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»Stern von Bethlehem« - gab es ihn?

In unserem Interview spricht Gerd Thiele, Geschäftsführer des Raumflugplanetariums »Juri Gagarin« Cottbus über die Sternenkonstellationen zu Weihnachten und was es mit dem »Stern von Bethlehem« auf sich hat.
Foto: Planetarium

Foto: Planetarium

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahrzenten mit der Astronomie. Was fasziniert Sie an der Himmels- und Sternenkunde? Die Astronomie ist die älteste Naturwissenschaft der Welt und trotzdem wird immer wieder neues entdeckt und scheinbar gültiges verworfen. Das ist ein Merkmal jeder Naturwissenschaft: Eine These ist so lange gültig, bis sie widerlegt ist. Der Blick in die Sterne ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit. Wir sehen keinen Stern so, wie er in der Gegenwart aussieht, denn das Licht jedes Sterns braucht  Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte, bis es unsere Augen erreicht. Und wir können etwas über Orte erfahren, die wir selbst niemals besuchen können. In der Weihnachtsgeschichte des Matthäus-Evangeliums kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: »Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im  Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.« Gibt es einen realen Hintergrund für solch einen  »Leuchtvorgang«, der heute oft als »Stern von Bethlehem« bezeichnet wird? Darüber zerbrechen sich die Wissenschaftler und Theologen schon lange den Kopf. Es gibt im  Wesentlichen vier Thesen: 1. Eine Supernova, ein explodierender Stern, der plötzlich über mehrere Tage oder Wochen hell  aufleuchtete. Wäre möglich, allerdings sind solche Supernovabeobachtungen gut historisch terminiert und es gab keine Beobachtung zum in Frage kommenden Zeitraum.
2. Ein Komet, wie auf dem berühmten Gemälde von Giotto di Bondone dargestellt. Zwar oft so dargestellt, aber unwahrscheinlich, da ein Komet als Unglücksbote galt und deshalb kaum die Ankunft
des Heilandes anzeigen konnte.
3. Eine Konjunktion, d.h. enges Zusammentreffen zweier heller Planeten, wie es in diesem Jahr am 21. Dezember mit Jupiter und Saturn stattfindet. Diese Theorie stellte Johannes Kepler auf, denn er fand ein solch dreifaches Zusammentreffen im Abstand mehrerer Monate im Jahr 7 v. Chr., was ja ungefähr passen würde. Die Geburt von Jesus am 25. Dezember ist ja auch willkürlich festgelegt worden, um in die Nähe des jüdischen Passahfestes zu kommen. Dieses Zusammentreffen der Planeten fand damals sogar im Sternbild Fische statt, dem Symbol des Christentums. Dagegen spricht, dass beide Planeten
zwar dicht beieinanderstehen, aber immer noch als zwei Punkte zu sehen sind. Und Matthäus spricht von einem Stern, nicht von einem oder zwei Planeten. Den Unterschied kannte man damals schon.
4. Es gibt keine wirkliche Entsprechung für den Stern von Bethlehem, diese Beschreibung dient nur einer lyrischen oder mythologischen Ausschmückung. Das ist leider die wahrscheinlichste These, auch wenn es immer wieder Versuche gibt, noch andere Erklärungen zu finden. Aber kein anderer Evangelist
berichtet im Zusammenhang mit der Geburt von Jesus von einer besonderen Himmelserscheinung Inwieweit hat sich der Sternenhimmel in den vergangenen 2000 Jahren verändert? Die Erdachse trudelt wie ein Kreisel, der nicht mehr genug Schwung hat. Eine volle Trudelbewegung dauert etwa 28.000 Jahre. Zurzeit zeigt die nördliche Verlängerung der Erdachse in die Nähe des Polarsterns. Vor 2000 Jahren war der Abstand zwischen Himmelsnordpol und Polarstern noch größer. Die Sternbilder sahen aber schon so aus wie heute. Wie zeigt sich der Sternenhimmel über Brandenburg jetzt im Dezember? Je näher Weihnachten rückt, umso mehr rücken die Sternbilder der Winterzeit Richtung Süden. Sehr
leicht zu finden ist das markante Sternbild Orion. Westlich davon findet man das Sternbild Stier. Der
nahezu dreieckige offene Sternhaufen Hyaden bildet den Kopf, in dem man auch den markanten rötlichen und hellen Stern Aldebaran findet. Östlich vom Orion und etwas tiefer leuchtet der hellste Stern des Winterhimmels, der weißliche Sirius. Das ist bei uns so ziemlich der einzige Stern des Sternbildes großer Hund, den man mit bloßem Auge findet. Jupiter und Saturn habe ich schon erwähnt. Weiter östlich ist Mars die ganze Nacht zu sehen. Am Morgen gesellt sich im Osten noch die Venus dazu. Damit können außer Merkur alle mit bloßem Auge sichtbaren Planeten in einer Nacht beobachtet
werden. Vom 17. bis 26. Dezember wird der eher bescheidene Sternschnuppenstrom der Ursiden erwartet. Diese Sternschnuppen scheinen aus dem Sternbild kleine Bärin, also aus Richtung des Polarsterns zu kommen. Das Maximum mit etwa 10 Meteoren pro Stunden wird die Konjunktion von  Jupiter und Saturn in der Nacht vom 21. zum 22. Dezember begleiten.
Was für einer Himmelserscheinung würden Sie selbst heute folgen, wie einst die Weisen im Matthäus-Evangelium? Ich glaube nicht, dass ich nach irgendeiner Himmelserscheinung aufbrechen würde, um den Heiland zu begrüßen. Das Spektakulärste, was wir hier auf der Erde erleben können ist für mich eine totale Sonnenfinsternis, wenn es mitten am Tag plötzlich dunkel wird, weil sich der Mond zwischen Sonne und Erde schiebt. Dafür würde ich auch eine Reise auf mich nehmen. Am 3. September 2084 wäre eine günstige Gelegenheit, denn da ist wieder mal eine in Süddeutschland und in Österreich zu beobachten.
Das ist nicht so weit, so dass ich mir das vielleicht im Alter von 135 Jahren noch zumuten kann.


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