Matthias Stark

Schiffbau, Schicksal und schlagfertige Frauen

Haselbachtal. Auf der Naturbühne Reichenau heißt es diesen Sommer: »Die Wikinger kommen ...« – und die bringen ein ebenso humorvolles wie überraschendes Spektakel mit, das kräftig mit Klischees bricht.
Es geht nicht gerade zimperlich zu, wenn es Ari mit den Wikingerinnen zu tun bekommt.

Es geht nicht gerade zimperlich zu, wenn es Ari mit den Wikingerinnen zu tun bekommt.

Bild: Matthias Stark

Im Mittelpunkt steht der junge Abenteurer Ari, mutig, träumerisch, mit einem Herz aus Gold und einer gehörigen Portion Naivität. Ari hört von sagenhaften Schiffsbauern, die aus Holz wahre Wunderwerke formen, und er macht sich kurzerhand mit einem Floß auf den Weg. Die Reise endet auf einer abgelegenen Insel, auf der tatsächlich ein riesiges Wikingerschiff entsteht. Doch statt wettergegerbter, bärtiger Nordmänner trifft Ari auf eine eingeschworene Gemeinschaft schlagkräftiger Frauen, die den Bauplatz fest im Griff haben und eine klaren Regel: keine Männer auf der Werft!
Was niemand ahnt: Ari ist nicht einfach nur ein neugieriger Bursche, sondern ein König auf geheimer Mission. Inkognito schließt er sich der Truppe an und gerät dabei besonders mit der wortgewandten und unbeirrbaren Anführerin Freya aneinander. Unter ihrer strengen Aufsicht lernt Ari nicht nur, wie hart das Handwerk sein kann, sondern auch, wie kompliziert das Herz einer Frau.

 

Der Frieden ist trügerisch


Eine chaotische Truppe echter Wikinger landet bald auf der Suche nach ihrem verschollenen Yarl und trifft auf die entschlossenen Schiffbauerinnen. Die Begegnung verläuft alles andere als freundlich: Plünderlust und patriarchale Vorstellungen prallen auf Powerfrauen mit klaren Prinzipien – und schon bald fliegen nicht nur Späne, sondern auch Äxte.
Mit dabei sind auch eine geheimnisvolle Seherin, ein möglicherweise vergrabener Schatz und die Frage nach der Rolle der Kirche in diesem Inselkosmos. Zwischen Göttergeschichten, Verrat und großen Gefühlen entwickelt sich eine mitreißende Handlung, in der sich nicht nur das Schicksal eines Königs entscheidet, sondern vielleicht auch das einer ungewöhnlichen Liebe. Es ist ein Theaterabenteuer voller Witz, Herz und handfestem Spektakel.

Inszeniert wird das neue Stück unter der Regie von Jakub Gawlik. Geschrieben wurde es von Autor Martin Schneider. Insgesamt sind 23 Laienschauspielerinnen und Schauspieler an der Aufführung beteiligt. Hinzu kommen noch die Tänzerinnen der Funkengarde OLIKA e.V. aus Oberlichtenau.

 

Spaß am Schauspiel

 

Für die Musik zeichnet David Meister verantwortlich. Er ist unter anderem Musikproduzent, Singer-Songwriter und bringt seine ganze Leidenschaft und Erfahrung in das Stück ein. Die Herausforderung für ihn ist, die Wikingermusik mit der Neuzeit zu verbinden. Er sagt: »Es steckt ganz viel Herzblut darin«. Steffi Walther aus Königsbrück ist seit 2022 Ensemblemitglied der Naturbühne Reichenau. Sie spielt Trude, eine der Wikingerinnen. »Es ist der Spaß, in andere Rollen zu schlüpfen«, stellt sie fest. Und das Textlernen sei gar nicht so schwierig, wie man es sich als Außenstehender vorstellt. Ihr jedenfalls falle es leicht. Regisseur Jakub Gawlik ist vom Team der Naturbühne begeistert: »Es gibt hier Talente und alte Hasen. Das ist alles hochprofessionell, wir gehen gemeinsam voran. Das Spiel findet auf hohem Amateurniveau statt.«

Doch nicht nur auf, auch hinter der Bühne wird alles gegeben, angefangen beim Kulissenbau, über die Technik bis hin zu Kostüm, Requisite, Ausschank und Kartenverkauf. Das Team vom Naturtheater Reichenau lebt für den Verein. Der schönste dank dafür sind ausverkaufte Veranstaltungen. Insgesamt sechs davon gibt es in diesem Jahr. Infos unter www.naturbuehne-reichenau.de.

 

»Ich gerate ins Träumen«

 

Der WochenKurier sprach mit dem Regisseur Jakub Gawlik über das neue Stück an der Naturbühne Reichenau.

Was ist das Besondere am Stück »Die Wikinger kommen«?
Das Stück wäre an jedem anderen Ort sicherlich spielbar. Es aber hier in Reichenau aufzuführen, bietet ganz viel Möglichkeiten, das Setting ist besonders. Man kann sich in seiner Phantasie darauf einlassen, dass da wirklich gleich die Wikinger kommen. Ich gerate hier ins Träumen.

Ist das Ihre erste Regiearbeit an der Naturbühne Reichenau?
Es ist das zweite Mal, dass ich hier Regie führe. Wir kennen uns im Team nun mittlerweile seit dreieinhalb Jahren.

Wie viele Mitwirkende hat das Stück?
Wir haben 23 Rollen im Stück, dazu kommen noch 12 bis 14 Tänzerinnen.

Gibt es besondere Herausforderungen bei der Inszenierung?
Ja, die gibt es. Da ist zunächst die Natur. Es könnte regnen oder durch den Wind versteht man wenig. Auch die Technik ist immer ein großer Spielpartner.

Was macht die Arbeit mit den Laienschauspielern, insbesondere den Kindern, besonders?
Es sind Laienschauspieler dabei, die das erste Mal auf der Bühne stehen. Es sind aber auch Amateurschauspieler hier, die länger auf der Bühne stehen, als ich alt bin. Alle sind einfach Verrückte, im besten Sinne des Wortes. Das sind spielwütige Menschen, die sich investieren. Was die Kinder betrifft: die Eltern sind unmittelbar beteiligt, was die Proben einfacher macht. Es ist ein großes Vertrauensverhältnis da, wir arbeiten von Mensch zu Mensch. Das ist das Besondere daran.

Gibt es im Stück aktuelle Bezüge?
Ich nutze Literatur als Grundlage, um Phantasien zu erschaffen. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, als würden manche Sätze ausschwingen und landen. Ich entdecke eine Aktualität in der Thematik, beispielsweise der Kampf zwischen Mann und Frau, Emanzipationsthemen, auch Wirtschaftshochstatus oder religiöser Hochstatus, der immer noch diktieren will. Das ist brandaktuell.
Das Wikingerleben als Bastion von Normvorstellungen und moralischen Werten, von Ehre und Stolz. Das Stück ist ein schöner Ort, um sich für unser heutiges Leben zu inspirieren.

Welche ist die Hauptrolle im Stück?
In meiner Inszenierung gibt es keine Haupt- und Nebenrollen. Aber es gibt zwei herausragende Figuren. Das ist einmal Ari, ein guter König. Und dann ist da die starke Wikingerin Freya. Und letztlich gibt es eine Geschichte ihrer Liebe, aber nicht zentral, sondern als Narrativ, das sich miterzählt.

Wie sind Sie als Regisseur zur Arbeit an der Naturbühne Reichenau gekommen?
Mit Beginn der Coronazeit hatte ich Aussicht auf drei Inszenierungen. Davon blieb eine. Durch Zufall erfuhr ich davon, dass an der Naturbühne ein Regisseur gesucht wird. Da habe ich André Kunath angerufen. Wir hatten sofort das Gefühl, als würden wir uns schon dreißig Jahre kennen. So hat es begonnen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.


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