Rainer Könen/kun

Freie Fahrt für »Die Drei vom Abstellgleis«

Oberlausitz. Drei Lokführer teilen eine gemeinsame Leidenschaft: das Musizieren. Was als Zufall begann, ist heute ein musikalisches Projekt mit viel Ehrgeiz, Humor – und einem passenden Bandnamen.
Einmal im Monat treffen sich die drei Trilex-Lokführer zur gemeinsamen Probe. Sie hoffen auf mehr Auftritte, um zu zeigen, was »wir musikalisch alles drauf haben«, so Gitarrist und Sänger Holger Herrmann (r.), hier bei einer Probe mit Karl Kujau (l.) und Steffen Hentschel.

Einmal im Monat treffen sich die drei Trilex-Lokführer zur gemeinsamen Probe. Sie hoffen auf mehr Auftritte, um zu zeigen, was »wir musikalisch alles drauf haben«, so Gitarrist und Sänger Holger Herrmann (r.), hier bei einer Probe mit Karl Kujau (l.) und Steffen Hentschel.

Bild: Rainer Könen

Ein Probentag in einer Görlitzer Wohnstube. Die Stimmung bei den drei Männern ist, sagen wir es mal so, mächtig ausgelassen. Es wird gelacht, gescherzt, gefrotzelt und Musik wird natürlich auch gespielt. Geprobt wird an solchen Tagen so lange, »wie das Bier reicht«, lacht Holger Herrmann. Ein Blick auf den Getränkevorrat zeigt, dass diese Session vermutlich noch ein gutes Weilchen gehen wird.

Der 55-Jährige erzählt, dass er sich manchmal noch kneifen muss. Dass er mal in einer Band spielen würde, daran hätte er bis vor zwei Jahren nicht gedacht. Denn »ich bin weiß Gott kein musikalisches Talent«, bekennt der Görlitzer. Aber dafür habe er eine Menge Ehrgeiz. Gitarre spielen, das wollte er schon in seiner Jugend. Klappte damals jedoch nicht, weil es daheim am Geld für so ein Instrument fehlte. So blieb der Traum vom Gitarristendasein halt ein Traum. Jahrzehntelang. Bis vor einigen Jahren. Da endlich kaufte sich der gebürtige Leipziger eine Akkordgitarre, meldete sich in einer Görlitzer Musikschule an, wo er seitdem wöchentlich Unterrichtsstunden nimmt. Seine Freizeit wurde bunter und peppiger, wie er das beschreibt.

 

Wie aus Kollegen eine Band wurde

Und wie das manchmal im Leben so ist, blieb er mit seiner Passion nicht lange alleine. Der Zufall half mit. Herrmann, der seit fünf Jahren als Lokführer bei der Trilex-Länderbahn tätig ist, erfuhr, dass zwei seiner Kollegen, Karl Kujau und Steffen Hentschel, ebenfalls ein Instrument spielen. Also verabredete man sich mal zu einer gemeinsamen Probe. Vor knapp zwei Jahren war das. Seitdem trifft sich das Lokführer-Trio, so es der Dienstplan hergibt, wenigstens einmal im Monat. Gespielt werden bekannte Hits und Popsongs, von Abba über Bob Dylan bis hin zu Udo Lindenberg.

 

Tägliches Üben trotz Schichtdienst

Der erfahrenste und »talentierteste Musiker von uns ist sicher der Karl«, so Herrmann. Karl Kujau. Der 37-jährige Radebeuler stammt aus einer Künstlerfamilie, spielt mehrere Instrumente, am liebsten Akkordeon. Während der 55-jährige Bautzener Steffen Hentschel und sein gleichaltriger Kollege Holger Herrmann erst seit ein paar Jahren in die Saiten greifen. Aber »der Steffen und ich, wir werden zunehmend besser«, grinst Holger Herrmann. Der davon erzählt, dass er fast täglich probe. Und wenn es nur eine halbe Stunde sei.

Alle üben daheim so oft es geht. Auf die gemeinsamen Proben, die meist in Görlitz stattfinden, freuen sie sich dennoch. Auch weil man da vom Lokführer-Alltag abschalten könne, so Karl Kujau. Der bei diesen »kreativen Treffen« (Herrmann) immer eine Menge Ideen habe, am liebsten an jedem Wochenende eine Mucke haben wolle. Aber das verhindert ja der Dienstplan.

Einen einzigen Auftritt hatte die Band bisher. Auf einer Trilex-Firmenfeier habe man mal eine halbe Stunde gespielt. Und? »War toll, hat allen gefallen«, so Holger Herrmann, der einige der Songs, die sie spielen, selbst geschrieben hat. Und der häufig auf den Bandnamen angesprochen wird. Nun, der habe sich ja eigentlich geradezu aufgedrängt, meint er. Denn vor Dienstbeginn müssen die Lokführer ihren Zug, mit dem sie von Dresden nach Görlitz oder Zittau fahren, immer von einem hinter dem Hauptbahnhof gelegenen Abstellgleis holen. Daher dieser so einprägsame Bandname, so das Trio. Das darauf hofft, irgendwann das Abstellgleis, musikalisch gesehen, verlassen zu können. Und bis dahin wird halt munter weiter geprobt, in der Wohnstube von Holger Herrmann.


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