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»Die Situation macht ohnmächtig«

Zittau. Der Zittauer Ortsverband des Deutschen Kinderschutzbund hat eine Petition gestartet, um auf ein dringliches Problem aufmerksam zu machen: Es fehlen ausreichend Psychotherapieplätze für Kinder und Jugendliche.
Der DKSB stellt auf seiner Website auch Material wie dieses für Instagram optimierte Motiv zu Verfügung, mit der die Petition unterstützt werden kann. Foto: Getty Images, Design: DKSB OV Zittau

Der DKSB stellt auf seiner Website auch Material wie dieses für Instagram optimierte Motiv zu Verfügung, mit der die Petition unterstützt werden kann. Foto: Getty Images, Design: DKSB OV Zittau

Bild: Getty Images, Design: DKSB OV Zittau

Bei Kindern und Jugendlichen werden immer häufiger psychische Erkrankungen diagnostiziert. So titelte etwa der Ende 2023 veröffentlichte DAK-Kinder- und Jugendreport »Jugendliche in Sachsen bleiben psychisch stark belastet«. Das ist an sich schon problematisch, wird aber noch dadurch verstärkt, »dass Kinder und Jugendliche in Deutschland aktuell durchschnittlich sechs Monate auf den Beginn einer Therapie warten, im Landkreis Görlitz zum Teil noch viel länger«, wie der Ortsverband Zittau des Deutschen Kinderschutzbunds mitteilt.

 

Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe würden immer wieder erleben, dass junge Menschen psychotherapeutische Unterstützung nicht zeitnah erhalten, weil sie von Praxen und Kliniken abgewiesen oder auf lange Wartelisten gesetzt werden. In der Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Zittau werden regelmäßig junge Menschen betreut, die eigentlich Psychotherapiebedarf haben, aber keinen Therapeuten finden bzw. auf Wartelisten stehen. Teils müssen für eine Psychotherapie auch wöchentlich lange Wegstrecken in Kauf genommen werden, da es vor Ort keine freien Kapazitäten gibt. »Dies ist für psychisch belastete Kinder und Jugendliche und ihre Familien kaum zu bewältigen. Die Gesamtsituation macht kollektiv ohnmächtig«, so der Zittauer Kinderschutzbund.

 

Auf Veränderungen nicht ausreichend reagiert

 

Die Zahl der niedergelassenen Psychotherapeuten, die gesetzlich Versicherte behandeln können, sei durch eine veraltete Bedarfsplanung festgelegt. Die Therapiemöglichkeiten im Landkreis Görlitz würden deshalb nicht ausreichen.

 

Zur Erklärung: Psychotherapeuten brauchen eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung, den sogenannten Vertragspsychotherapeutensitz, um ihre Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte mit einer Krankenkasse abrechnen zu können. Dass die Zahl dieser Kassensitze nicht ausreicht, sieht nicht nur der DKSB in Zittau so. In einem Positionspapier der Psychologie-Fachschaften-Konferenz zum Thema Therapieplatzknappheit aus dem Jahr 2022 heißt es, dass die Zahl der Kassensitze schon bei der ersten Festlegung im Jahr 1999 »in ihrer Gesamthöhe sowie ihrer räumlichen Verteilung viele Gebiete, etwa die neuen ostdeutschen Bundesländer, nicht ausreichend versorgte.« Die Zahl der Soll-Psychotherapeutensitze sei in den folgenden Jahren zwar mehrmals leicht erhöht und auch auf Basis eines Demographiefaktors an die regionale Entwicklung angepasst worden. »Auf tiefgreifende Veränderungen wie die Entstigmatisierung psychischer Störungen und verändertes Inanspruchnahmeverhalten in der Bevölkerung wurde mit diesem Vorgehen nicht reagiert. Auch einschneidende gesamtgesellschaftliche psychische Belastungen wie die Covid-19-Pandemie blieben unberücksichtigt, weshalb es zunehmend eher zu einer psychotherapeutischen Unterversorgung kommt«, heißt es in dem Positionspapier weiter.

 

Ein weiteres Problem benennt Katja Schönborn, Geschäftsführerin des Zittauer Ortsverbands des DKSB. Die Kassenärztliche Vereinigung könne nicht ausreichend steuern, wo sich ein Psychotherapeut mit seinem erworbenen Kassensitz niederlässt. »Gibt ein Therapeut seinen Sitz in Zittau auf, kann der Therapeut, der diesen Sitz erwirbt, auch in Görlitz oder an einem anderen Ort eine Praxis eröffnen. Für die meisten Jugendlichen aus Zittau ist es aber nicht leistbar, ein bis zwei Mal pro Woche nach Görlitz und wieder zurück zu fahren.«

 

Es braucht 12.000 Unterschriften

 

Deswegen fordert der Zittauer Ortsverband die Anpassung der Kassensitze für Psychotherapeuten sowie der Kapazitäten in den kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken an den reellen Bedarf vor Ort und hat eine Petition gestartet, die auf www.openpetition.de unterzeichnet werden kann. Die Unterschriftensammlung läuft noch mehrere Monate. Das Quorum liegt bei 12.000 Unterschriften. Sind die erreicht, geht die Petition an den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags.

 

Wer zusätzlich auf die Petition aufmerksam machen will, findet Materialien zum Aushängen und teilen in sozialen Netzwerken auf der Website des Kinderschutzbunds.


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