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Dany Dawid

»Wir brauchen Zuzug«

Cottbus. Tobias Schick ist seit Oktober 2022 Oberbürgermeister der Stadt Cottbus. Mit dem WochenKurier sprach der Rathauschef über Erreichtes, über Ziele und über Herausforderungen.

Tobias Schick, Oberbürgermeister der Stadt Cottbus.

Tobias Schick, Oberbürgermeister der Stadt Cottbus.

Bild: Stadt Cottbus

Herr Schick, was waren die wichtigsten Erfolge der Stadt im vergangenen Jahr?

Die Fortschritte beim Bahnwerk, die wir auch durch die Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung und die gute Kooperation aller Beteiligten gesichert haben, so dass wir den ersten Teil des Werkes jetzt eröffnen konnten. Der wegweisende Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Übertragung der Trägerschaft des CTK auf das Land als wesentliche Weichenstellung für die universitäre Medizinerausbildung, die Medizinforschung und das digitale Leitkrankenhaus CTK. Die Komplettierung der Rathausspitze um einen dritten Beigeordneten u.a. für das wichtige Feld der Fachkräftesicherung und -gewinnung. Die Interimslösung in der Stadtpromenade sowie die Perspektive für den Standort des Stadtforum K im früheren Kaufhaus. Der weitere Abbau von Schulden, so dass wir wieder Kredite für Investitionen aufnehmen können.

Gibt es Entwicklungen oder Projekte, die nicht wie geplant verlaufen sind?

Die Rutschungen am Ostsee haben manche Entwicklung dort gebremst. Andererseits kann aktuell massiv geflutet werden, sodass es auch dort spürbar vorangeht.

Wie hat sich die wirtschaftliche Lage der Stadt entwickelt?

Nach meinem Eindruck steht die Wirtschaft stabil, bei allen Unwägbarkeiten durch internationale und nationale Rahmenbedingungen. Die aktuellen Proteste zeigen aber auch einen immensen Gesprächs- und -Erklärbedarf, gerade seitens der Bundesregierung. Als Oberbürgermeister nehme ich viel mit aus meinen zahlreichen Unternehmensbesuchen. Zugleich schaffen wir mit dem Strukturwandel in der Boomtown Cottbus neue Ansätze, Forschungs- und Produktionsfelder, Perspektiven.

Wie haben sich Umweltinitiativen und Nachhaltigkeitsprojekte entwickelt?

Diese Ansätze sind in alle Projekten, die wir angehen und entwickeln, mitgedacht und werden umgesetzt.

Welche strategischen Ziele hat die Stadt für das kommende Jahr?

Der Strukturwandel und mit ihm die großen, milliardenschweren Vorhaben werden weiter begleitet und forciert. Wir brauchen Zuzug, um dem Fach- und Arbeitskräftemangel zu begegnen. Dieser Zuzug muss nach verlässlichen Regeln und auf der Basis eines gemeinsamem Wertekompasses ablaufen, damit niemand überfordert wird. Integration gelingt durch Bildung, Ausbildung, Arbeit. Dem dient unter anderem unserer neu gegründetes Welcomecenter in der Berliner Straße.

Welche Projekte und Initiativen stehen im Fokus der städtischen Entwicklungspläne?

Wir investieren fortlaufend und flankierend auch in die soziale Infrastruktur, schaffen die Voraussetzungen zur Errichtung von Wohnraum, bauen und sanieren Schulen und Kitas. Dazu brauchen wir dringend ein Schulbauförderprogramm des Landes. Es wird zudem verschiedene Straßenbau-Vorhaben geben, die derzeit vorbereitet werden. Wir werden weitere Radwege sanieren sowie den Rad- und Gehweg in Richtung Ostsee über die künftige Seeachse baulich in Angriff nehmen.

Wie wird die Stadt mit den aktuellen und erwarteten Herausforderungen umgehen, insbesondere in Bezug auf Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz?

Das CTK profitiert von den aktuellen Entwicklungen und wird als Grundversorger für die Region weiter stabil zur Verfügung stehen. Und das in einer Zeit, in der an vielen orten über Einschränkungen der Krankenhaus-Versorgung und -angebote diskutiert wird. In Cottbus werden dagegen gut zwei Milliarden Euro investiert.

Die von mir initiierten Sicherheitskonferenzen in den Stadtteilen werden bilanziert und weitergeführt. Wir sind da permanent in Gesprächen und Abstimmungen. Die Situation hat sich stabilisiert, aber wir verschließen die Augen nicht vor Problemen, die gemeinsam mit der Polizei zu lösen sind.

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt zu fördern?

Zunächst bin ich als Oberbürgermeister im regelmäßigen Austausch mit der Unternehmerschaft, sei es bei meinen Unternehmensbesuchen, bei Ortsteilrundgängen oder im Wirtschaftsbeirat bzw. am Gastronomen-Stammtisch. Wir werben überregional als Boomtown um neue Fach- und Arbeitskräfte. Zwar sind die kommunalen Möglichkeiten der direkten Wirtschaftsförderung begrenzt. Mit der Entwicklungsgesellschaft EGC haben wir ein gutes Instrument, um Wege zu ebnen, um Gewerbegrundstücke zu entwickeln und zu vermarkten sowie um Fach- und Arbeitskräfte zu kämpfen.

Welche Pläne gibt es für die Verbesserung der Infrastruktur, Verkehrsanbindung und städtischen Dienstleistungen?

Die Verwaltung will weiter digitaler werden, auch wenn wir da noch viel vor uns haben. Wir werden ein neues Bürgerprotal haben, sinnvollerweise angelehnt an Angebote des Landes, für digitale Dienstleistungen. Wir werden in diesem Jahr in allen Schulen die Voraussetzungen schaffen, dass die nötigen Breitbandanschlüsse vorhanden sind und anschließend die Schulen weiter ausgestattet werden.

Wie sollen Bürgerinnen und Bürger aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden?

Bestes Beispiel ist der Kommunale Entwicklungsbeirat für die Stadtpromenade, der sich aktuell formiert und in den kommenden Monaten Vorschläge für die Gestaltung der Flächen erarbeiten wird und notwendige Kompromisse diskutiert. Die abschließende Entscheidung trifft dann die Stadtverordnetenversammlung. In diesem KEB sind ausschließlich Menschen mit Wohnsitz in Cottbus vertreten. Neben vielen Vertreterinnen und Vertretern von Kammern, Vereinen, Initiativen, der Geschäftswelt u.a.m. sind auch acht Bürgerinnen und Bürger ausgelost worden.Darüber hinaus wird es verschiedene Formate des Austauschs geben. Bewährt haben sich die Ortsteilrundgänge. Ich verweise aber immer auch auf die öffentliche Arbeit der Stadtverordneten in den Ausschüssen.

Wie sieht die Finanzlage der Stadt aus, und welche Steuer- oder Haushaltsänderungen sind zu erwarten?

Den Stadtverordneten liegt jetzt im Januar der Haushaltsentwurf 2024 zur Beratung und Beschlussfassung vor. Kommunal zu erhebende Steuern werden nicht erhöht. Durch den Abbau von Schulden in den zurückliegenden Jahren sind nunmehr neue Spielräume für Investitionen möglich.

Gibt es neue Partnerschaften oder Kooperationen, die eingegangen werden sollen?

Wir pflegen die Partnerschaften u.a. zu den Städten Zielona Góra und Montreuil sehr intensiv, sind auch mit Saarbrücken wieder stärker im Austausch. Darüber hinaus sprechen wir im Kreise der Oberbürgermeister der vier kreisfreien Städte in Brandenburg intensiv über kommunale Probleme. Es gibt weitere Gremien, Verbände und manches mehr, wo wir beteiligt und gefragt sind.

In Brandenburg wird im Jahr 2024 ein neuer Landtag gewählt. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Wahljahr?

Zunächst richtet sich mein Blick auf die Europa- und vor allem die Kommunalwahl im Juni. Da entscheiden die Bürgerinnen und Bürger, wer sie künftig in der Stadtverordnetenversammlung vertritt und viele wichtige Entscheidungen für unsere Stadt fällt. Ich hoffe auf Wahlen und Voten, die die Demokratie stärken. Und ich wünsche mir eine hohe Wahlbeteiligung. Das gilt dann auch für die Landtagswahl. Nur Demokratie, Freiheit und die Wahrung der Menschenwürde sichern uns das Fortkommen als Gesellschaft. Und natürlich hoffe ich unabhängig vom Wahljahr auf friedliche Lösungen von Konflikten in der Welt.

Was ist Ihr Wunsch für das aktuelle Jahr?

Mehr Gemeinsamkeit trotz aller notwendigen Streits und Debatten. Mehr Zuversicht gerade hier, wo so viel bewegt und investiert wird. Mehr Vertrauen in die Lösungskompetenz des Staates trotz großer internationaler Verunsicherung.


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