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Birgit Branczeisz

"Wir werden verdonnert, noch mehr kostenlos zu tun"

Tharandt.Georg Lindner ist Vorsitzender des Sächsischen Waldbesitzerverbandes, der 85.000 kommunale, private und kirchliche Waldeigentümer vertritt. 46 Prozent des Waldes sind privat - 241.000 Hektar, 8 Prozent kommunal - 43.000 Hektar und 2 Prozent in Kirchenhand - 10.000 Hektar. Sie alle treibt ein neu beschlossenes Renaturierungsgesetz um, das mit knapper Mehrheit von SPD, Grünen und Liberalen von der EU beschlossen wurde. Warum, das wollte der Wochenkurier jetzt von Georg Lindner wissen.
Georg Lindner ist Vorsitzender des Sächsischen Waldbesitzerverbandes, der seinen Sitz in Tharandt hat.

Georg Lindner ist Vorsitzender des Sächsischen Waldbesitzerverbandes, der seinen Sitz in Tharandt hat.

Bild: Waldbesitzerverband

Herr Lindner, wenn Sie das neue Gesetz, mit einem Satz beschreiben müssten, würden Sie sagen…

Das war ein rabenschwarzer Tag für alle Land- und Forstwirte in Sachsen.

Was ärgert Sie so an dem Gesetz?

Dass genau das Gegenteil von dem herausgekommen ist, was wir seit Langem vorschlagen. Schauen Sie, wir Waldbesitzer erfüllen von jeher auch eine soziale und ökologische Funktion für die Gesellschaft. Stichwort Wasserspeicher, Erholung, CO2-Bindung - all die Waldfunktionen, die wir schon als kleine Kinder in der Schule gelernt haben. Angesichts des Kostendrucks und der vielen Schäden der letzten Jahre, sei es nun durch den Borkenkäfer, Sturm oder Hitze, haben wir immer wieder darauf gedrängt, dass uns diese Arbeit für die Gesellschaft anerkannt wird. Sei es nun durch Fördermittel, die wieder in die Walderneuerung fließen oder ein wie auch immer geartetes Honorierungssystem. Der Gesetzgeber macht nun genau das Gegenteil. Er erklärt die bisherigen Aufgaben und noch weitere einfach zur Pflicht - keine Anerkennung, keine Wertschätzung, keine Honorierung. Um es kurz zu machen, wir werden verdonnert, noch mehr kostenlos zu tun.

Wie soll es jetzt stattdessen laufen?

Bisher war in FFH- oder NATURA 2000-Gebieten die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft ohne Einschränkungen möglich. Jetzt verschärft sich das durch ein "Verschlechterungsverbot". Das bedeutet, der Status Quo muss erhalten bleiben. Aber der Klimawandel wandelt das Gesicht unseres Waldes, stellt neue Herausforderungen - dem wird überhaupt nicht Rechnung getragen. Zum Beispiel soll der bestehende Baumarten-Mix erhalten bleiben, auch wenn das im Sinne des Klimawandels gar nicht sinnvoll ist. Obendrauf kommen neue Kriterien wie bestimmte Waldvogelarten vorhalten, die vielfältige Altersstruktur der Bäume erhalten - was beides durch Borkenkäferbefall oder Sturmschäden z.T. nicht mehr vorhanden ist. Genauso wenig Einfluss haben Waldbesitzer auf vorgeschriebene Vernetzungen außerhalb ihres Waldes. Außerdem werden jetzt Holz-Kontingente für Kohlenstoff-Speicherung vorgegeben - das bedeutet im Zweifelsfall darf ich mein Holz überhaupt nicht nutzen, weil ich sonst die Vorgaben nicht erfülle. Das sind nur einige Beispiele.

Auch auf die Kommunen kommt da einiges zu. Oder?

Ja, denn zum Aufforsten müssen zusätzliche Flächen über die NATURA 2000-Gebiete hinaus benannt werden, um auf die neuen Waldflächen-Vorgaben zu kommen. Aber diese Flächen sind gar nicht da bzw. nicht definiert. Die Länder sind jetzt beauftragt, weitere verbindliche Maßnahmen auf anderen Flächen festzulegen. Ich frage mich allerdings, wo diese Flächen herkommen sollen? Die Flächen, auf denen dann überhaupt noch eingeschränkt Land- du Forstwirtschaft stattfinden kann, werden weiter schwinden.

Was bedeutet das für den einzelnen Waldbesitzer?

Mehr Verbote, höhere Kosten und Berichte, Berichte, Berichte - denn alles soll turnusmäßig gemeldet und geprüft werden.

Und wer da nicht mithalten kann?

Eine schleichende Enteignung ist da gedanklich nicht mehr auszuschließen - unter dem Deckmantel des Naturschutzes erfolgt faktisch eine Sozialisierung des Eigentums. Und das nach einer so jungen Privatisierungsgeschichte nach der Wende und Unsummen, die in die Walderneuerung und neue Strukturen geflossen sind.

www.waldbesitzerverband.de


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