Rainer Könen

»Leg‘ ihn flach«

Wrestling ist Show, Sport und Schauspielkunst. Und ein Metier, in dem Frauen wie Cindy Röseberg Exotenstatus haben. Ein Trainingsbesuch bei den Kamenzer Wrestling Freaks.

Donnerstagabend in einer alten Garage in der Kamenzer Innenstadt. Ein Heizlüfter pumpt Wärme in den kalten Raum, in dessen Mitte ein beleuchtetes Ringviereck steht. Trainingszeit bei den Kamenzer Wrestling Freaks. »Jetzt leg‘ ihn flach«, ruft Clemens Skatula der jungen Frau zu, die in der Ringecke auf dem obersten Seil hockt. Ein Sprung auf den unter ihr stehenden Mann, der sich mit einem theatralisch-anmutenden Stöhnen fallen lässt, der Ringboden dröhnt beim Aufprall der beiden. Skatula schaut zufrieden.

Der 30-Jährige leitet den Klub, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert. Rund 20 Mitglieder machen mit - der jüngste ist 18, der älteste 46 - und drei Frauen. Eine ist die Heilerziehungspflegerin Cindy Röseberg. Die 25-Jährige entspricht nicht gerade dem Klischeebild einer typischen Wrestlingfrau. Wie bitteschön, kommt eine so zierlich-wirkende Frau, die 1,57 Meter klein ist und 45 Kilogramm wiegt, zum Wrestling? Sie grinst schelmisch. »Mein Freund hat mich mal mit zum Training genommen«, erzählt die Kamenzerin. Das war im vergangenen Jahr. Und? »Ich fand das cool hier«, lacht sie. Nach einem Trainingscampbesuch stand für sie fest: »Hier versuche ich mich mal.« Und sie hatte zu Beginn zu kämpfen - mit Berührungsängsten. »War total ungewohnt für mich, der intensive Körperkontakt mit schwitzenden, kämpfenden Menschen«, erzählt sie. Dazu die Emotionen, die auch inszenierte Kämpfe auslösen können, die ein Mix aus Sport und Akrobatik sind, gewälttätig aussehen, es aber nicht sind. Ziel ist es, nicht nur das Publikum zu unterhalten, auch der Gegner soll nicht verletzt werden. Sie lernte, worauf es beim Wrestling ankommt: mit einstudierten Schlägen, Tritten und Würfen eine unterhaltsame Story zu erzählen. Drei Kämpfe habe sie schon bestritten. Zwei gegen Männer, einen gegen eine Frau. Alle verloren, logisch. Sie, die noch dabei ist, sich aus dem Praktikantenstatus der Szene herauszukämpfen, gibt sich jedoch optimistisch. »Irgendwann werde ich meinen Sieg bekommen«, feixt sie.

Zu den Kämpfen sei ihre Familie gekommen, die sei von ihren Auftritten »begeistert« gewesen. Trainiert wird einmal in der Woche, am Sonntag. Das reiche aus, so die frühere Turnerin. Angst vor Verletzungen hat sie nicht, obwohl »ich immer damit rechne«. Ihr Freund habe sich vor einiger Zeit das Knie verdreht, der laboriere jetzt noch daran. Aber Wrestler, gleich ob Mann oder Frau, sind hartgesottene Zeitgenossen. Wenn es passiere, müsse man da halt durch, so Cindy Röseberg. Die, wie alle in der Szene, einen Künstler- respektive Kampfnamen hat. Wüssten viele ja gar nicht, das Wrestling auch »große Schauspielkunst« sei, so Vereinschef Skatula, der darauf hinweist, dass man im Übrigen ein eingetragener Kunst- und Kulturverein sei.

Skatula, im wahren Leben ein Sozialpädagoge, nennt sich Garbage Brawler, was man mit Abfallschläger übersetzen kann. Cindy Rösebergs Szenenname ist »Rose«. Was nicht einschüchternd klingt, vielmehr versprüht dieser Name frühlingshaften Charme. Die Kamenzerin überlegt derzeit, in welche Kategorie sie perspektivisch gehören will: zu den Guten oder zu den Halunken? Mal so »einen fiesen Charakter zu spielen«, das fände sie reizvoll. Da werde sie im Ring bestimmt unterschätzt, glaubt sie. Aber: Kann sie das Böse darstellen? Kurzes Zögern. Ja, schon. Ein bisschen. Sie lacht.

Kontakt:

Freak Wrestling Kamenz e.V.

Clemens Skatula

  • Tel. 0152/ 240 583 07


Meistgelesen