

Jetzt wird es heftig. Der Bauausschuss wird sich am Montag erneut intern treffen, nachdem er sich letzte Woche nach einer viereinhalbstündigen, ergebnislosen Diskussionen und langer Auszeit am späten Abend vertagt hatte. Der Eklat ist perfekt - und am Montag tagt der Stadtrat zum »Wiederaufbau der Carolabrücke«. Die Positionen reichen von einer autofreien Brücke bis hin zu vier KfZ-Spuren. Letztere wollen die Fraktionen von CDU, FDP/Freie Bürger und Zastrow. In einem vierseitigem Antrag hatten sie konzertiert für einen Wettbewerb ausgewählter Fachleute, für echte Mitsprache des Stadtrates und eine Planung geworben, die die Ziele der Stadt vorgibt, aber nicht schon die technische Lösung festschreibt.
Viele Stadträte fühlen sich einfach überrumpelt
Die Reaktion der anderen Fraktionen folgte prombt und wie zu erwarten. Von »erschreckender Ahnungslosigkeit« und einem »dilettantischen Antrag« redet Die Linke. »Die rechten Fraktionen müssen sich auch mal entscheiden: Soll es möglichst schnell gehen oder soll der Stadtrat bei jedem Zwischenschritt mit einer Verwaltungsvorlage beglückt werden?« schreibt die SPD. Zwei Dinge fallen hier auf. Das verbale Abkanzeln, wohlwissend dass Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) das Prozedere bisher durchaus nicht ergebnis- und variantenoffen vorangetrieben hat und sich viele Stadträte schon allein dadurch überrumpelt fühlen. Oder wie sonst kann es sein, dass »drei Umweltverbände einbezogen werden sollen, während Vertreter der Stadtgesellschaft wie die Bürger-Initiative Carolabrücke oder die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) leider komplett fehlen«, wie die AfD anmerkt. Das ist eben keine ausgewogene Beteiligung.
Dass es schnell geht, wollen alle. Nur, wenn Tempo zum Totschlagargument wird, dann bleibt das nicht unbemerkt. Von Anfang an beschlich viele Stadträte das Gefühl, hier soll nur noch das Händchen gehoben werden. Dass sich da mehrere Fraktionen zu einem interfraktionellem Antrag zusammentun, war erwartbar. Wenn alle diese Fraktionen gleich als »rechte Fraktionen« betitelt werden, dann ist das nicht nur unseriös, sondern man zündelt bewusst. Der Vorwurf, man mache gemeinsame Sache mit »ganz rechts« wird nicht lange auf sich warten lassen. Was durch diesen Umgang allerdings verhindert wird, ist echtes Arbeiten.
Dabei ist der Antrag, die Carolabrücke vierspurig aufzubauen durchaus nicht unumstritten. Auch die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) hat damit ihre Probleme, weil eine vierspurige Brücke nach heutigen Vorgaben mit 39 Metern sieben Meter breiter wäre als ursprünglich. Damit wäre ein Wiederaufbau des Venezianischen Hauses faktisch nicht mehr möglich.
Der Dresdner Bauunternehmer Frank Wießner hatte im Jahr 2020 an dem Standort neben der Carolabrücke innerhalb eines Neubau-Quartiers vorgeschlagen. Es wäre eine Reminiszenz an die italienische Stadt, mit der Dresden, neben Florenz, so viel verbindet. »Der Neubau der Brücke, welcher Art auch immer, muss auch die städtebaulichen Entwicklungen berücksichtigen. An dieser Stelle darf die Qualität der Planung nicht auf Kosten einer vermeintlichen Zeitersparnis gehen«, schreibt Torsten Kulke von der GHND daher.
Initiative und Bürgerrat verschaffen sich Gehör
Die »Initiative Carolabrücke« legt ihrerseits einen neuen Entwurf vor. Denn: Baubürgermeister Stephan Kühn bescheinigte dem CDU-Vorschlag einer zweigeschossigen Brücke prinzipielle Umsetzbarkeit. Im Vergleich dazu sei eine typische Dresdner Bogenbrücken leicht umsetzbar. Die Initiative zeigt, wie sich auch ohne zusätzliche Strompfeiler eine historisch inspirierte Optik erzielen lässt. »Baubürgermeister Kühn steht es nicht zu, den Dresdnern vorzuschreiben, was unter einer zeitgemäßen Gestaltung zu verstehen ist. Wenn sich Kühns Haltung in der Vergangenheit durchgesetzt hätte, wäre Dresdens Innenstadt heute international uninteressant. Auch der »Bürgerrat für die Stadt Dresden« hat im Mai gefordert, dass die Dresdner über »das Aussehen der Brücke mitbestimmen können«.
Dieses aus 50 Dresdnern bestehende Gremium hat ein Jahr lang Empfehlungen an die Politik ausgearbeitet. Zur Carolabrücke heißt es, die »demokratische Aushandlung und Identifikation mit dem städtischen Bau« sei wichtig für ein friedliches Zusammenleben. Dem schließt sich die »Initiative Carolabrücke« voll und ganz an.
Änderungsantrag
zur Ersetzung des Beschlussvorschlags
zur Vorlage V0339/25 „Wiederaufbau der Carolabrücke – Grundsatzentscheidung zum Verfahren für einen zeitnahen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Brückenbau“
Beschlussvorschlag:
Der Beschlussvorschlag wird wie folgt ersetzt:
1. Der Stadtrat nimmt die Variantenabwägung gemäß Anlage 1 zur Wiederherstellung der Elbquerung (Ersatzneubau ohne Genehmigungsverfahren, Neubau mit Planverfahren) zur Kenntnis und bestätigt als Vorzugsvariante den Ersatzneubau.
2. Der Stadtrat nimmt das Gutachten zu verfahrensrechtlichen Szenarien für den Wiederaufbau der Carolabrücke gemäß Anlage 2 zur Kenntnis.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für die Variante 1 (Ersatzneubau) unverzüglich den Planungsprozess zu starten. Für die Planung ist ein beschränkt offener Ingenieur- und Architektenwettbewerb mit vorgeschaltetem Teilnehmerauswahlverfahren vorzusehen. Es sollen vorzugsweise vier bis fünf Bietergemeinschaften aus Ingenieur- und Architekturbüros zugelassen werden, die entsprechende Erfahrungen und Wettbewerbserfolge für ähnliche Aufgabenstellungen nachweisen können. Die Auswahl der Teilnehmer und die Bewertung der Wettbewerbsarbeiten soll durch eine Wettbewerbsjury erfolgen, die unverzüglich mit Vertretern der Verwaltung, des Stadtrats und Entscheidungsträgern aus relevanten Bereichen Dresdens sowie mit national und international anerkannten Fachpreisrichtern einzurichten ist. Die Dresdner Stadtgesellschaft soll auf angemessene Weise beim Wettbewerbsergebnis eingebunden werden. Der Stadtrat ist in jeder Stufe des Verfahrens zu beteiligen und alle wesentlichen Entscheidungen sind durch ihn zu bestätigen. Das betrifft insbesondere die Gremienbesetzungen (Jury und Begleitgremium), die Aufgabenstellung für den Wettbewerb, die Beauftragung der Planung (Wettbewerbsergebnis), die Entwurfsplanung (mit Bestätigung von Lösung und Kosten), den Baubeschluss (Beauftragung Ausführungsplanung und Bauausführung) und die Einbeziehung der Stadtgesellschaft.
Die Vorschläge für die Jurybesetzung, die Vorplanung und die Ausführungsplanung sind dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften zur Beschlussfassung vorzulegen. Die Ergebnisse sind so zu präsentieren, dass ausreichend Zeit für den Stadtrat zur inhaltlichen Befassung gegeben wird.
Der Stadtrat muss angemessen als Mitglied der Jury/Auswahlkommission und des Begleitgremiums berücksichtigt werden.
4. Für das Wettbewerbsverfahren werden folgende Eckpunkte festgelegt: Die Aufgabenstellung soll keine technischen Lösungsvorgaben enthalten, sondern
vielmehr die Ziele definieren, welche die Stadt Dresden mit dem Ersatzneubau erreichen möchte. Dazu gehören:
a. Die Stadt Dresden wünscht sich eine sehr gut gestaltete und hervorragend in diesen besonderen Ort und in die Umgebung eingebundene Brücke (einschließlich deren Beleuchtung), die allen Nutzern eine sehr hohe Aufenthaltsqualität in allen Nutzerpositionen auf und unter der Brücke bietet. Gleichzeitig muss das Brückenbauwerk den hohen architektonischen und stadtplanerischen Anforderungen gerecht werden, die sich aus der unmittelbaren Zentrumslage der Brücke ergeben und soll nicht in Konkurrenz zu den umliegenden historisch bedeutenden Bauwerken treten. Besonderheiten des Ortes, wie die historische Altstadt, das Königsufer, die hohe Qualität und intensive Nutzung der geschützten Elbwiesen, der benachbarte Festplatz (Filmnächte, Freilichtbühne) und die wichtigen Sichtbeziehungen zwischen den Elbufern auf das historische Zentrum müssen durch das Brückenbauwerk berücksichtigt werden.
b. Vor dem Hintergrund einer im Verfahren vorgesehenen Einbeziehung der Dresdner Stadtgesellschaft, sollen sich die Entwurfsverfasser mit den beim Freistaat Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden eingereichten Petitionen in geeigneter Weise auseinandersetzen.
c. Das Wettbewerbsgebiet erstreckt sich von der bestehenden Kreuzung Carolaplatz bis zur bestehenden Kreuzung Rathenauplatz. An diese Kreuzungen ist die Verkehrsanlage der neuen Brücke nahtlos anzubinden, wobei genehmigungsrechtliche Belange zu berücksichtigen sind. Soweit ohne Genehmigungsverfahren rechtlich möglich, sollen Reduzierungen der vorhandenen Auffächerungen und eine barrierefreie Gestaltung der Haltestelle vor der Synagoge vorgenommen werden. Zukünftige Umgestaltungen der anschließenden Verkehrsanlagen sollen perspektivisch möglich sein.
d. Der Brückenzug soll eine leistungsfähige Verkehrsanlage für alle Verkehrsträger (MIV, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) schaffen; dabei sind weiterhin vier Fahrspuren für den MIV vorzusehen.
e. Bestehende Konfliktpunkte (z.B. Querung des Radwegs über die Straßenbahngleise, gemeinsame Nutzung von Rad- und Gehwegen etc.) sollen durch geschickte Gestaltung der Verkehrsanlagen in Grundriss und Querschnitten aufgelöst werden. Dabei dürfen auch Verkehrsführungen in unterschiedlichen Ebenen in Betracht gezogen werden, solange sie planrechtliche und bautechnische Risiken vermeiden.
f. Die Brücke soll perspektivisch die Anbindung an die Elberadwege sowie die unterführten Fußwege ermöglichen. Sollten dafür Planfeststellungs- oder aufwendige Umweltgenehmigungsverfahren (FFH- und Landschaftsschutzgebiet) notwendig sein, sollen diese erst in nachgelagerten (unabhängigen) Genehmigungsverfahren realisiert werden.
g. Das diesbezügliche Rechtsgutachten sowie die Vorgaben und Belange des Denkmalschutzes (Stellungnahme 25.04.2025) und der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (Schreiben vom 29.01.2025), sind zu berücksichtigen. Die Eingriffe in das FFH- und das Landschaftsschutzgebiet sollen möglichst geringgehalten werden.
h. Stilbildende Elemente von der jetzigen und von früheren Carolabrücken (bspw. Lampen und Sandsteinelemente) sollen sichergestellt und erhalten werden. Es ist zu prüfen, ob diese gemeinsam mit derzeit vorhandenen Skulpturen (Brückenpferde) in einen Ersatzneubau oder in dessen nahes Umfeld integriert werden können.
i. Die Konstruktion soll robust, langlebig und wartungsarm ausgelegt werden. Richtwert, aber kein Ausschlusskriterium, soll eine Querschnittsauslastung von weniger als 80% sein. Die Brücke soll darüber hinaus so ausgelegt sein, dass eine zukünftige Änderung der Belegung der einzelnen Bauwerksbereiche mit Straßenbahn, Kfz oder Fahrrad statisch konstruktiv möglich ist. Die Medienführungen (hier insbesondere Fernwärme) sind zukunftssicher zu dimensionieren.
j. Soweit dies möglich ist und den Gesamtbauprozess nicht verzögert, soll eine abschnittsweise Teilinbetriebnahme eingeplant werden.
5. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich beim Freistaat Sachsen und beim Bund für eine finanzielle Beteiligung an den Kosten für den Abriss und den Ersatzneubau einzusetzen.
6. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Gremium zur Begleitung der Planung bis zum Baubeschluss einzurichten, in dem Vertreter aller Fraktionen sowie Vertreter der Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltverbände und der Kammern gemäß Anlage 5 vertreten sind. Dieses Gremium soll alle wesentlichen Entscheidungen für den Stadtrat vorbereiten und beratend tätig sein.
Zuletzt bescheinigte Baubürgermeister Stephan Kühn dem CDU-Vorschlag einer zweigeschossigen Brücke prinzipielle Umsetzbarkeit. Im Vergleich dazu ist eine gestalterische Anpassung an die typischen Dresdner Bogenbrücken leicht umsetzbar.
Mit einer Konzeptdarstellung zeigt die Initiative Carolabrücke, wie sich auch ohne zusätzliche Strompfeiler eine historisch inspirierte Optik erzielen lässt. Dieser Vorschlag erfüllt alle Vorgaben, zum Beispiel auch jene des Denkmalschutzes.
Baubürgermeister Kühn steht es nicht zu, den Dresdnern vorzuschreiben, was unter einer "zeitgemäßen Gestaltung" zu verstehen sei. Wenn sich Kühns Haltung in der Vergangenheit durchgesetzt hätte, wäre Dresdens Innenstadt heute international uninteressant. Menschen aus aller Welt werden von Dresdens historischem Zentrum angezogen, das im alten Stil wiederaufgebaut wurde. Zurecht sind die meisten Dresdner stolz auf diese Leistung und engagieren sich für Architektur wie in kaum einer anderen Stadt.
Der Bürgerrat für die Stadt Dresden hat im Mai gefordert, dass die Dresdner über "das Aussehen der Brücke mitbestimmen können". Dieser repräsentativ aus 50 Dresdner Menschen zusammengesetzte Rat hat ein Jahr lang Empfehlungen an die Politik ausgearbeitet. Unter dem Motto "Friedensstadt Dresden" heißt es, die "demokratische Aushandlung und Identifikation mit dem städtischen Bau" sei wichtig für ein friedliches Zusammenleben.
Dem schließt sich die Initiative Carolabrücke an und fordert die Stadt Dresden auf:
· die Planungsbüros zu verpflichten, je zwei Gestaltungsvarianten zu entwerfen: darunter eine, die sich an die Ästhetik der originalen Carolabrücke von 1895 anlehnt
· das Wettbewerbsverfahren mit weitreichenden Einflussrechten des Stadtrates und unter Bürgerbeteiligung abzuhalten
Das eindeutige Stimmungsbild zugunsten einer historischen Gestaltung, das in Petitionen und Umfragen zum Ausdruck kam, darf die Stadtverwaltung nicht - wie schon so oft - ignorieren.
Unabhängig vom vorgelegten Konzept, das sich an den bisherigen Pfeilerstandorten orientiert, tritt die Initiative weiterhin für eine statisch sichere Bogenbrücke ein. Eine Spannweite von 120 Metern bleibt angesichts der Vorgaben - schmale Gestalt mit untenliegendem Tragwerk, hoher Lasteneintrag - auch mit heutigen Materialien riskant. Physik lässt sich nicht austricksen, wie der Brückeneinsturz eindrucksvoll gezeigt hat. Auch viele andere Spannbetonbrücken sind marode, eingestürzt ist jedoch die Carolabrücke. Daraus müssen wir lernen und uns auf die konkurrenzlosen Vorteile einer robusten Bogenbrücke besinnen.
Rechtlich ist das möglich.
Um nach dem Abriss die eingestürzte Brücke nachbauen zu können, hat die Stadtverwaltung eine Sondergenehmigung für einen neuen Strompfeiler beantragt. Diese wurde als "individuelle Lösung" erteilt, und zwar „abweichend vom Erlass“, der eigentlich Ausbauziele ohne Strompfeiler vorsieht. Beim Bundesverkehrsministerium (BMDV) und dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSV) hat man sich auch mit einer historisch orientierten Brücke beschäftigt. Das WSV schreibt dazu: „Sollte die Stadt Dresden hier eine Änderung wünschen, so müssten Sie dies direkt beim BMDV erwirken“. Dorthin hat die Initiative Carolabrücke sich gewandt. Von der zuständigen Referentin für Bundeswasserstraßen erhielt sie die Auskunft, dass "außerhalb des Fahrwassers eine Anpassung der Carolabrücke an das historische Vorbild aus strom- und schifffahrtspolizeilicher Sicht zustimmungsfähig“ sein kann. Die Bögen der ersten Carolabrücke vertragen sich mit der Breite des heutigen Fahrwassers (60 Meter).
Die Initiative Carolabrücke geht davon aus, dass der Weg einer Genehmigung als Ersatzneubau scheitern wird. Die eingestürzte Brücke genügt in keinem Aspekt heutigen Anforderungen an Statik, Verkehrsführung und Städtebau. Die Vielzahl notwendiger Anpassungen ist so zahlreich, dass ein Neubau eine erhebliche bauliche Veränderung bedeutet. Daher wird ein Planfeststellungsverfahren unausweichlich sein.