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Geschnappte Verbrecher dank Videoüberwachung: Null

Seit August heißt es in Görlitz dauerhaft „Kamera läuft“. Die in der Altstadt aufgestellten Überwachungskameras sollen Kriminelle abschrecken und bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Gerade letzteres gelingt aber nicht, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht.
Die im August in Betrieb genommene Überwachungstechnik:  In etwa zwei Meter hohen grauen Säulen befinden sich die Objektive der Kamerasysteme und ein Laserblitzsystem. Aufgenommen wird alles, was die Säulen im Abstand von etwa 20 Metern passiert. Foto: Keil

Die im August in Betrieb genommene Überwachungstechnik: In etwa zwei Meter hohen grauen Säulen befinden sich die Objektive der Kamerasysteme und ein Laserblitzsystem. Aufgenommen wird alles, was die Säulen im Abstand von etwa 20 Metern passiert. Foto: Keil

Am 9. August war es soweit: Innenminister Prof. Roland Wöller nahm an der Görlitzer Altstadtbrücke die polizeiliche Videoüberwachung in Betrieb. Die neue Überwachungstechnik soll sowohl zur Abschreckung von potentiellen Straftätern als auch zur Strafverfolgung dienen und so das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken.  Insbesondere die grenzüberschreitende Eigentumskriminalität sei in der Neißestadt eine große Herausforderung für die sächsische Polizei, erklärte der Innenminister damals auf der Altstadtbrücke. Dank der hochmodernen Kameras sei es künftig besser möglich, nach Kriminellen zu fahnden und gerichtsverwertbare Beweismittel zu sichern. Drei Monate später haben sich diese Aussagen allerdings nicht bestätigt, wie die Antworten auf eine Kleine Anfrage von Mirko Schultze zeigen. Der Landtagsabgeordnete der Linken wollte von der Staatsregierung wissen, wie häufig seit der Inbetriebnahme auf das Kameramaterial zugegriffen wurde und wie viele Straftaten damit aufgeklärt werden konnten. Dazu muss man wissen, dass es sich bei dem eingesetzten System nicht um eine Live-Überwachung handelt. Die Daten landen ungesehen auf einem Server, erst bei Bekanntwerden einer Straftat können sie auf manuelle Anforderung gesichtet werden. Das ist bisher allerdings nicht allzu häufig geschehen. In der Antwort der Staatsregierung heißt es, dass bisher erst ein Mal auf die gespeicherten Daten zugegriffen wurde, genauer auf Aufzeichnungen der Kameras an der Altstadtbrücke. Tatrelevante Daten habe das aber nicht geleifert. Folglich konnten durch die Kameraüberwachung bisher auch keine Straftaten aufgeklärt werden (Stand: 8. November). Die Staatsregierung schreibt, dass der „Schwerpunkt der Maßnahme bei der Gefahrenabwehr und Prävention, d. h. bei der Verhinderung von Straftaten, liegt. Seit Inbetriebnahme ist ein spürbarer Rückgang der Eigentumskriminalität in der historischen Altstadt von Görlitz zu verzeichnen.“ Mit Zahlen belegt ist dieser Rückgang in der Antwort nicht.

Hohe Kosten, geringer Ertrag

In seiner Anfrage wollte Schultze auch wissen, was das Aufstellen der Überwachungskameras (das noch nicht abgeschlossen ist, bis Mitte Dezember sollen weitere Kameras installiert werden) gekostet hat. Laut Antwort wurden 750.000 Euro für Entwicklung, Beschaffung und das Aufstellen ausgegeben. Für die bauliche Erschließung der Standorte sind 340.000 Euro veranschlagt, davon wurden bisher 165.500 Euro abgerechnet. Außerdem fallen monatlich 737,50 Euro Mietkosten für Datenleitungen sowie ca. 90 Euro für Stromanschlüsse und Verbrauch an, die über den SIB abgerechnet werden. Ziemlich viel Geld für ein System, auf das in drei Monaten bisher einmal zugegriffen wurde, ohne dass dabei verwertbare Daten heraussprangen. Mirko Schultze sieht sich damit in seinen grundsätzlichen Bedenken gegen die Videoüberwachung bestätigt: „Hier werden unter dem Vorwand von Kriminalitätsbekämpfung weite Teile der Bevölkerung unter einen Generalverdacht gestellt. Grund- und Bürger*innenrechte dürfen aber nicht auf dem Altar einer nur vermeintlichen Sicherheit geopfert werden.“ Anstatt das Steuergeld für ergebnisarme Symbolpolitik aus dem Fenster zu werfen, solle die Staatsregierung besser vorsorgend agieren und Projekte im präventiven Bereich fördern.  Besonders kritisch sieht Schultze die Tatsache, dass die Kameras automatisch Gesichter und Kennzeichen erfassen können. Diese Technik darf allerdings erst mit Inkrafttreten des Polizeigesetzes im Januar 2020 in Betrieb genommen werden. Linke und Grüne haben Verfassungsklage gegen das Polizeigesetz eingereicht. Man wolle damit die Ausweitung der Maßnahmen und Beschneidung der Bürgerrechte verhindern, so Schultze.


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