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Birgit Branczeisz

"Kalligrafie? Ach, da können Sie chinesisch!"

Moritzburg. Der Kunstsommer befasst sich mit europäischer Kalligrafie und will glücklich machen.

Erstmals werden zum Moritzburger Kunstsommer auch Laien ausstellen. Der Spannungsbogen zwischen professionellen Künstlern und Laienkünstlern wird bewusst über den ganzen Sommer aufrechterhalten - jede Ausstellung, jeder Workshop, selbst die begleitende Musik wird von Künstlern beiderseits getragen.

Eben dieser Unterschied, die Nuancen im Schaffen werden bewusst thematisiert - exklusiv am 29. Juli bei einem Diskussionsabend genau zu diesem Thema. "Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt." So Ernst Ludwig Kirchner zum Programm der BRÜCKE-Künstler 1906. Denn der Kunstsommer findet natürlich am besonderen Ort "Rotes Haus" statt.

Vor über 100 Jahren trafen sich hier Maler, die nach einem neuen, eigenem Ausdruck suchten und die Gruppe "Die BRÜCKE" gründeten. Von 1906 bis 1911 entstanden an den Moritzburger Teichen farbintensive Werke, deren Bildsprache als Expressionismus in die Kunstgeschichte einging. 2024 ist BRÜCKE-Jahr in Moritzburg und Bürgermeister Jörg Hänisch hätte bis dahin gern eine multimediale BRÜCKE-Schau im Roten Haus.

Doch dieses Jahr wird es zunächst sehr händisch im und am Roten Haus zugehen - unsere Schrift, ureigenstes Zeugnis unserer Kultur, ist das Thema.

Der Titel des diesjährigen Kunstsommers heißt "KunstBEDARF". Kulturmanagerin Sabine Hänisch erklärt auch warum. Geht es doch den Veranstaltern darum, den Bedarf an Kunst bei den Ausstellenden und den Gästen zu hinterfragen. Auch hier wird der Spannungsbogen durchgehalten: 17 Postkarten - 17 Frauen -17 Statements mit kalligrafischer Kunst. Übrigens von hier oder anderswo sind dei Postkarten gern zu verschicken, wie einst die BRÜCKE-Künstler.

Statt der üblichen Vita jeder Künstlerin können die Besucher kurze Texte lesen, die ausdrücken, was die Beschäftigung mit der Kalligrafie für die Einzelne bedeutet. Feder-führend ist die Gruppe "Papiergeflüster", die dadurch bekannt ist, dass sie jedes Jahr einen Kalender herausgibt, der u.a. in der Kunsthofpassage zu kaufen ist. Künstlerin Mari Emily Bohley wird selbst zu denen gehören, die im Kunstsommer Workshops geben. Sechs Stück für verschiedene Altersgruppen sind es insgesamt, einer davon dauert 2 Tage.

Mari Bohley hat viel Erfahrung damit - nach ihrem Studium Kalligrafie & Buchbinden am Roehampton Institute London bei Ewan Clayton, eröffnete sie in Dresden ein Atelier mit Laden, merkte jedoch schnell, dass die Leute lieber einen Workshop bei ihr buchten, als ein fertiges Werk zu kaufen. Darum geht es - sich zu hinterfragen, was diese Beschäftigung mit uns macht, es einfach selbst tun.

Inzwischen gibt Bohley auch erfolgreich Kurse in der Toskana und auf Sylt. Noch heute lacht sie wenn Leute spontan sagen: "Kalligrafie? Ach, da können Sie chinesisch!" Dabei hat Europa eine lange, lange Kalligrafie-Tradition, gleich Architektur und anderen Künsten. Besonders England. Auch dazu gibt sie gleich eine Anekdote zum Besten: ihr Lehrer Ewan Clayton hat kürzlich die Initialen für den Krönungsstuhl von Camilla entworfen. Er kannte Prinz Charles so gut, dass der ihm anbot, Räume im Palast zu mieten, um seine Kurse durchzuführen.

"Es gibt eigentlich keine Notwendigkeit mehr, heute Schrift künstlerisch zu nutzen", sagt Mari Bohley. Umso erstaunter war sie, dass in den letzten Jahren ein unglaubliches Interesse an Handlettering & Kalligrafie aufgekommen ist. Der Bedarf kreativ zu sein, scheint nicht verschüttet. Es macht etwas mit uns, etwas Gutes. Ob das Kunst ist, ist nicht wirklich wichtig, sagt Mari Bohley.

www.kulturlandschaft-moritzburg.de


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