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Sandro Paufler

An der Grenze der Überlastung

Ostsachsen. Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland reißt nicht ab. Der Freistaat Sachsen ist als Grenzbundesland davon besonders betroffen. Es ist sogar von einem Kontrollverlust die Rede. Nun wurden stationäre Grenzkontrollen temporär eingerichtet. Wie die Bundespolizei die sächsischen Grenzen kontrollieren möchte.
Eine bewährte Methode: Schleuser setzen die Migranten im Nirgendwo aus und überlassen sie ihrem
Schicksal. Erst vergangene Woche wurden wieder 30 Migranten im Grenzort Lückendorf im Zittauer Gebirge
von der Bundespolizei aufgegriffen.

Eine bewährte Methode: Schleuser setzen die Migranten im Nirgendwo aus und überlassen sie ihrem Schicksal. Erst vergangene Woche wurden wieder 30 Migranten im Grenzort Lückendorf im Zittauer Gebirge von der Bundespolizei aufgegriffen.

Bild: Xcitepress

»Die Menschen, die in der Grenzregion leben, kriegen jeden Tag die Bilder von Schleuserfahrzeugen und orientierungslos herumlaufenden Personengruppen in den Ortschaften mit. Das ist das Bild von Kontrollverlust«, beschreibt der Sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) vor drei Wochen den Ernst der Lage im Bundestag.

 

Über 14.000 Flüchtlinge nach Sachsen gekommen

 

Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Angaben des sächsischen Innenministeriums wurden bis August dieses Jahres 14.766 Asylsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates erfasst. Ein Jahr zuvor waren es knapp 9.000 Personen. Seit September greift die Bundespolizei wöchentlich rund 1.000 Personen entlang der sächsischen Grenze auf. Der Peak wurde laut Innenminister Schuster im August mit über 4.900 illegalen Einreisen erreicht. Eine weitere Herausforderung stellt die Unterbringung der knapp 60.000 aufgenommenen Flüchtlinge aus der Ukraine dar.

 

Sachsen musste Kapazitäten erhöhen

 

Da Sachsen wie Bayern und Brandenburg ein Grenzbundesland ist, sieht sich der Freistaat mit der Aufgabe konfrontiert, erstmal alle ankommenden Personengruppen zu erfassen und unterzubringen, um sie nach vier bis sechs Wochen über ein geregeltes Quotensystem an die anderen Bundesländer zu verteilen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat das Sächsische Innenministerium seine Erstaufnahmekapazitäten von 3.500 auf 10.000 Betten aufstocken müssen. Der Großteil der Asylsuchenden im Freistaat kommt aus Syrien, Venezuela und Afghanistan.

 

Wie die Polizei gegen Schleuser vorgeht

 

Um die Schleuser dingfest machen zu können und die Migranten aufzugreifen, setzt die Bundespolizei auf verschiedene Maßnahmen im Grenzgebiet. So führen die Beamten in einem Umkreis von 30 Kilometern flexible und stichprobenartige Kontrollen durch. Zum Einsatz kommen sowohl uniformierte als auch zivile Einsatzkräfte. Aus der Luft werden die Beamten mit einem Polizeihubschrauber unterstützt. Sehr hilfreich sind Hinweise aus der Bevölkerung und die gezielte Befragung der Schleuser oder der illegal eingereisten Personen. Dabei agieren die Polizeikräfte in enger Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Polen und Tschechien zusammen, erklärt ein Sprecher der Bundespolizei.

 

Schleuser erwarten hohe Haftstrafe

 

Sollte die Polizei einen Schleuser festnehmen, wird er zum nächsten Bundespolizeirevier gebracht und erkennungsdienstlich mit Fingerabdrücken und Lichtbild erfasst. In Deutschland kann ein Schleuser mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.

Aber auch die Geschleusten erfüllen den Straftatbestand der unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik. Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung und der strafprozessualen Bearbeitung mithilfe eines Dolmetschers werden die Personen zum Sachverhalt im Revier vernommen. In den überwiegenden Fällen wird ein Asylbegehren geäußert. Danach werden die Personen in die nächste Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet. Äußert die Person kein Asylbegehren, wird die unmittelbare Aufenthaltsbeendigung wie beispielsweise die Zurückschiebung nach Polen oder in die Tschechische Republik geprüft, sagt ein Bundespolizeisprecher.

 

Stationäre Kontrollen kommen

 

Im Zuge der Diskussionen um die Eindämmung von illegaler Migration wurde die Forderung nach stationären Grenzkontrollen laut. Diese hatten vor allem die Innenminister aus Brandenburg und Sachsen gefordert. Nach langem Hin und Her hat Bundesministerin Nancy Faeser (SPD) am Montagabend, 17. Oktober, stationäre Grenzkontrollen bei der EU-Kommission angemeldet. Diese sollen an den Hauptverkehrswegen der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz von der Bundespolizei umgesetzt werden und erst einmal zehn Tage andauern. Ob die Kontrollen nach diesem Zeitraum weitergeführt werden, ist noch unklar.

 

Wie die Bundespolizei in Sachsen kontrolliert

 

Auf Sachsen bezogen wurden auf der A 17 von Prag nach Dresden und der A 4 in Richtung Görlitz stationäre Kontrollstellen an der Grenze eingerichtet. Mit leichten Verkehrseinschränkungen ist zu rechnen. Darüber hinaus werden alle Bundes- und Nebenstraßen, die über die tschechische oder polnische Grenze führen, flexibel und stichprobenartig von den Polizeibeamten überwacht. Wer mit dem Zug von Dresden nach Prag fahren möchte, muss ebenfalls mit verstärkten Polizeikontrollen rechnen. Dabei wird die Bundespolizei von der Bereitschaftspolizei und Kräften des Zolls unterstützt, so ein Sprecher der Bundespolizei.

 

Kritik von der Gewerkschaft

 

Kritikpunkte gab es von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, erklärt, dass es den Polizisten an notwendiger Ausstattung wie professionell eingerichteten Kontrollstellen oder Ermittlungstechnik fehle. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Beamten ohne diese Technik einen längeren Zeitraum an den Grenzen arbeiteten, ergänzt Roßkopf.

 

Innenminister ist froh über Grenzkontrollen

 

Sachsens Innenminister Armin Schuster hingegen begrüßte den Schritt, verstärkte Kontrollmaßnahmen an der Grenze umzusetzen. Es sei der »richtige Schritt« und die Kontrolle der Grenze hätte jetzt »oberste Priorität« – auch im Hinblick auf mögliche Flüchtlingsströme durch den Krieg im Nahen Osten, so der CDU-Politiker in einem Interview im öffentlich-rechtlichen Fernsehen


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