. Auch seines Lebens hinter den sprichwörtlichen Kulissen. Beinahe sechs Jahre hat der Autor mit seinem Protagonisten stundenlange Gespräche geführt, nachrecherchiert, verworfen und redigiert. Im November letzten Jahres liefen schließlich die Druckmaschinen an und 335 Seiten eines außergewöhnlichen Menschen fanden ihren Platz zwischen zwei Buchdeckeln. Ende gut, alles gut? Nicht ganz, wie Bernd Witscherkowsky meint: »Nur zu gern hätten wir ihm das erste druckfrische Exemplar noch in die Hände gelegt, leider hörte sein Herz am 9. Dezember 2020 auf zu schlagen. Wenigstens konnte er das Manuskript noch lesen, was ihm am Krankenlager hin und wieder ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zauberte. Kurze Rede langer Sinn: Das Buch musste einfach erscheinen. Einer seiner wahren und letzten Freunde, der Senftenberger Unternehmer Uwe Badke, schlüpfte schließlich in die Rolle des Herausgebers und sorgte letztlich dafür, dass die erste limitierte Auflage erscheinen konnte.« Wenngleich als postumes Geburtstagsgeschenk, denn Sokratis (so sein richtiger Vorname) Giapas wäre am kommenden Sonntag 85 Jahre alt geworden.

Stoff für 1.000 Seiten

Wie kommt man eigentlich dazu, solch eine »Mammut-Aufgabe« auf sich zu nehmen, ein Leben, das Stoff für mindestens 1000 Seiten eines Tolstoi-Romanes geboten hätte, zwischen zwei Buchdeckel zu pressen und sich mehr als sechs Jahre lang damit zu beschäftigen? Als Journalist der Heimatzeitung »WochenKurier« kannte Bernd Witscherkowsky seinen Titelhelden schon beruflich als einen Mann, der als Chef die Fränkischen Rohrwerke Schwarzheide prägte und als Mäzen für Kunst, Kultur und Sport in der Region unterwegs war. Er lernte ihn als einen Menschen kennen, der seit 1996 in Schwarzheide die letzte Heimat mit seiner geliebten Pinelopi, genannt Pipitsa, gefunden hatte und wo er als Ehrenbürger seit 2015 stolzer »Inhaber« eines eigenen Bürgerbüros war. Dort gab es auch den Anstoß für das Buch. Witscherkowsky war 2015 mit der Praktikantin Anni Janz im Bürgerbüro bei Sokratis. Die Erzählungen des Griechen begeisterten die damals Fünfzehnjährige, so dass sie spontan reagierte: »Über Sie müsste man ein Buch schreiben!« Diese Steilvorlage ließ »Sokrates« nicht ungenutzt, zumal er solch ein Vorhaben längst im Kopf hatte. Der Grieche wusste, dass Bernd Witscherkowsky nicht nur als Reporter und Kolumnist eine flotte Schreibe pflegt, sich auch als Stückeschreiber, Texter von Liedern für Kinder und Schlagersternchen, letztlich als »Direktor« beim ehemaligen »Musiktheater Schloss Doberlug« einen guten Namen gemacht hatte. Was dem Rückersdorfer auch den Kulturpreis seines Heimatlandkreises einbrachte.

Kleine Zeitreise

Das jetzt erschienene Buch »Wir nannten ihn Sokrates« war geboren. Bernd Witscherkowsky wurde klar, was auf ihn zukommen würde. Es galt, dem am 13. Februar 1937 in Athen Geborenen im spannenden familiären Umfeld seiner griechischen Heimat, als Gaststudent im damaligen Westberlin, auf der Suche nach beruflichem Glück in Deutschland, als erfolgreichem Unternehmensführer, als technischen Tüftler und Vermittler des europäischen Gedankens verbal ein Denkmal zu setzen. Bei Gesprächen lernte der Buchautor Sokratis immer besser kennen, ackerte sich durch Aufzeichnungen, Tagebücher, Tonbandprotokolle und Erzählungen.
Entstanden ist letztlich ein Buch, das die geneigte Leserschaft nicht nur die jüngsten Zeiten des großen Griechen vor Augen führt, auch zu einer Zeitreise durch die deutsch-griechische Geschichte einlädt. So gelang es, den leicht lernenden Schüler Sokratis wie den lebenslustigen und zu Überraschungen aufgelegten Studenten sichtbar zu machen, der es als Gastarbeiter im damaligen Westberlin nicht immer leicht hatte, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dem es nichts ausmachte, sich in der aufstrebenden Glamour-Stadt jenseits der Mauer als Leichengräber, »Lotto-Fee«, Schauspieler, Kartenabreißer oder Kellner zu verdingen. Alles Seiten des Bundesverdienstkreuzträgers, von denen bis heute nur die wenigsten Lausitzer, Niederlausitzer und Brandenburger etwas erfahren haben dürften und die Lektüre deshalb so spannend macht.
Die Erstauflage der biografischen Erzählung kann ab sofort bestellt werden bei: Ute Kolanowski stadtverwaltung@schwarzheide.de oder 035752/ 85-0. Demnächst auch in jeder gutsortierten Buchhandlung unter: ISBN 978-3-00-070677-6


Meistgelesen