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218 Vorschläge für bessere Bildung

Sachsen. Experten aus verschiedenen Bereichen haben über 200 Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Das ist Teil eines Projekts, mit dem eine Zukunftsstrategie für sächsische Schulen erarbeitet werden soll.
Wie sieht die Schule der Zukunft aus. Bildungsexperten haben dazu in vier Handlungsfeldern insgesamt 218 Maßnahmenvorschläge entwickelt. Die werden jetzt in fünf Bildungsforen diskutiert und einem Praxischeck unterzogen.

Wie sieht die Schule der Zukunft aus. Bildungsexperten haben dazu in vier Handlungsfeldern insgesamt 218 Maßnahmenvorschläge entwickelt. Die werden jetzt in fünf Bildungsforen diskutiert und einem Praxischeck unterzogen.

Bild: Pixabay

Wie sollte sich schulische Bildung weiterentwickeln? Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Mit diesen Fragen haben sich in den vergangenen zwei Monaten rund 90 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen, Schulpraxis und Kommunalebene beschäftigt und Empfehlungen vorgelegt.

 

Was die Experten empfehlen

 

Insgesamt wurde in vier Handlungsfeldern Maßnahmenvorschläge entwickelt, davon mit 128 die meisten im Handlungsfeld »Lernen«. Hier lautet ein Vorschlag etwa, den derzeitigen Fächerkanon für alle Schularten auf Relevanz für derzeitige und zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ein weiterer Vorschlag besagt, dass bei Bedarf hybride Unterrichtskonzepte (also eine Verbdingung aus Präsenzunterricht und Online-Lernen) genutzt werden sollen, um ein flächendeckendes Angebot von Grund- und Leistungskursen in der gymnasialen Oberstufe sicherstellen zu können.

 

Neben dem Handlungsfeld »Lernen«, wurden auch für die Felder »Professionalisierung«, »Steuerung« und »Infrastruktur« Vorschläge erarbeitet. Beispiele hier: Schulträger sollten ein eigenständiges Digitalbudget prüfen und für die Schulen bereitstellen (Infrastruktur), Stundentafeln sollten so umgestaltet werden, dass damit ein Viertel der Unterrichtsstunden von den Schulen eigenverantwortlich für eine differenzierte Förderung der Schüler verwendet werden können (Steuerung) und die Etablierung eines wöchentlichen Praxistags für Studierende (Professionalisierung). Das sind natürlich nur Beispiele. Insgesamt wurden 218 Vorschläge erarbeitet. Eine Liste mit weiteren Beispielen finden Sie am Ende dieses Textes.

 

Praxischeck: So geht’s jetzt weiter

 

Kultusminister Christian Piwarz dankte den Bildungsexperten für ihre ehrenamtliche Arbeit: »Die Empfehlungen sind eine wertvolle Grundlage für die strategische Weiterentwicklung der schulischen Bildung in Sachsen.« An die Teilnehmer der regionalen Bildungsforen gerichtet, warb er dafür, die Vorschläge mit einem »visionären Blick zu prüfen und nach bestem Wissen zu bewerten«.

 

Die Maßnahmenvorschläge sollen bis November in fünf regionalen Bildungsforen mit insgesamt 200 Personen diskutiert und einem Praxischeck unterzogen werden. Mit dabei sind Eltern, Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen sowie Bürger. Sie sollen die Handlungsempfehlungen bewerten und kommentieren. 500 Personen hatten sich für die Teilnahme an den Foren beworben. Wer letztlich dabei sein darf, entschied das Los. Stattfinden werden die Foren in Bautzen, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau mit je 40 Teilnehmern.

 

Projekt: Bildungsland Sachsen 2030

 

Der zweistufige öffentliche Beratungsprozess ist Teil des Projektes »Bildungsland Sachsen 2030«, das im April gestartet wurde. »Ziel des Projektes ist es, bis Ende 2023 eine Strategie zu erarbeiten, um die wesentlichen strukturellen und inhaltlichen Rahmenbedingungen für die sächsischen Schulen so fortzuentwickeln, dass diese ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag auch in Zukunft bestmöglich mit Leben füllen können«, so Kultusminister Christian Piwarz damals.

Eine Auswahl der erarbeiteten Maßnahmenvorschläge:

Handlungsfeld »Lernen«

• Schulische Akteure werden für psychische Gesundheit sensibilisiert.

• Die Gestaltung des Unterrichts und Lernens wird durch die Lernenden mitbestimmt. Die Mitbestimmung wird in allen Schularten gefördert und verbindlich umgesetzt.

• In allen Schularten werden Konzepte entwickelt, die die Schülerinnen und Schüler zum selbstorganisierten Lernen befähigen. Dies beinhaltet auch die Bereitstellung individueller Zeitfenster für selbstbestimmtes und selbstreguliertes Lernen.

• Die Festschreibung und Verankerung des Konzeptes »Klassenrat« in die Schülermitwirkungsverordnung wird geprüft und vollzogen.

• Es sollte ein gemeinsames Verständnis und Kriterien entwickelt, welche Funktion Hausaufgaben haben und unter welchen Rahmenbedingungen diese gestellt und bearbeitet werden.

• Für alle Schularten sollte der jeweilige Fächerkanon auf Relevanz für derzeitige und zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen geprüft und angepasst werden.

• Die Lehrpläne aller Fächer in allen Schularten sollten regelmäßig auf Relevanz für den Kompetenzerwerb im Fach geprüft werden.

• Schulleitungsteams und Lehrkräfte werden darin ermutigt, unterstützt und begleitet, Stundentafeln in allen Schularten flexibel zu nutzen.

• Es wird geprüft, inwieweit die Zusammenarbeit von Schulen aller Schularten mit regionalen Unternehmen und sächsischen Forschungseinrichtungen initiiert, gefördert und hinsichtlich Ressourcen unterstützt werden kann.

• Jede allgemeinbildende Schule in Sachsen evaluiert und qualifiziert ihr Konzept zur Beruflichen Orientierung.

• Für alle Schülerinnen und Schüler sollten in allen Schularten verbindlich wöchentlich fachunterrichtsfreie Zeit zur Verfügung stehen, in der aktuelle Fragen, Konflikte und Probleme besprochen und bearbeitet werden können.

• Es sollten forschungsbasiert entwickelte und erprobte Konzepte für digital gestützten Unterricht zusammengestellt werden, die für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften zur Verfügung stehen.

• Anstelle von Unterrichtsausfall sollten gezielt digitale Lernmedien genutzt werden, um ausfallbedingte Defizite im Lernprozess zu vermeiden.

• Es sollten verpflichtende Fortbildungsangebote für alle Lehrkräfte zum Thema Digitalisierung/Digitalität zur Verfügung gestellt werden.

• Alle Schulen sollten partizipativ einen in der Schulgemeinschaft akzeptierten Verhaltenskodex im Umgang mit digitalen Medien entwickeln.

• Für ein flächendeckendes Angebot von Grund- und Leistungskursen in der gymnasialen Oberstufe wird bei Bedarf auf hybride Unterrichtskonzepte gesetzt.

• In allen Schulen sollte es täglich verbindlich festgelegte Zeiträume für Selbstlernzeiten der Schülerinnen und Schüler geben, um ein selbstbestimmtes individuelles Lernen oder ein Lernen in selbstgewählten Gruppen zu ermöglichen.

• Die Möglichkeiten KI-basierter Lernsoftware für Diagnose und Unterstützung sollte geprüft und gegebenenfalls genutzt werden.

• Lernen sollte täglich nicht nur im Klassenverband stattfinden, sondern auch klassen- und jahrgangsübergeifend.

• Schriftliche und mündliche Leistungsmessungen und -überprüfungen sollten immer angekündigt werden.

• Die Benotung durch Ziffern sollte in allen Fächern (mindestens bis Klassenstufe 8) abgeschafft werden und durch alternative, auch digital gestützte Rückmeldeformate zur Lern- und Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler erfolgen.

• Kopfnoten sollten abgeschafft und durch eine Beurteilung von Lern- und Sozialverhalten über Feedback (individuelles Worturteil) und gemeinsame Zielvereinbarungen ersetzt werden.

 

Handlungsfeld »Steuerung«

• Stundentafeln sollten so umgestaltet werden, dass damit ein Viertel der Unterrichtsstunden von den Schulen eigenverantwortlich für eine differenzierte Förderung der Schüler verwendet werden können.

• Die Schulen sollten eigenverantwortlich entscheiden können wie sie die ihnen übertragene Verantwortung intern verteilen.

• Schulen sollten den Anspruch haben, für nichtbesetzte Stellen ein kapitalisiertes Budget zugewiesen zu bekommen.

• Schulträger sollten auf Beschluss der Schulkonferenzräumlich getrennte Schulen zu Schulverbünden und Schulen am gemeinsamen Standort zu Schulzentren unter einer Leitung und gemeinsamer Stelle- und Mittelbewirtschaftung zusammenfassen zu können.

• Die Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern sollte in der Arbeit des Kultusministeriums eine größere Rolle spielen.

 

Handlungsfeld »Infrastruktur«

• Schulische Infrastruktur muss in erster Linie als Lebens- und Lernort für Kinder und Jugendliche entwickelt werden und für Inklusion geeignet sein.

• Da die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Raum-, Rahmen-, und Personalbedingungen bedarf, sollte diese auch bei der Schulnetzplanung berücksichtigt werden.

• Schulträger sollten ein eigenständiges Digitalbudget prüfen und für die Schulen bereitstellen.

• Alle Schulen sollten mit Glasfaser erschlossen werden.

• Aus volkswirtschaftlichen und ökologischen Gründen sollten Ansätze von Bring-Your-Own-Device als Regelausstattung von Schülerinnen und Schüler geprüft werden.

• Schulische Migration sollte als Aufgabe aller Schulen verstanden werden. Unabhängig vom Sozialraum sollte in jeder Schule die Möglichkeit bestehen, Vorbereitungsklassen zu bilden.

Handlungsfeld »Professionalisierung«

• Das Aufgabenspektrum von Lehrkräften sollte in Abgrenzung zu anderen Professionen in multiprofessionellen Teams definiert und geklärt werden.

• Die Entwicklung zu eigenverantwortlichen handelnden sächsischen Schulen bedarf einer grundlegenden Neukonzeption der Qualifizierung schulischer Führungskräfte.

• Lebenslange Professionalisierung der Beschäftigten muss durch die individuelle Beratung zur Personalentwicklung im Rahmen von Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gesprächen und Reflexionsgesprächen durch die jeweiligen Vorgesetzten begleitet werden, die wesentliche Bestandteile einer Kultur der Personalführung werden.

• Schulscharfe Bewerbung für Lehrkräfte in Ausbildung im Vorbereitungsdienst sollten ermöglicht werden, um damit bessere Möglichkeiten der späteren Einstellung im Schuldienst zu schaffen.

• Wöchentlicher Praxistag für Studierende sollte als Möglichkeit etabliert werden.

• Die bestehenden Regelungen zur Anpassung von Arbeitsbedingungen für ältere Lehrkräfte sollten weiter ausgebaut werden, um den Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes entsprechen zu können und somit ein gesundes Erreichen der Regelaltersgrenze sicherzustellen.

• Zur Qualitätssicherung sollten regelmäßige Supervision und kollegiale Fallberatung für alle Schulen fest institutionalisiert werden, sowie die Angebote des Führungskräfte-Coachings fortgeführt und ausgebaut werden.

• An Schule sollten geeignete Feedback-, Feedforward- und Austauschstrukturen etabliert und fest im schulischen Arbeitsalltag verankert werden, damit Kompetenzen zeitnah und situationsbezogen weiterentwickelt werden können.


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