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Carola Pönisch

Sensation: Seltene Ru-Keramik aus China entdeckt

Die Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) besitzt eine äußerst seltene chinesische Ru-Schale, die über 900 Jahre alt ist. Diese Entdeckung wurde im Rahmen des 2014 begonnenen Forschungsprojektes zum historischen Bestand ostasiatischer Porzellane gemacht.
Klein, unscheinbar, aber von unschätzbarem Wert: Ein Schale der Ru-Keramik, vermutlich weit über 900 Jahre alt und nur eine von bisher 88 erhaltenen Keramiken aus dieser Zeit. Foto: SKD

Klein, unscheinbar, aber von unschätzbarem Wert: Ein Schale der Ru-Keramik, vermutlich weit über 900 Jahre alt und nur eine von bisher 88 erhaltenen Keramiken aus dieser Zeit. Foto: SKD

Was für eine Entdeckung! Und was für ein Wert, der da seit fast 100 Jahren in der Porzellansammlung schlummert: Die kleine, unscheinbare und nur 13 Zentimeter Durchmesser fassende grüne Schale ist eine Sensation, die mehrere Millionen Euro wert sein könnte. Denn das gute Stück  stammt nicht, wie bisher angenommen, aus Korea, sondern aus der Nördlichen Song-Dynastie (960-1127) in China. Die Versteigerung einer vergleichbaren Schale hatte 2017 bei Sotheby’s 37,7 Millionen Dollar erbracht. Sensationelle Entdeckung Entdeckt wurde die Keramik von Regina Krahl, einer weltweit anerkannte Spezialistin für chinesische Keramik. Sie arbeiter mit 20 internationalen Expert*innen aus China, Japan, Taiwan, den Niederlanden, Großbritannien und den USA seit 2014 an der Erarbeitung des digitalen Bestandskatalogs in der Porzellansammlung. Die Wissenschaftlerin wurde bei einem Besuch in Dresden Anfang 2020 im Depot auf dieses auf den ersten Blick eher unscheinbare Stück aufmerksam.  Schlichte Schönheit von höchster Seltenheit Die flache Schale mit einem Durchmesser von 13 Zentimetern, die wahrscheinlich zum Waschen von Pinseln hergestellt wurde, hat einen geraden Rand und steht auf einem schmalen, nach außen gebogenen Fuß. Sie hat eine zurückgenommene blaugrüne Glasur mit dem für Ru-Keramiken typischen Krakelee - ein Muster, das an gesplittertes Eis erinnert. Ursprünglich war das Schälchen Teil der Sammlung des Arztes Oscar Rücker-Embden, der es während eines China-Aufenthaltes von 1913 bis 1914 erworben hatte. 1927 wurde es von Ernst Albert Zimmermann, dem damaligen Direktor der Porzellansammlung, angekauft und gelangte so in die Dresdner Sammlung chinesischer und koreanischer Keramiken. Ru-Keramik: Nur 88 Stück erhalten Ru-Keramiken stammen aus der Zeit der Nördlichen Song-Dynastie in China (960-1127) und wurden nur während einer sehr kurzen Zeitspanne von ungefähr 20 Jahren hergestellt. Heute sind weltweit nur noch wenige Stücke erhalten. Das Material wurde in einem der fünf berühmten Brennöfen der Song-Dynastie gebrannt. Aufgrund der Seltenheit von Ru-Ware wurde der Ursprung der Schale in der Dresdner Porzellansammlung lange Zeit im Korea des 10. bis 13. Jahrhunderts vermutet. Koreanische Porzellan- und Keramikobjekte dieser Epoche haben eine große Ähnlichkeit zu Ru-Stücken, die Abgrenzung ist oftmals schwierig. Bereits 2018 wiesen Mitarbeiter*innen des Palastmuseums in Beijing auf die Möglichkeit hin, dass es sich bei der Schale aus Dresden um ein Ru-Stück handeln könnte. Diese Annahme konnte durch Regina Krahl nun bestätigt werden. Somit handelt es sich bei dem Objekt in der Porzellansammlung der SKD um das 88. zum jetzigen Zeitpunkt bekannte Ru-Stück. Was bedeutet der Fund? Julia Weber, Direktorin der Porzellansammlung: "Da Invasoren wenig später die Song-Dynastie in den Süden Chinas vertrieben, wurden die Ru-Keramiken schon unmittelbar nach ihrer Entstehung zu einem mythisch aufgeladenen Andenken an die eine idealisierte verlorene Vergangenheit. Bis heute gelten sie als Ikonen der chinesischen Kultur, die aber aufgrund ihrer großen Seltenheit nur wenige im Original bestaunen oder gar ihr Eigen nennen können. Das geschichtsträchtige Schälchen passt ganz wunderbar nach Dresden, wo August der Starke die größte Sammlung chinesischen Porzellans außerhalb Asiens zusammentrug.” Regina Krahl, Expertin für chinesische Keramik: „In der Fülle chinesischer Keramiken, die es aus allen Zeiten gibt, sind Ru-Keramiken die aller Seltensten und gelten seit jeher als die Krönung überhaupt. Das liegt nicht nur an ihrer schlichten Schönheit, sondern vor allem auch an ihrer historischen Bedeutung. Weltweit haben sich weniger als hundert Stücke erhalten und jedes einzelne ist registriert und publiziert. Dieser Fundus vergrößert sich eigentlich nicht. Der „Fund“ in Dresden ist deshalb nicht nur für mich persönlich eine aufregende Entdeckung, sondern international von großem Interesse. Ein Ru-Stück jetzt auch in einem deutschen Museum zu finden, erhöht die Bedeutung der hiesigen chinesischen Sammlungen insgesamt; besonders erfreulich ist es aber, dass das Dresdner Ru-Schälchen ein außergewöhnlich guter Vertreter seiner Gattung ist, qualitativ unter Ru-Keramiken ganz oben anzusiedeln.“


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