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Landratswahl: Kandidat Sebastian Wippel im Interview

Am 12. Juni wird ein neuer Landrat oder eine Landrätin gewählt. Wir haben den Kandidaten sieben Fragen gestellt. Hier antwortet Sebastian Wippel (AfD).

Sebastian Wippel

Sebastian Wippel

Bild: PR

WochenKurier: Herr Wippel, warum haben Sie sich dazu entschieden, bei der Landratswahl als Kandidat anzutreten?

Sebastian Wippel: Wir alle können heute beobachten, dass lebenswichtige Institutionen sowie auch die Verwaltung an ihre Leistungsgrenzen stoßen, da sie die von der Gesellschaft und Gesetzgebern gestellten Aufgaben kaum noch bewältigen können. Egal ob es nun überforderte Gerichte sind, ob Lehrer ausgebrannt ihren Dienst unterbrechen, ob Landarztpraxen geschlossen werden oder Polizisten nach Verstärkung rufen, oder ob Landkreisstrukturen zu bloßen Missstands-Verwaltern wurden, denen jegliche Gestaltungsspielräume genommen sind. Man könnte annehmen, dass die in Land und Bund regierenden Parteien, sich ganz offensichtlich gar nicht mehr für die Sorgen ihrer Bürger interessieren, wenn es nicht gerade laute Proteste gibt. Die neuen deutschen Bundesländer sind hier insbesondere von betroffen - die Oberlausitz mehr als so manch andere Region. Ich bin gebürtiger Görlitzer und zeige mich bereits seit Jahren in der Kommunal- sowie auch Landespolitik aktiv. Ich sehe diese Kandidatur daher als hervorragende Chance, mich direkt vor Ort für die die Verbesserung des gesamten Landkreises einzusetzen.

 

Wie kann, auch im Hinblick auf den Kohleausstieg, die Wirtschaft im Kreis gestärkt werden?

Die Stärkung der Wirtschaft bedeutet in unserem Landkreis vor allem die Förderung des Mittelstands. Ihn zu unterstützen heißt hierbei explizit die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, die Verknüpfung mit exzellenter Forschung sowie einen sicheren Zulauf von Fachkräften. Im Fokus unserer Wirtschaftspolitik muss aber auch der Erhalt der vorhandenen Industriestrukturen und deren Unterstützung bei der Zukunftssicherung sein. Wo ein Strukturwandel nötig ist, müssen nicht nur Gelder her, sondern in erster Linie ein unternehmerfreundliches Klima, damit die tatkräftigsten Unternehmen nicht länger an bürokratischen Hürden scheitern - das gilt insbesondere in Anbetracht des sich anbahnenden Kohleausstiegs. Nur wenn wir innovative Menschen vom Bürokratie- und Abgabenwahnsinn befreien, können sie ihre Potentiale voll entfalten. Dies kann insbesondere mit einer Sonderwirtschaftszone gelingen: Günstiger Boden, weniger Verwaltung und niedrigere Steuern helfen jedem Unternehmen weiter. Der Landkreis Görlitz ist zudem durch seine Grenzlage für lokal agierende Unternehmen aufgrund des fehlenden Halbkreises im Einzugsgebiet benachteiligt. Das führt dazu, dass Ansiedlungen solcher Unternehmen im Landkreis Görlitz weniger gefragt sind als in vergleichbaren Landkreisen mit vollem Radius. Um diesen Nachteil auszugleichen, bedarf es Gründungen und Ansiedlungen von Unternehmen, die überregional tätig sind. Wir müssen uns dafür einsetzen, durch örtlich begrenzte, günstige steuerliche Rahmenbedingungen und hohe Flexibilität dieses Ziel zu erreichen. Ein Verzicht auf dieses Instrument würde den Landkreis auch gegenüber seinen östlichen Mitbewerbern in weiteren Nachteil bringen, da in Polen genau dieser Weg erfolgreich beschritten worden ist.

 

Wie kann es gelingen, die Kommunen im Landkreis finanziell zu entlasten?

Auch hier spielt wieder maßgeblich die Attraktivität unseres Landkreises mit hinein: Durch einen Zuwachs investitionswilliger Unternehmen sowie mehr Mittelständlern, die sich für einen Verbleib oder gar Zuzug entscheiden, wird auch das Steueraufkommen steigen, welches beispielsweise anhand der Gewerbsteuer wiederum den Kommunen zugutekommt. Eines sei hier aber gesagt: Am Ende des Tages sind für die finanziellen Schwierigkeiten vieler Kommunen Bund und Länder maßgeblich verantwortlich. Denn diese geben die entsprechenden Steuergesetze und bürokratischen Hürden für Unternehmer vor. Den Kommunen werden immer mehr Aufgaben zugeteilt, während das verfügbare Geld gleichbleibt.

 

Lehrer- und Ärztemangel sind zwei Probleme im Kreis. Was muss aus Ihrer Sicht hier getan werden?

Die Attraktivität unserer Region hängt maßgeblich von einer guten medizinischen Versorgung ab. Diese befindet sich seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Für dringende Untersuchungen müssen die Patienten lange Wartezeiten und weite Wege in Kauf nehmen. Teilweise werden Termine erst nach mehreren Monaten Wartezeit realisiert. Zukünftig ist durch die zu erwartende altersbedingte Verrentungswelle der Ärzte bei gleichzeitig zunehmenden Arztbesuchen von einer noch schwierigeren Situation auszugehen. Um eine flächendeckende Versorgung der Landbevölkerung zu ermöglichen, sind neue Lösungen angebracht. Durch die Möglichkeiten der Telemedizin kann wohnortnah mittels besonders geschulten Personals eine gewisse Basisabdeckung abgesichert werden. Um dies zu realisieren, müssen in den Gemeinden entsprechende Räumlichkeiten und eine Infrastruktur geschaffen werden. Außerdem sollte die Übernahme von Arztpraxen stärker gefördert werden. In diesem Zusammenhang sind Vernetzungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung, Kommunen und Interessenverbänden von Patienten zwingend notwendig. Weiterhin wünsche ich mir die aktive Unterstützung von Ärzten, die sich in unserer Heimat niederlassen oder in unsere Region zurückkommen möchten. Der Mangel an Lehrkräften ist ein landesweites Problem, welches vor allem mit einer zu geringen Anzahl von Lehrkräften und zu wenigen Planstellen zusammenhängt. Hier gilt es aktiv gegenzuwirken, indem die Anzahl der geplanten Stellen erhöht und Quereinsteigern der Eintritt in den Lehrerberuf erleichtert wird.

 

Wie wollen Sie Perspektiven für junge Familien schaffen, um diese im Kreis zu halten bzw. hierher zu ziehen?

Um junge Familien im Kreis zu halten und Weggezogene wieder zurückzuholen, muss die Attraktivität der Region in Gänze erhöht werden. Viele Einwohner haben den Landkreis Görlitz seit der deutschen Einheit meist aus beruflichen Gründen verlassen und sich in anderen Bundesländern in ihrer beruflichen Laufbahn zu erfahrenen Fachkräften entwickelt. Bei vielen ist die Sehnsucht nach der Heimat groß. Ich möchte alles dafür tun, dass für diese Menschen die alte Heimat wieder die neue Heimat wird. Um das zu bewirken, bedarf es eines Rückkehrbeauftragten, der dabei hilft, all das über die Ferne zu organisieren, was es zu einer Rückkehr in die Heimat brauchen kann: Kita-Plätze, Geschäftsübernahmen, Arbeitsplätze, Bauland und Wohnraum finden. Neben dem Ausbau der Infrastruktur, der an anderer Stelle ausführlicher behandelt wird, ist noch ein essenzieller Punkt das Wohnen: Gegenüber Großstädten kann der Landkreis Görlitz mit vergleichsweise günstigen Wohnungen und Immobilien punkten und muss dies auch offensiv anpreisen. Außerdem soll der Landkreis bei der Bereitstellung von Bauland unterstützen. Statt des Verkaufes von Flächen sind nach Möglichkeit jedoch Erbpachtverträge anzubieten. In Zeiten steigender Baukosten gewinnen Familien so finanziellen Spielraum für ihre Wohnraumplanung und die kommunalen Verpächter sichern sich dauerhafte Einnahmen, die sozialverträglich sind. Auf solche Weise können wir es für junge Familien auch ansprechend gestalten, in den Landkreis zu ziehen.

 

Wie bewerten Sie die Infrastruktur im Kreis und was muss in diesem Bereich aus Ihrer Sicht getan werden?

Die Infrastruktur ist, und da sind wir uns alle sicherlich einig, an vielen Stellen verbesserungswürdig. In Berlin scheint man zu glauben, dass die Ostsachsen das hinterwäldlerischste Völkchen auf Erden sind und deshalb keine gescheite Verkehrsanbindung benötigen. Diese Vernachlässigung unserer Region muss ein Ende haben, weil Görlitz das Tor nach Osteuropa ist und auch in der Mitte zwischen Nord und Süd liegt. Diese europäische Zentrumslage kann sich jedoch nur auf unseren Wohlstand niederschlagen, wenn die Verkehrswege es erlauben. Deshalb habe ich ganz konkrete Ziele für die Verbesserung unserer Infrastruktur. Dazu gehören eine ICE-Verlängerung Dresden-Görlitz-Breslau, die Einrichtung eines Terminals für LKW-Verladung auf die Schiene, die Entlastung der A4 vom stetig wachsenden Schwerlastverkehr, den Ausbau des Schienen- und Bahnnetzes, die Fertigstellung der B178n bis Weißenberg, sowie der dreispurige Ausbau der B115 und B156. Leider sind wir auch beim Internetausbau ins Hintertreffen geraten. Hier gilt es auch bei uns mächtig aufzuholen. Es müssen zukunftsweisende Datenleitungen mit mindestens 1GBit vorhanden sein und bei der Entwicklung des 4G-Nachfolgers 5G müssen wir, unter der ernsthaften Berücksichtigung gesundheitlicher Aspekte, ein lückenloses Mobilfunknetz aufbauen.

 

Wie gut sehen sie den Kreis in Sachen Klima- und Umweltschutz aufgestellt und was möchten Sie hier bewegen?

Der Landkreis hat bereits gute Schritte gemacht, beim Umweltschutz aber noch einiges an Nachholbedarf - auch wenn immer die Interessen der Menschen im Landkreis vordergründig betrachtet werden müssen. Eines sei jedoch direkt gesagt: Klima- und Umweltschutz werden heute oft in einen Topf geworfen, obwohl das eine oft zum Nachteil des anderen ausfällt. Die großflächige Rodung von Wäldern zum weiteren Aufbau von Windkraftanlagen und die damit einhergehende Verspargelung unserer Landschaft etwa schaden der Natur mehr als sie nutzen. Wir müssen die Thematik daher pragmatisch und realitätsnah angehen. Kluge Umweltpolitik ist häufig auch kluge Verkehrs- und Wirtschaftspolitik. Es muss daher unser Ziel sein, die vielen Pendler aus unserer Region mit Arbeitsplätzen vor Ort zu versorgen. Kurze Arbeitswege sind die beste Umwelt- und Familienpolitik. Dazu brauchen wir aber einen viel besseren Öffentlichen Nahverkehr mit Anbindung an die Schiene. Vielerorts wächst außerdem der Leerstand im Kern von Dörfern und Kleinstädten, während auf der "grünen Wiese" gebaut wird. Um diese ökologische und städtebauliche Fehlentwicklung zu korrigieren, setzte ich mich für Innenentwicklung, Flächenentsiegelung und Baulückenschließungen ein. Bauliche Eingriffe in die Natur sind so weit wie möglich zu minimieren. Allein deshalb ist eine Restauration alter Gebäude sinnvoller als ein Neubau, der Gemeinden immer mehr ausfasern lässt. Dies begünstigende Gesetze, die noch dazu eine schnelle Enteignung landwirtschaftlicher Flächen zulassen, sind wieder aufzuheben. Ich setze mich darüber hinaus für den Erhalt der gewachsenen Kulturlandschaft ein. Grund und Boden gehören als reine Spekulationsobjekte verboten.


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