Birgit Branczeisz

Prager Straße entstand als neues Ideal des Menschen

Dresden. Die Stadt will jetzt dafür sorgen, dass die Prager Straße als eine der ersten Fußgängerzonen Deutschlands "nicht verramscht".

Die Prager Straße - ein Gesamtkunstwerk? Anja Heckmann, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Mobilität, schmunzelt. "Ja, da lachen sie", sagt sie in die Runde von Journalisten, die sich neue Werbe- und Gestaltungssatzung erklären lassen wollen. Tatsächlich lassen sich die neuen Vorgaben, dafür was gewünscht und was verboten ist, nur aus der jüngeren Historie verstehen, die aus Sicht von Stadtplanern und Architekten inzwischen bedeutend ist.

Die Prager Straße wurde zwar als gründerzeitliche Stadtachse entworfen, mit dem Hauptbahnhof, also im 19. Jahrhundert. Doch nach der Bombardierung der Büro- und Geschäftsstraße am 13./14. Februar '45 entschieden sich die Bauoberen  im Ausklang der Ulbricht-Ära bewusst dagegen die "Prager" ähnlich dem Altmarkt nach barocken Gesichtspunkten wieder aufzubauen. Sie wollten politisch ein anderes, internationales Bild der Stadt kreieren.

Dieses Ideal des Internationalismus, man würde heute vielleicht Globalisierung dazu sagen oder neue Uniformität, wurde 1962 in einem Wettbewerb von 38 teilnehmenden Planungsbüros in eine neue Formsprache gebracht: Eine große, geweitete Stadtanlage, mit Scheiben als Hotels und Wohnzeilen, dazwischen kleinere Pavillons - so entstand eine der ersten Fußgängerzonen in ganz Deutschland. Genauso wie sie in der neuen Hauptstadt Brasilia oder in Rotterdam entworfen.

Die "Prager Straße" blieb was sie seitdem war - eine Ruhezone, umtost von Straßen und Plätze und von den Dresdnern über Generationen geliebt. Man konnte bis zur Kreuzkirche durchschauen, es gab keinen baulichen Anschluss in die Südvorstadt und in die Altstadt. Auch als in den 1990er Jahren im Süden und im Norden die Breite wieder auf das vormalig historische Maß von 18 Meter verengt wurde, hat sich daran insofern nichts geändert.

Baulich soll dieser mittlere Teil auch nicht verändert werden, da ist man sich im Stadtamt einig. Allerdings will das Amt im Stadtbild aufräumen, langfristig dafür sorgen, dass die Prager Straße nicht "verramscht", so Architekt Alexander Poetzsch. Zusammen mit Amtsleiterin Anja Heckmann und Stadtplaner Matthias Korntheuer hat Poetzsch jetzt die Werbe- und Gestaltungssatzung fertig. Sie soll vom Wiener Platz, über die Prager Straße bis zum Ferdinandplatz gelten und wird im nächsten Stadtbezirksbeirat Altstadt am 5. April öffentlich vorgestellt.

Die Stadtplaner haben die neuen No-Gos mit den Händlern zusammen besprochen. Ziel ist, bei jedem neuen Antrag auf Sondernutzung - den brauchen Händler, wenn sie an Fassaden oder auf Wegen etwa verändern wollen - soll der Betreffende zunächst Expertise im Amt einholen und ausloten, was für sein Objekt die charmanteste Lösung ist.

Natürlich kann Architekt Alexander Poetzsch bereits einiges zeigen, was man in ein paar Jahren so nicht mehr sehen möchte: zum Beispiel die Imbissbunden vorm Hotel "Königstein". Die verstellen den Blick auf die Reliefs vom Königstein an der Fassade. Überhaupt sind die Fassaden hier ein ganz wichtiges Element. Werbung soll sich intelligent und geschmackvoll einfügen.

Keine schrille Optik, keine zugeklebten Säulen, die den lichten Eindruck der Kolonnaden verschandeln. Keine Werbekästen und Leuchtreklame. Auch Anstrahlen soll es nicht geben, Grilllandschaften vor leeren Läden oder verstellte Kunstwerke. Sonst drohen bis zu 500.000 Euro Geldbuße.

Allerdings, betont Anja Heckmann, haben alle jetzigen Anlagen Bestandsschutz, so lange die Genehmigung gilt. Buden auf privatem Boden sind außerdem ein knifflige Sache. Da braucht es viel Geduld - und langfristig Konsens, wie Anja Heckmann hofft.


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