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700 Jahre Ersterwähnung des Rates

Ein Verwaltungsakt schreibt Geschichte: Dokument aus dem Stadtarchiv beweist Alter des Meißner Stadtrats.

In Meißens Rathaus verweist man nicht ohne Stolz darauf, dass sich die Amtvorgänger des heutigen Oberbürgermeisters namentlich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. Eine 700. Jahre alte Urkunde beweist diese Geschichte. Das Mittelalter in den Händen hält Stadtarchivar Tom Lauerwald immer dann, wenn er eines der Dokumente aus dieser Zeit entweder zu Forschungs- oder Konservierungszwecken in Augenschein nimmt oder das wertvolle Archivgut an einen anderen Standort überführt wird. Letzteres geschieht seit kurzem, bezieht das historische Stadtarchiv doch Schritt für Schritt seine neuen Räume in der einstigen Roten Schule hinter dem Stadtmuseum. Zum Umzugsgut gehört auch die auf Pergament geschriebene Urkunde mit der Archivsignatur 29, die gleich mit zwei historisch bedeutsamen Begebenheiten aufwarten kann. Zum Einen nennt sie jenen ersten bekannten Bürgermeister namens Eckelmanns, zum Anderen erwähnt sie einen städtischen Rat, der zwölf Ratsherren und Schöffen umfasste, die im Rahmen der mittelalterlichen Jurisdiktion politische und richterliche Macht ausübten. Dieser ursprünglich ehrenamtliche Rat bestand noch bis ins 18. Jahrhundert, erst mit der Städteordnung des Jahres 1834 verschwanden die letzten Sonderrechte aus der alten Zeit. Das in mittelalterlichem Kirchenlatein verfasste Dokument stammt aus dem Jahr 1316 und belegt damit die 700-jährige Tradition, in der Meißens Stadträte stehen. Interessanter Weise behandelt das Pergament einen Rechtsakt, der heute vielleicht in vergleichbarer Form vom Finanz- oder Gewerbeamt ausgehen könnte: Das Dokument erwähnt die Steuerfreistellung der Meißener ‚Außenstelle‘ des Freiberger Dominikanerordens, der in der Stadt ein sogenanntes Terminierhaus besaß, in dem Predigt- und Bettelreisende günstig absteigen konnten. „Die übliche Besteuerung wurde den Mönchen wohl im Interesse der Förderung des städtischen Lebens erlassen“ so der Archivar. Das Dokument kann somit als Zeugnis praktizierter kommunalen Selbstverwaltung gelesen werden, denn der Stadtrat erteilte die Steuerbefreiung ja in eigener Regie, obwohl damals in Meißen auch Landesherren, das Hochstift Meißen, ein Burggraf und das Augustiner Chorherrenstift St. Afra auf dem Burgberg residierten. Das beigefügte Siegel dokumentiert ebenfalls die bestehende Konkurrenz, zeigt es doch neben einem Ritter einen Schildt mit dem Löwen der Mark Meißen und einen weiteren mit dem Andreaskreuz als Zeichen der Burggrafen. Die vollständige Übersetzung des Dokuments steht noch aus, da einige kirchenrechtliche Fachbegriffe und deren Bedeutungsspektrum eingehender geprüft werden müssen. Michael Eckardt


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