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Rainer Könen

»Die Queen war eine unserer treuesten Kunden«

Wallroda. Seit zehn Jahren sucht die Kunstblumenmanufaktur Steyer in Wallroda einen Nachfolger. Doch es findet sich (noch) keiner.
Heide Steyer in der kleinen Schauwerkstatt der Kunstblumenmanufaktur. Den Hut trug sie seinerzeit bei einem Besuch des legendären Pferderennens in Ascot, wo sich traditionell die britische High Society trifft und natürlich auch die Royals oft vorbeischauen.

Heide Steyer in der kleinen Schauwerkstatt der Kunstblumenmanufaktur. Den Hut trug sie seinerzeit bei einem Besuch des legendären Pferderennens in Ascot, wo sich traditionell die britische High Society trifft und natürlich auch die Royals oft vorbeischauen.

Bild: Rainer Könen

Heide Steyer hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. »Wir werden schon noch einen Nachfolger für unseren Betrieb finden«, so die 78-jährige Geschäftsfrau, die gemeinsam mit ihrem Mann Gerald (79) seit 1998 die Kunstblumenmanufaktur im Arnsdorfer Ortsteil Wallroda leitet.

 

BWL-Kenntnisse allein reichen nicht

Seit mehr als zehn Jahren sucht das Unternehmer-Ehepaar einen geeigneten Nachfolger für das weltweit bekannte Unternehmen, zu dessen Kunden auch der europäische Adel gehört. So war die Queen zu Lebzeiten eine der treuesten Kunden des Wallrodaer Unternehmens.

Dass sich die Suche nach einem geeigneten Nachfolger so schwierig gestalten würde, hätte das Ehepaar nicht gedacht. Ob es am Anforderungsprofil liegt? Die Herausforderung liegt ja nicht nur darin, dass der Nachfolger die Geschäfte der Kunstblumenmanufaktur führen, sondern auch den kreativen Part von Heide Steyer übernehmen muss. Die ist in dem Unternehmen für die Kreationen zuständig. Es reicht also nicht aus, wenn sich da jemand mit Lohnbüchern, Marketing und Betriebswirtschaft auskennt. Vor allem wird viel Kreativität verlangt. Sollte sich jedoch in der nächsten Zeit wider Erwarten niemand finden und Steyers den Betrieb schließen müssen, bliebe europaweit nur noch eine Manufaktur in Paris, die Kunstblumen herstelle, so Heide Steyer weiter.

Die Geschichte der heutigen Kunstblumenmanufaktur begann 1970 in Berlin. Damals übernahm das Ehepaar Steyer die in West-Berlin ansässige Blumen- und Federnfabrik Curt Morgenstern. Nach der Wende bemühten sich die beiden Geschäftsleute darum, einen Teil der Produktion nach Sachsen, in den damaligen volkseigenen Kunstblumenbetrieb Sebnitz, zu verlagern. Was jedoch an der Treuhand scheiterte. 1995 erwarb das Ehepaar einen Vierseithof in Wallroda. Nach Umbau und Sanierung des Hofes startete 1998 die Produktion in der kleinen Ortschaft.

 

Hollywood setzt auf »made in Wallroda«

Die Kunstblumen, die dort angefertigt werden, sind als Accessoires für Hüte und Kleider gedacht. Neben dem europäischen Adel gehören auch Modemarken wie Valentino zu den langjährigen Kunden der Steyers. Sogar Hollywood setzt auf die Blüten »made in Wallroda«. In Filmen wie »Titanic« oder diversen James-Bond-Filmen kann man sie sehen.

Einblicke in die Geschichte dieses fast ausgestorbenen Handwerks bekommt man in der Schauwerkstatt, die auf dem Hof untergebracht ist. Hier zeigen Schautafeln, wie die seidigen Kunstblumen hergestellt werden. Fachkräfte sind in dieser Branche ziemlich rar. Was daran liegt, dass der Ausbildungsberuf des Blütenmachers in der Bundesrepublik bereits 1972 abgeschafft wurde. Derzeit wird die Steyersche Manufaktur noch von zwei Mitarbeitern unterstützt.

Heide Steyer erzählt, was man bisher unternommen habe, um jemanden für Deutschlands letzte Kunstblumenmanufaktur zu finden. Sie hatten ihren Betrieb auf Onlinebörsen gestellt, alle Medien genutzt, sogar die Industrie-und Handelskammer um Hilfe gebeten. Jedoch: alles Bemühen blieb vergeblich. Bei den Bewerbern habe »immer irgendwas gefehlt«.

 

Die Daten werden von der Good Conversations gGmbH (einer Tochtergesellschaft von ZEIT ONLINE) erhoben und verarbeitet.

 

Fremdsprachen sind hier ein »Muss«

Entweder mangelte es am Verständnis für dieses Handwerk oder es war kein Geld für Investitionen da. Oft haperte es an der Sprache. Mehrsprachigkeit sei ja das Nonplusultra in dieser Branche, betont Heide Steyer. »Angesichts unserer internationalen Geschäftsverbindungen sind Englisch und Französisch ein Muss.« Ebenfalls unerlässlich; gute Umgangsformen. Wichtig, bei Kunden aus den europäischen Königshäusern und der Modebranche.

Lässt sie diese langwierige Suche nicht manchmal verzweifeln? Nein, das nicht, meint die gebürtige Oldenburgerin. Aber sie könne ihr gemeinsames Lebenswerk halt nicht verscherbeln, so die ehemalige Bankkauffrau und letztlich sei das auch »ein Großteil unserer Altersversorgung«. Der Vierseithof mit der Manufaktur und der Schauwerkstatt, das 5.000 Quadratmeter große Grundstück.

Immer wieder hatten sich die Steyers Fristen bei der Nachfolgersuche gesetzt, Fristen, die sie stets neu festlegten. Fast ihr halbes Leben haben Steyers der Manufaktur gewidmet, ein aufregendes Arbeitsleben gehabt, wollen endlich den wohlverdienten Ruhestand genießen. Derzeit verhandle man mit einem deutschen Künstler-Ehepaar. Mehr wolle sie nicht verraten. Wird‘s dieses Mal mit einem Verkauf klappen? Die Wallrodaerin lächelt, kein Kommentar. Sollten die Verhandlungen allerdings scheitern, nun ja, müsse man halt weiter schauen.

Solange kein Nachfolger für ihr Traditionsunternehmen gefunden ist, will und kann das Unternehmer-Ehepaar nicht aufhören. »Es braucht einfach jemanden, der das alles hier wertschätzen kann«, so Heide Steyer weiter. Aber der ist (noch) nicht in Sichtweite.


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