

„Um Gerüchten vorzubeugen, wir wollen die Pestalozzistraße nicht für Autos sperren! Das ist Unsinn. Aber es wird Tempo 30 gelten. Und ja, da muss man eben mal hinterher fahren“, so Dr. Michael Steinbusch. Er ist Stadtplaner, Fahrradfahrer und auf Ausgleich bedacht. Denn dass es dann doch nicht so einfach ist, den Bürgern und vor allem Anwohnern das Konzept „Fahrradstraße“ schmackhaft zu machen, das zeigt auch die Einwohnerrunde zur Pestalozzistraße im Kulturbahnhof.
Zumal die Stadt in der Uferstraße das Konzept „wieder einkassiert, gelernt hat, dass eine Fahrradstraße hier das falsche Mittel ist“, so Steinbusch weiter. So viel Offenheit macht neugierig. Im Juni will die Stadt im Bootshaus die neuen Pläne für die Uferstraße vorstellen.
Die Pestalozzistraße ist anders. Ein Blick auf die Karte macht klar, was die Stadt möchte: eine Alternative zur Meißner Straße, südlich wie nördlich, die den Radverkehr anziehen soll. Hier sollen die Radfahrer zwischen Elbe und Weinbergen sicher und zügig durchkommen. „Wir wollen nicht irgendwo eine Fahrradstraße unterbringen! Wir wollen die Verbindungen, die Idee“, erläutert Steinbusch.
Hinter der Idee steht vor allem die neue sportlich-kulturelle Mittel von Radebeul, die die Weintraubenstraße, S-Bahnhof, Krokofit, Schwimmhalle, mit einem neuen Weg bis nach Kötzschenbroda hinein erschließen wird. Das Lößnitz-Gymnasium mit seinen zwei Standorten, Berufsschule, Kita, Hort, Sportlätze – sie alle liegen aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Gerade Schüler und Eltern profitieren von einer Fahrradstraße.
Tiefbauamtsleiter Oliver Lange hat die baulichen Details auf seinem Tisch: Immerhin muss ein etwa 370 Meter langer Abschnitt vorher noch grundhaft saniert werden und das geht wiederum nur mit Fördermitteln. Da die aus dem Topf „Radverkehrsanlagen“ kommen, macht sich die Stadt Hoffnungen, es könnte schneller gehen als anderswo.
Damit eine weitgehend durchgängige Route entsteht, wird z.B. die Vorfahrt verändert -z.B. in der Schumannstraße. Die Pestalozzistraße wir hier künftig Hauptstraße. An der Wasastraße sollen Stoppschilder kommen. Westlich wird die Fahrradstraße bis in die Steinbacher Straße einschwenken, die Vorfahrt ändert sich auch hier - die Steinbachstraße wird zur Hauptstraße. Am Übergang zur Steinbachstraße (Berufsschulzentrum) endet die Fahrradstraße vorerst in einem ersten Schritt. „Unser Wunsch ist, daß die Steinbachstraße mal zur Fahrradstraße wird und so eine sichere Querung der Weintraubenstraße entsteht“, so Lange. Ob als Variante mit Tunnel oder Ampel, diese Untersuchung ist gerade in Auftrag gegeben. Große blaue Piktogramme, rote Block-Striche an den untergeordneten Straßen, Kreuzungen, die rot markiert sind – das alles ist NUR Bemalung, aber die ist wichtig. Sie zeigt das Konzept: Hier hat der Radfahrer Vorrang!
Das schließt auch das Nebeneinander Fahren ein. „Ja, das ist erlaubt!“, so Steinbusch ausdrücklich. „Aber nicht zu viert – es ist ja Gegenverkehr, aber sicher zu zweit. Es wird Tageszeiten geben, da merken die Autofahrer nichts davon und andere Zeiten, da fährt man hinterher. Ja, das ist so!“ Denn schneller als mit Tempo 30 darf nicht überholt werden – wenn es überhaupt möglich ist.
Vorfahrt auf der Fahrradstraße – das klingt gut, birgt aber die Gefahr des Entstehens einer „kleinen Hauptstraße“, so Steinbusch. Ist der Plan also zu moderat? Harte Mittel wie Poller, die schräg auf der Kreuzung stehen und die Autos zum Abschwenken zwingen oder die Pestalozzistraße gar zu Einbahnstraßen machen, die gegeneinander laufen, das will die Stadt nicht.
Auch das Schild „Nur für Anlieger“ wird es erstmal nicht geben. Das Rathaus möchte „weich rangehen“. Zählungen sollen zeigen, ob eine durchgängige Pestalozzistraße mehr Autos anzieht – oder ob die doch lieber auf die Meißner ausweichen. Die Straßenverkehrsbehörde hält sich die Option „Nur Anlieger“ vorsichtshalber offen.
„Mehr machen ist nicht immer besser“, ist Steinbusch sich jedenfalls sicher und verweist auf die Debatten in Dresden. Außerdem: Anlieger müssten im Falle einer Einbahnstraße längere Umwege fahren. Denn reiner „Anlieger-Verkehr“ hat seine Tücken: Die meisten Nutzer der Fahrradstraße sind juristisch gesehen keine Anlieger – durch Schulen, Sporteinrichtungen, Kita oder Hort. Vor allem: Wer soll das ständig kontrollieren?
Aggressive Radfahrer, aggressive Autofahrer – dunkle Kleidung, kein Licht am Rad und Autofahrer, die haarscharf am Radler vorbeischnippeln. Natürlich bleiben Vorwürfe nicht aus. Steinbusch hofft, daß die Fahrradstraße Aggression herausnimmt.
Steinbusch, sinnt auf Ausgleich: „Ihr müsst auch die Autofahrer verstehen. Wir machen keine Politik gegen Autofahrer. Was wir wollen, ist eine Verkehrsdifferenzierung, damit jeder gut untergebracht ist. Zügig, ohne andere zu nerven, auch das ist wichtig.“
Das Gefühl „Ich fühle mich gegängelt“ muss hinterfragt werden: „Wir sind in der Stadt! Auto ist das wichtigste Verkehrsmittel, aber es kann nicht immer ums Auto gehen.“
Unterdessen werden sich die Stadtplaner mit neuen Gegebenheiten auseinandersetzen müssen. An der Schumannstraße sind neue Wohnhäuser mit Tiefgaragen entstanden, wo die Autofahrer über den Fußweg „herausgeschossen“ kommen, so eine Radebeulerin. „Soll ich mein kleines Kind mit dem Rad dort auf dem Fußweg fahren lassen, wie ich es müsste – oder auf der anderen Seite, wo die Mütter mit Kinderwagen unterwegs sind oder auf der Straße, wo sie nicht fahren dürfen?“ Mit dem Bebauen des Wasaparks kommen weitere Anlieger dazu, die auf die Pestalozzistraße ein- und ausfahren. Da wartet noch viel Arbeit auf die Stadt.