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Birgit Branczeisz

Lehrer müssen wieder Lehrer sein

Dresden. Sara Schlüter ist seit 1. April Vorsitzende des LandesElternRat in Sachsen. Wir haben gefragt, wie sie Eltern in der Schulpolitik eine Stimme geben will.
Sara Schlüter möchte sächsischen Eltern  in der Bildungsdebatte wieder eine deutlichere Stimme geben.

Sara Schlüter möchte sächsischen Eltern in der Bildungsdebatte wieder eine deutlichere Stimme geben.

Bild: Branczeisz

Frau Schlüter, wie sortieren Sie denn die ganzen Miseren?

Bei 14 Vertretern vom Sorbischen bis ins Erzgebirge muss man klare Prioritäten setzen. Momentan sind das die Essensversorgung, Schulsozialarbeit, aber auch Assistenzsysteme und Inklusion. Zum Lehrermangel gibt es extra eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Kultusministerium. Das Thema Mittagessen überrascht vielleicht, aber wir haben derzeit eine rasante Abmelderate. Zum einen, weil das Essen immer teurer geworden ist, zum anderen aber auch, weil Kinder im Ländlichen sonst fast zwei Stunden auf den nächsten Bus warten müssten. So greift eins ins andere. Greifen wir uns die beiden Themen Schulessen und Lehrermangel heraus.

 

Was fordern Sie da?

Für das Schulessen muss es einen Preisdeckel oder Subvention geben und zwar flächendeckend. Nicht dass das wieder Sache der Landkreise ist und der nächste Flickenteppich entsteht, wie beim ÖPNV. Wir brauchen Lösungen, die für alle gelten, als ist ein Grundtenor. Sonst entsteht noch größere Bildungsungerechtigkeit. Genaugenommen geht das bis zum Bund hoch. Es kann doch nicht sein, dass Bayern ein »Kopfgeld« für Lehrer aussetzt, nach dem Motto wer bietet mehr. Außerdem sollten Lehrer im dualen Studiengang ausgebildet werden.

 

Löst das unser Problem?

Wenn man ein attraktives Gehalt bietet. Natürlich ist das nicht DIE Lösung, aber eine. Die Kinder die jetzt in die Schule kommen, werden nur Lehrermangel und Ausfall erleben. Das steht heute schon fest. Dabei weiß ich als Ministerium doch, wann und wie viele Lehrer in Rente gehen. Da kann ich mich nicht ins Kämmerlein einschließen – da muss ich flexibel werden, schauen, was andere schon machen, aktiv suchen. Wir sollten uns das Hybridlernen anschauen: In Görlitz, Niesky und Weißwasser wird das in Naturwissenschaften getestet - ein Lehrer unterrichtet in Präsenz, vor allem wenn Versuche anstehen, die anderen sind jeweils zugeschaltet.

 

Warum wird sowas nicht ausgeweitet?

Wahrscheinlich, weil wir schon am Internetanschluss scheitern. Wir Eltern haben wirlich Angst, wie unsere Kinder noch Abschlüsse schaffen sollen. Das ist jetzt der letzte Jahrgang nach Corona, der eine Abmilderung bekommt.

 

Treibt Sie das auch persönlich um?

Ja, ich bin Mama einer schulpflichtigen Tochter und einer Tochter, die in die Kita geht. Unsere Große ist letzten Sommer in 5. Klasse der Universitätsgemeinschaftsschule Dresden gekommen. Auch ein Schulversuch, wo alles bissel anders ist - es gibt keine Hausaufgaben, keine Noten bis zur 9. Klasse. Es wird jahrgangsübergreifend unterrichtet. Der Alltag ein ganz anderer, der Lehrer ist hier der Lernbegleiter. Die Kinder haben kein Mathe, Deutsch, Englisch, sie suchen sich die Themen, die sie interessieren aus und arbeiten zu diesem Thema alle Aspekte aus. Sie rechnen, schreiben, bauen Modelle und müssen alles erklären. Ich denke, es ist besser, das Lernen zu lernen. Sie denken über den Tellerrand hinaus. Unsere Kinder sind im Lehrplan festgefahren und nicht auf das vorbereitet, was sie im Leben erwartet.

 

Woran liegt das denn?

Weil sich unsere ganze Gesellschaft rasant verändert. Wir sind auf diese neue Heterogenität gar nicht vorbereitet. Klar, es gibt schon fächerübergreifende Projekte – aber im Kern haben wir immer noch den Frontalunterricht, wie er im 19. Jahrhundert entstanden ist. Wir sind nicht mit der Zeit gegangen und löschen nur die größten Brände.

 

Was fänden Sie gutes Lernen?

Wenn der Lehrer wirklich nur lehrt. Lehrer ist doch längst kein Lehrer mehr, sondern Psychologen, Bürokraten, Sozialarbeiter und wenn es nach mancher Schule ginge, wären sie auch noch Techniker. Die Unischule, die ich nun persönlich kenne, ist sicher eine Leuchtturmschule, eine Ausnahme. Aber warum sagt man »Macht mal« und schaut nicht hin, wie es gehen könnte. Das Neue wird doch bereits gelebt! Solche Schulversuche könnten eine Blaupause in Bildungsfragen sein. Wir haben keine Zeit, erst in zehn Jahre vorbeizuschauen, was daraus geworden ist.


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