Seitenlogo
Carola Pönisch

Wie halten Sie es mit Gender-Sprech?

Die Stadt Hannover hat eine neue Verwaltungssprache eingeführt. Sie soll ab sofort nicht mehr nur Frauen und Männer beschreiben, sondern alle Menschen. Hintergrund ist die Tatsache, dass es in Deutschland seit 1. Januar neben »männlich« und »weiblich« im Personenstandsregister offiziell auch das dritte Geschlecht »divers« gibt. Ziehen unsere Verwaltungen nun nach?
Der »Jedermann« hat keine Zukunft. Montage: Schramm

Der »Jedermann« hat keine Zukunft. Montage: Schramm

Der Schriftverkehr, der Hannovers Amtsstuben jetzt verlässt, muss in »geschlechtergerechter Verwaltungssprache« formuliert sein. Deshalb werden die rund 12.000 Angestellten (richtig muss es wahrscheinlich Angestellt*in heißen) jetzt sehr oft in die neue vierseitige Anleitung schauen, um die richtige Formulierung zu finden. Denn aus Lehrern werden Lehrende, aus Wählern Wählende, aus allen, die sich irgendwie im Stadtverkehr bewegen werden Verkehrsteilnehmende und wenn Hannovers Oberbürgermeister Schostock eine Rede halten will, dann tritt er nicht mehr ans Redner- sondern ans Redepult. Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, dann darf in den offiziellen Schreiben, Mails, Broschüren, Präsentationen, Flyern und allen Drucksachen zwar noch die Formulierung »Sehr geehrte Damen und Herren« verwendet werden, doch besser wäre es, die Formulierung »Guten Tag« oder »Liebe Gäste« zu verwenden. Als allerletztes Hilfsmittel muss der Genderstern herhalten wie eben bei Angestellt*in. Und wie sieht es in unseren Amtsstuben aus? Wir haben nachgefragt. Ergebnis: Sprache wird strikt nach Geschlechtern getrennt, aber das dritte Geschlecht hat es offenbar noch nicht in die Amtssprache geschafft. Beispiel Dresden: »Laut Allgemeiner Dienstanweisung der Landeshauptstadt ist im Sprachgebrauch der Stadtverwaltung Dresden die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sprachlich zu berücksichtigen«, sagt Karl Schuricht vom Presseamt der Stadt. Dafür gibt es in der Verwaltung seit 2007 eine 19-seitige Broschüre und einen zweiseitigen Flyer mit vielen Beispielen für die praktische Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache. Empfohlen wird tatsächlich Bürger- und Bürgerinnenforum statt von Bürgerforum zu sprechen. Aus Jedermann wurde im Laufe der Jahre »jeder Mensch«. Beispiel Radebeul: »Unsere Hauptaufgabe als Stadt ist es, die drängenden praktischen Belange der Stadt bzw. unserer Bürgerschaft zu lösen. Im Mittelpunkt sollte daher nicht Theoretisieren und Symbolpolitik liegen«, heißt es klipp und klar auf WochenKurier-Nachfrage. Man versuche bewusst Neutrumformen wie »Bürgerschaft« zu verwenden oder die altbewährte Höflichkeitsform mit Nennung der (zuerst)weiblichen und männlichen Form. Wichtig sei ohnehin die »tatsächlich gelebten Gleichstellung bzw. Gleichberechtigung«. Beispiel Coswig: "Die Stadtverwaltung Coswig pflegt generell eine ausgewogene Sprache, die sich an alle Menschen gleichermaßen richtet. Bei unseren Überlegungen zu diesem Thema stand in der Vergangenheit die Gleichstellung von Männern und Frauen im Fokus. In unserer Verwaltung gibt es zum Thema Gendersprache keine zentralen Anweisungen; wie schon vor Jahren zum Thema männlicher/weiblicher Anredeformen orientieren wir uns auch jetzt am öffentlichen Diskurs und ggf. an Empfehlungen der interkommunalen Verbände", informiert Stadtsprecherin Ulrike Tranberg. Sie selbst achte sehr auf geschlechtergerechte Sprache, "die unbedingt auf den Holzhammer verzichten sollte – um der Sache willen und aus Verantwortung für unsere Sprache. Sie ist ein hohes Kulturgut, das auch wir mit jedem Satz und jeder Veröffentlichung lebendig halten – und auch pflegen müssen. Das * beispielsweise versuche ich aus diesen Gründen eher zu vermeiden. Wie auch das weniger auffällige Binnen-I wird es der aktuellen Thematik ohnehin nicht gerecht. Es ist daher richtig, völlig neutrale Formulierungen zu bevorzugen, sofern die sprachlichen Mittel dafür vorhanden sind". Beispiel Freital: »Im Allgemeinen ist in unseren Publikationen und im Dienstgebrauch Formulierungen wie ‚Freitalerinnen und Freitaler« üblich. In Stellenausschreibungen wird das (m/w/d) verwendet. Besondere Regelungen gibt es darüber hinaus derzeit nicht«, sagt Pressesprecher Matthias Weigel. Beispiel Pirna: Hier wird das dritte Geschlecht derzeit ebenfalls nur in Stellenausschreibungen berücksichtigt. Fazit: Sprache verändert sich. Ist der Hannover Weg der richtige? Fühlen Sie sich als »Leser« diskriminiert und wollen als »Lesende« angesprochen werden? Diskutieren Sie mit uns: carolapoenisch@wochenkurier.info


Meistgelesen