Carola Pönisch

Hier wird auch "Kunst am Bau" plattgemacht

Das "Netzwerk ostmodern" ruft den Eigentümer Immovation Immobilien Handels AG aus Kassel zum Erhalt wertvoller Bleiglasfenster auf
Bilder

Der Abriss im ehemaligen Robotrongelände schreitet voran. Der Gebäudekomplex Atrium I ist der erste Block der einstigen DDR-Mikrochipschmiede, der den Baggern weichen soll. Bisher waren die Entkernungsarbeiten nur durch einige Löcher in den Fassaden und große Schutthaufen bemerkbar, doch nun hat der Investor mit dem eigentlichen Abriss begonnen. Doch hier in der sogenannten Lingnerstadt verschwinden nicht einfach nur Zweckplattenbauten. Die Gebäude wurden damals mit „Kunst am Bau" verziert, darunter weiße, wellenförmige Verblender aus Meißner Keramik an der Fassade oder die ornamentalen Giebelwände aus eigens entwickelten Formsteinen. Der vielleicht größte Kunst-'Schatz' verbirgt sich aber im Inneren: "Zu beiden Seiten eines Treppenhauses im mittleren Verbindungsflügel zieht sich über die gesamte Gebäudehöhe von sieben Etagen jeweils ein durchgehendes Mosaik mit abstrakten Formen, bestehend aus farbigen Bleiglasfenstern", weiß Marco Dziallas vom Netzwerk ostmodern. Diese großflächigen Fenstergestaltungen würden herausragende Werke darstellen, da sich in Dresden und auch weit darüber hinaus kaum vergleichbare Beispiele finden ließen. "Ihre Zerstörung würde einen schweren Verlust für das Dresdner Kunstgedächtnis bedeuten, der schlecht zu einer Stadt passen will, welche sich mit dem Label einer 'Kunst- und Kulturmetropole' schmückt."
 
Das Netzwerk ostmodern richtet sich deshalb mit einem Aufruf an die Geschäftsführung der Global Conzept GmbH, der zuständigen Tochtergesellschaft der Immovation-Unternehmensgruppe, sich um den Erhalt dieser Zeugnisse des Bauens und Kunstschaffens in der DDR verdient zu machen: „Wir appellieren an Sie, diese Werke nicht schreddern zu lassen, sondern sorgfältig zu demontieren und in der zukünftigen Bebauung in würdiger Form wieder sichtbar zu machen. Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass so etwas technologisch möglich ist." ostmodern.org ist eine Initiative, die sich für die Diskussion, die Neubewertung und den Erhalt prägender Beispiele der Architektur und baubezogenen Kunst der Nachkriegsmoderne einsetzt. Das Netzwerk entstand 2006 in Dresden, als der Abriss des ehemaligen Centrum-Warenhauses an der Prager Straße zu großen Diskussionen in der Bevölkerung führte. Die damals gegründete Bürgerinitiative „Arbeitsgemeinschaft Centrum-Warenhaus Dresden“ war Moderator und Treiber dieses Diskurses und ging schließlich in das Netzwerk ostmodern.org über. ostmodern.org ist eine Informations-, Diskurs- und Aktionsplattform von Personen unterschiedlichster Profession und Tätigkeiten, u.a. Geographen, Denkmalpfleger, Historikern, Soziologen, Stadtplanern, Architekten, Künstlern und Politikern. Ein rund 98.000 qm großes Areal der Lingnerstadt zwischen Grunaer Straße, Blüherstraße, Lingnerallee und St. Petersburger Straße gehört seit November 2014 der Kasseler Firma  Immovation Immobilien Handels AG. Sie plant hier den Bau von 2.500 bis 3.000 Wohnungen im künftigen "Lingner Altstadtgarten". Die Global Conzept GmbH ist die zuständige Tochtergesellschaft der Immovation-Unternehmensgruppe


Meistgelesen